Kapitel 3

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»Hast mich aus deinem Leben geschossen
Und wo's am meisten wehtut getroffen.«

Auf dem Weg zur Villa der Sing meinen Song Location spürte ich den Alkohol, den ich getrunken hatte in meinem Körper. Es war zwar nicht viel gewesen. Jedoch hatte ich bei Nico immer noch das Gefühl, dass er mit Max deutlich mehr getrunken hat und er stützte sich beim Gehen mehr auf mir ab als das er mich hätte beschützen können.

Doch war er davon nicht angetan und lachte jedes mal, wenn wir vom Weg abkamen sein typisches Santos lachen und ich konnte nicht anders als mitzulachen. Die Laternen am Rand des Steinweges. 

"Wenn du schon kaum allein laufen kannst wie soll Max dann allein bis in sein Bett kommen?", sagte ich als wir erneut in Gelächter ausgebrochen waren, nachdem wir vom Weg getaumelt waren. "Hey, ich kann noch wunderbar laufen. Siehst du?", er ließ mich los und lief halbwegs gerade aus,"und außerdem hab ich meinen Arm, um dich gelegt, um dich zu wärmen. Es ist schließlich immer noch Februar." 

"Klar und du Gentleman kannst mir ja auch überhaupt nicht deine Jacke geben", ich zeigte auf die dunkelrote Jacke, die er anhatte und musste meine Kraft zusammen nehmen, um nicht loszulachen. Wie aufs Stichwort zog er seine Jacke aus. Zum Vorschein kamen zwei durchtrainierte Arme und ich wusste nicht, ob es der Alkohol war, der mein Gehirn lahmlegte. 

Er legte die Jacke um meine Schultern und noch mehr von seinem Geruch stieg in meine Nase. Ich konnte nicht sagen nach was er roch aber ich mochte es mehr als sein Aftershave das vor Stunden noch an ihm war. Nachdem ich seine Jacke hatte, schaute er mir einen winzigen Augenblick zu lange in die Augen als das es nichts bedeutete. Ich sah schon fast wie er innerlich seinen Kopf schüttelte und er legte seinen Arm wieder um mich und wir liefen den restlichen Weg bis zur Villa in Stille und überraschend gerade. 

Unsere Zimmer waren alle in der ersten Obergeschoss, im Anschluss zur Terrasse, was bedeutete, dass wir noch eine Treppe überwinden mussten. Als wir gerade die erste Stufe geschafft hatten, drehte er sich regelrecht ruckartig zu mir. Nachdem auch ich mich ihm zu wand standen wir uns gegenüber und lehnten an je ein Treppengeländer. 

Ich zog meine Augenbrauen hoch, als Nico weiterhin nichts tat, als mich anzustarren. Daraufhin wandte er seinen Blick zu unseren Schuhen und murmelte: "Du warst atemberaubend heute Abend...das weißt du?" Ich schmunzelte, weil er mir in dem Moment wie ein kleiner Schuljunge vorkam. Total schüchtern und niedlich. Ich stieß ein Lachen hervor: "Und du warst auch... energiegeladen." 

Er schaute auf und erst jetzt im etwas helleren Licht konnte ich sehn, dass er vom Alkohol eine rötliche Nasenspitze bekommen hatte. "Du bist so wunderschön", nuschelte er und lehnte sich nach vorn. Ich verstand nicht was er machen wollte bis seine Lippen meine streiften. Doch mehr taten sie such nicht, denn er zog seinen Kopf schlagartig zurück. "Ich bin betrunken...", flüsterte er mehr zu sich selbst als würde es ihm gerade erst auffallen,"Tschuldigung!" Zu geschockt etwas zu sagen starrte ich ihn an. Noch immer kribbelten meine Lippen von der Erinnerung an seine. 

 Ich schreckte hoch. Ich braucht einige Sekunden um zu begreifen, dass ich in Berlin war und nicht mehr in Afrika. Erschöpft ließ ich mich nochmal in mein Kissen fallen, in dem ich sofort einsank, weil es so fluffig war. 

Innerlich wollte ich mich schlagen, denn obwohl ich tagsüber jeden Gedanken an das Vergangene und ihn vergessen wollte so kam in der Nacht alles in mir hoch. Ich drehte mich auf den Bauch und steckte mein Kopf ins Kissen und schrie. Ich ließ alles raus und versuchte trotzdem keinen meiner Nachbarn zu wecken. Erst als ich die gesamte Luft aus meinen Lungen heraus gepresst hatte, hörte ich damit auf. Beruhigt stellte ich fest, dass ich mich etwas besser fühlte. 

Ich stand auf, denn geschlafen hatte ich in letzter Zeit zu viel. Meine ganze Wohnung war in der Nacht abgekühlt und so schüttelte es mich leicht am ganzen Körper als die kalte Luft meine Haut streifte. 

Es war komplett still nur das Hupen einiger Autos auf der Straße war zu hören und das Knacken der Dielen unter meinen Schritten. Ohne das ich es wirklich mitbekam ich mal wieder ins Wohnzimmer und setzte mich ans Klavier. Ich spielte wahllos eine Melodie, die mir gerade in den Sinn kam. Nachdem ich am Nachmittag mit dem neuen Song angefangen hatte, ging es mir besser und ich konnte mich wieder der Musik widmen. 

Es war befreiend und so langsam kam auch wieder Wärme in die Räume. Bevor ich es überhaupt mitbekam, wanderte die Melodie zu einem von seinen Songs. Es war wahrscheinlich der einzige Song von ihm, den ich spielen konnte, ohne gleich wütend zu werden. 

Ich erinnerte mich noch wie Nico in Südafrika so zerbrechlich aussah als er die Geschichte erzählte. Ich hatte mich schlecht gefühlt, weil ich dachte, dass ich daran Schuld war, dass er wieder diese Trauer spürte, doch den ganzen Abend versicherte er mir das er froh war das ich ihn gesungen hatte. 

Während ich immer weiter die Melodiestimme von »Walk in your shoes« spielte, dachte ich weiter über den Abend nach und ich erinnerte mich an die Kokosnuss-Kalimba. Ich hatte sie in der Wut, in der ich war in meinem Koffer gelassen doch jetzt wurde mir klar, dass es völlig unnötig war. Es ging um seinen besten Freund nicht um Nico oder mich und deshalb sollte das Andenken nicht einfach verschwinden. 

Als die letzte Note verklungen war, machte ich mich auf dem Weg zu meinem Koffer und nahm das Musikinstrument vorsichtig aus meinem Koffer und trug es vorsichtig zurück zum Klavier und stellte es achtsam drauf. Als ich darauf sah, merkte ich wie ich mich beruhigte und stellte fest, dass Südafrika nicht nur aus Nico bestand, sondern auch aus den anderen. Ilse, Max, Patty, Mo und Jan. Und die Zeit bestand aus so vielen wunderschönen Erinnerungen.

»Und ich Idiot will doch immer wieder hoffen«

Endlich wieder GänsehautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt