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„Ally, nun beeil dich doch mal ein bisschen! Wir wollen doch nicht schonwieder zu spät kommen." ,rief meine Mutter durch das ganze Haus. Sie stand unten an der Haustür und ich war im Dachgeschoss dunseres Hauses. Es würde mich nicht wundern ,wenn es die ganze Nachbarschaft gehört hätte. Ich wartete förmlich darauf das Mrs.Fletcher, unsere Nachbarin, aus dem Fenster schreien würde dass es eine sehr unsittliche Zeit sei und es nicht angebracht sei hier so rumzuschreien. Selbst wenn sie es selbst tat.
Ich rief zurück: "Gleich Mom, Ich hole nur noch mein Handy." Ich stürmte die Treppenstufen hinunter, lief in mein Zimmer. Ich holte mein iPhone ,das auf meinem großen Bett ,das mitten im Zimmer stand, angesteckt lag. Ich hatte ein überdurchschnittlich großes Zimmer, was mir aber erst vor etwa einem Jahr aufgefallen war. Die Wände waren mit einer Pastellblauen Tapete geschmückt. Wenn man genau hinsah konnte man winzig kleine pastell-gelbe und -rosane Blümchen erkennen, die überall auf der Tapete verteilt waren. Ich hatte einen großen Hölzernen Kleiderschrank und einen altmodischen aber geliebten Schreibtisch am Fenster stehen. Ebenso waren Poster von ,,BTS'', ,,TheFatRat'' und anderen Musikern ,Sängern und Gruppen an meiner Wand. Man würde vielleicht sagen, es sei ein typisches Mädchenzimmer im 21sten Jahrhundert, was auch stimmte. Nur ein Punkt stimmte in der „Perfektes Mädchen Zimmer-Checklist" nicht über ein. Ich besaß keine Schminke oder Nagellack, die demnach auch nirgendwo zu sehen waren. Ich habe es mal versucht, meine Freundin Johanna hat mich überreden können es wenigstens mal auszuprobieren, aber ich fühle mich einfach nicht wohl mit soviel Chemie im Gesicht. Nein, Danke.
Ich warf erst meine Zimmertür und dann die Haustür hinter mir zu und rannte zum weißen Ford Fiesta meiner Mutter. Der Wagen war noch vom Jahr 1996 und sie liebte ihn. Sie nannte ihn Rose, da ihr Lieblingsfilm ,,Titanic'' war.
Sie starrte mich ungeduldig an, fast, als wolle sie mich mit Telepatischen Fähigkeiten in ihr Auto beamen.
Ich machte die Tür auf, sprang rein, und noch bevor die Tür geschlossen, geschweige denn ich angeschnallt war, fuhr sie los. „Du weißt doch dass wir zu dem Essen mit Tante Mara nicht zu spät sein dürfen, das ist ein wichtiger Anlass." , sagte meine Mutter mit gereiztem Unterton. Ich erwiederte: „Mom, Du weißt wie schwer ich mich damit tue, mir etwas passendes Anzuziehen herrauszusuchen."  Mit einem genervten Blick auf die Straße, sagte sie: „Du weißt was jetzt kommt..." Im Chor sagten wir: „Das Leben ändert sich nicht für dich. Du musst was ändern." Ich verdrehte die Augen. Wie oft hatte ich das schon gehört. Langsam nervte es wirklich.
Meine Mom bog rechts ab auf die Mainstreet. Wir leben in einem Ort mit Namen Spring Dale in Arkansas. Es ist eine typische Kleinstadt in den USA wie man sie sich vorstellen würde. Im Westen war ein Diner, Im Süden, nur 2 Straßen von unserem Haus entfernt, war ein Walmart und im Westen der Stadt war die Spring Dale High School, die ich besuchte. Ich war in der 8 Klasse. Die Spring Dale war auch eine normale Highschool im Mittleren Osten der USA. Normale Schüler, Normale Lehrer, Normale Stunden. Alles in Spring Dale war so normal.
Meine Mutter parkte vor einem Weißen Haus mit blau-grau glänzendem Dach. Im Vorgarten des Hauses, standen typisch Russiche Gartenzwerge. Das war das Haus von Tante Mara. Meine Mutter drehte sich zu mir um und sagte: „Bitte bleib ruhig, ja? Wir wissen beide wie aufdringlich Tante Mara manchmal sein kann. Aber sie meint es nur gut mit uns." Ich nickte. Meine Tante konnte wirklich nervig werden manchmal. Aber das gehörte nunmal zu ihr. Sie war wohl das einzige in Spring Dale das nicht ganz normal war.
Wir stiegen aus und näherten uns der gläsernen Haustür mit Kiefernholzrahmen. Noch bevor wir den ersten Schritt die Treppe hoch machen konnten, schwang die Tür auf und eine freudestrahlende Tante Mara wackelte uns entgegen. Sie war klein aber robust und das sah man ihr auch an. Sie hatte ihr hellblondes Haar zu einem Turm auf ihrem Kopf gestapelt und festgesteckt. Dazu trug sie noch eine Schürze mit Blumenmuster und Hausschuhe. Sie war ,genauso wie wir, Russin. Nur das mein Vater Deutscher war. Also war ich doch nur zur Hälfte Russin. Ein Mischling sagten immer meine Familie und Freunde zu mir. Ich empfand dies nicht als Beleidigung, währenddessen andere die ich kannte schon längst an die Decke gegangen wären. „Ally, detka! Wie lange ist es her das wir uns nicht mehr umarmt haben!" Die rundliche Lady drückte mich an sich und ich drohte ernsthafte Atemprobleme zu bekommen ,wenn das so weiter ging. „Aiii, und Sasha! Ooohh lass dich drücken!" Meine Mutter ereilte das gleiche Schicksal wie mich und ich sah ihr an, dass sie keine Luft mehr bekam. Ich musste unwillkürlich grinsen bei dem Anblick. Als Mom endlich wieder Luft bekam, nahm uns Tante Mara an den Händen und zog uns ins Haus rein. Sie sagte in ihrem für sie typischen Russischen Akzent: „Nun kommt doch erstmal rein! Ich habe Tee und Kuchen für euch gemacht." Wir hatten wohl keine andere Wahl als uns von meiner Tante ins Haus schleifen zu lassen und Kuchen zu essen. Daran führte kein Weg vorbei.

Das Haus von Tante Mara war sehr untypisch für die USA. Überall standen Porzellan-figuren herum, auf dem Boden lag ein Teppich den sie aus ihrer Heimat mitgebracht hatte und sie hatte nur alte Holzmöbel im Haus. Auf dem Kamin der an der Wand stand, standen Familien Fotos von Daniel und ihr. Daniel war ihr verstorbener Ehemann. Er starb an einem Herzinfarkt. Ich war noch zu jung um es zu verstehen, als er ging. Ich hatte nie die Zeit eine tiefe Bindung mit meinem Onkel einzugehen. Ein weiteres Bild zeigte mich mit etwa 5 Jahren, meinen Vater, meine Mutter und Tante Mara. Dieses Foto war in Russland entstanden als es gerade Dezember war. Mein Vater war ebenfalls weg, er allerdings ist nach Deutschland zurück gegangen um seiner Familie beizustehen. Seiner neuen Familie. Meine Mutter und er waren geschieden. Sie sagten sie hätten sich in all den Jahren „auseinander gelebt." Ich hasste diese Aussage. Wenn man heiratet, dann möchte man doch für immer zusammen sein, oder? Manchmal vermisste ich Dad. Aber er hatte sich gegen uns entschieden. Er hatte sich gegen Mich entschieden. Das werde ich ihm nie verzeihen.

In der Mitte der Wohnküche stand ein großer, hölzerner Esstisch der schon mit Kuchen, Gabeln, Tellern und Teetassen bestückt war. Tante Mara zog uns an den Tisch und signalisierte uns Platz zu nehmen, was wir dann auch taten. Sie sagte: „Ich muss noch den Tee aufbrühen. Macht es euch bequem." Die Stühle auf denen wir saßen, hatten schwungvolle und schöne Einkerbungen. Sie zeigten Einen Russichen Wald im tiefsten Winter. Die Teller und Tassen die vor uns standen hatten goldene Ränder und ein Hellblaues Blumen Muster. Während ich noch darüber nachdachte, wie Porzellan hergestellt wurde, kam Tante Mara schon mit einem vollen Krug Tee an den Tisch. Sie stellte die große Kanne in die Mitte des Tisches. Anschließend setzte sie sich selbst an den Tisch. Sie schnitt den Kuchen an und gab zuerst mir, und dann meiner Mutter ein Stück auf den Teller. Wie es aussah war es Käsekuchen mit Himbeeren und Schokoladenstückchen. Es sah wirklich gut aus. „Lasst es euch schmecken!" ,sagte Tante Mara in russichen Dialekt. Ich nahm die kupferne Gabel die neben meinem Teller lag und zerteilte meinen Kuchen. Währenddessen fragte meine Tante meine Mutter: „Sasha, Kind, Sie wie geht es dir? Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen." Mom schien kurz zu überlegen was sie sagen sollte. Nach kurzem schweigen sagte sie: „Mir gehts gut" Tante Mara ließ es darauf beruhen und sah nun mich an.  „Und du Ally? Hast du dich hier eingelebt?" , „Tante Mara. Wir wohnen schon 2 Jahre hier." Sagte ich. Vor 2 Jahren waren wir von Deutschland nach Amerika gezogen, weil wir Tante Mara nicht allein lassen wollten. Das war in Deutschland bei seinen Eltern geblieben. Er war ein Einzelkind, also hatte ich keine Tanten oder Onkels Väterlicher Seits, was ich schade fand. „Man kann ja nie wissen, Kind." Sagte sie und schaute wieder auf ihren Teller. 

Der Nachmittag verging und es fing an zu dämmern. Meine Mutter setzte zum Aufbruch an und mir war das nur mehr als recht. Ich wollte heute abend nämlich noch mit JoJo telefonieren. Mom stand vom Sofa auf, ich tat es ihr gleich. „Also Mara, es war schön dich mal wieder zu sehen. Aber ich muss jetzt wirklich los. Ich muss noch Abend essen kochen und den Hund darf ich auch nicht zu lange allein lassen." , „Ach bleibt doch noch. Ich kann auch für euch kochen!" Sagte Tante Mara, aber Mom winkte dankend ab. „Nächstesmal Mary." Mary war der Spitzname von Tante Mara. So hatte meine Mutter sie früher immer genannt. Mara sah nicht glücklich über den umstand aus, aber sie sah dann auf die Uhr und erschrak. Sie nahm die Hand vor den Mund und sagte: „Aiiii, schon so spät! Na gut, Ich lasse auch gehen.  Aber das nächste mal gibts Pelmeni!" Ich fing an zu strahlen. Ich liebte Pelmeni! Das war Maras Spezialität. Man kann es sich so vorstellen wie Ravioli. Nur das Pelmeni mit Fleisch und typisch russischen Kräutern gefüllt waren. „Du weißt was ich mag Tante Mara!" ,sagte ich mir einem Grinsen.Tante Mara zwinkerte mir zu und ich musste lachen.
Wir machten uns auf den weg zur Haustür und Tante Mara öffnete sie uns. Wir gingen durch und verabschiedeten uns. Dann liefen wir zum Auto von Mom und stiegen ein. „Danke Mom." sagte ich. „Ich muss langsam echt nachhause. Johanna fragt schon wo ich bleibe!" Ich hielt ihr mein hell erleuchtetes Handy vors Gesicht, auf dem der Chat von mir und Johanna zu sehen war. „Ja Schatz, das weiß ich doch." Sie startete den Motor und wir bewegten uns abwärts. Wir rollten aus der Einfahrt des Hauses. Tante Mara stand noch in der Haustür und wunk uns zum Abschied zu. Jetzt kam noch ein Luftkuss.
Mom und ich wunken gleichzeitig zurück. Danach wendeten wir das Auto wieder auf die Mainstreet.

36,6 KilogrammWo Geschichten leben. Entdecke jetzt