Kapitel 1

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Maze und ich schlenderten durch die Straßen, machten hoffentlich einen ziemlich gelassenen Eindruck auf andere, schließlich war die Gegend hier nicht die ruhigste. Ich wurde unterdessen mit Fragen bombardiert, aber was hatte ich anderes erwartet, wenn ich eine Anfängerin unterstützte? Sie war meine beste Freundin und ich war bereit ihr alle Fragen zu beantworten so weit ich konnte, aber sie ließ mir kaum Zeit zu antworten.
,,Also Altaire...ist ist das mit den Göttern schwer?''
,,Du meinst mit ihnen zu kommunizieren? Oder sie durch dich kommunizieren zu lassen? Ersteres ist ganz einfach, Pendel oder Spiritboard. Zweiteres...du solltest sie gut kennen, das macht es einfacher. Bei Loki ist es am einfachsten. Hermes geht auch aber Dionysos? Super anstrengend. Also ist es sowieso, aber noch schlimmer bei Dio.''
Die Götter wurden präsenter, als ich ihre Namen sagte. Ich lächelte etwas. Sie waren in letzter Zeit wieder aktiver, dass Ferienzeit war, war gut für uns. Ich hatte einige schwerere Dinge gemeistert, Zauber aber auch Beschwörungen. Maze hing seit einem halben Jahr in der Position der Anfängerin herum, aus Faulheit. Aber seit die Götter durch mich mit ihr redeten, hatte sie neue Motivation gefunden.

Ich stieß die Tür zum Apartmentkomplex auf, in dem Lean wohnte. Seine Eltern waren mal wieder nicht da, also trafen wir uns hier. Hel schien bei ihm zu übernachten, wie so oft, schließlich waren die Beiden seit einem Jahr zusammen, denn ihr Fahrrad stand angekettet im Flur.
,,Sag mal, woher hast du den Schlüssel?''
,,Hat Lean bei mir vergessen, hat sich einen Neuen machen lassen und jetzt habe ich einen eigenen Schlüssel.''
Ich zuckte mit den Schultern und stieg die Treppenstufen hoch, bis in den dritten Stock. Ich klingelte an seiner Haustür. Schon hier konnte man Musik hören, ja, Hel war eindeutig bei ihm. Es war schwedische Musik, so weit ich es verstand.
Die Tür öffnete sich und Lean grinste uns an.
,,Hey bro, hast du wen Neues mitgebracht?''
Maze sah ihn empört an, aber ich konnte es Lean nicht verübeln. Ihre kurzen Haare ließen sich wirklich unglaublich anders aussehen. Bevor sie etwas sagen konnte lief ich mit Maze an ihm vorbei ins Wohnzimmer und sagte:
,,Ja, meinen Cousin, ne Scherz, Maze hatte ihre jährliche Scherung bekommen.'' 

Hel lag auf dem Sofa, an ihrem Handy. Als sie uns hereinkommen hörte, hob sie nur kurz die Hand und scrollte weiter. Vermutlich war sie in einem Artikel über alte Götter vertieft. Oder irgendwelche Buchrezensionen. Bei ihr wusste man es nie genau und ich hatte es aufgegeben zu versuchen, mit ihr in dem Stadium zu reden, so wie die Anderen auch.
Ich warf mich neben sie und warf einen Blick auf ihr Display, was sie allerdings schnell bemerkte, so dass ich kaum etwas sehen konnte. Sie schaltete ihr Handy aus und steckte es in ihre Hosentasche.
,,Hey. Wie lief's heute?''
Ich zuckte mit den Schultern. Bevor ich Maze abholte um herzukommen, hatte ich ein paar Bekannten Karten gelegt, um ihr Spirit Animal zu finden. Es hatte eigentlich immer geklappt und ich war recht glücklich damit, auch wenn einige etwas gegen ihr Tier hatten. Sowas konnte man sich nun einmal nicht aussuchen.
,,Ich glaube das Beste war Schnabeltier.'' meinte ich grinsend und zog die Tarotkarten aus meinem Rucksack. Ich mischte sie einfach nur, tat ich oft, wenn ich mich langweilte

,,Was machst du?'' fragte Lean, der sich mittlerweile ebenfalls neben uns gesetzt hatte, wieder zuckte ich nur mit den Schultern. Ich wusste es tatsächlich nicht. Die Karten würden mir schon sagen, was sie zu sagen hatten, wenn sie etwas zu sagen hatten.
,,Ich hab' euch alle lieb'', murmelte Maze auf einmal, den Mund voller Marshmallows, die sie wieder einmal irgendwo her gekramt hatte.
,,Wir dich auch, Maze'', grinste Lean und legte einen Arm um ihre Schultern, wobei sie glücklich lächelte.
,,Kuscheeeeln'' jubelte sie und aus einem seltsamen Reflex heraus, warfen Hel und ich uns ebenfalls auf sie.

Wir saßen einige Zeit so, bis ein Grummeln uns aus unseren Gedanken riss. Sobald wir realisierten was es war, lachten wir.
,,Ja, ja ich habe Hunger, okay?'' grinste Lean, also machten wir uns daran, etwas zu Essen zu bestellen.
,,Einfach irgendwas. Fast Food, meinetwegen.'' meinte Hel, der es grundsätzlich egal war, was wir aßen. Wir stimmten also alle zu, und suchten uns von unserem liebsten Imbiss etwas aus. Zwar mussten wir unser Essen von dort selbst abholen, doch die Besitzer kannten uns gut und normalerweise gab es dann irgendwas aufs Haus oder wenigstens einen geringeren Preis für uns, was uns oftmals ganz gelegen kam.
Wie gewohnt schickten wir Maze auf den Flur zum Telefonieren. Ihre Abwesenheit ließ es ungewohnt ruhig werden.

Es war Hel, die mit einer merkwürdigen Frage die Stille brach.
,,Denkt ihr es wäre eine gute Idee, einen Dämon zu beschwören?''
Wir rückten alle etwas auseinander. Hel war für ihr unpassendes Timing und seltsame Ideen bekannt, doch einen Dämon zu beschwören, während Maze und ich in der Nähe waren, darauf war sie noch nie gekommen.
,,Also ich meine ich habe Blutmangel...und es ist ein sehr hochragiger Dämon...aber ich habe das Gefühl es könnte wichtig sein.'' murmelte sie. Lean zog eine Augenbraue hoch.
,,Wenn es dir nicht gut geht, lass es lieber. Oder sag zumindest welcher Dämon, dann weiß ich, wen ich notfalls beschwören kann, wenn etwas schief geht.''
Während Hel anfing zu argumentieren, dass wir uns dann zu viel Sorgen machen würden, griff ich meine Karten vom Tisch und mischte wieder. Nach und nach fielen mir drei Karten entgegen, die ich auf dem Tisch ausbreitete. Die anderen Beiden waren zu sehr in ihre Diskussion vertieft, um etwas zu bemerken, also konnte ich ungestört überlegen.

BUBE der MÜNZEN... Positive Chance, konkretes Angebot, brauchbarer Impuls, handfester Vorschlag
V der MÜNZEN... ausweglose Situation; sich an nichts und niemanden mehr orientieren können; vergebliches hoffen auf Hilfe; Entbehrungen; falscher Stolz
Die WELT... Vollendung, Ideal, Intuition, Heimkommen, Reisen, Fortschritt

,,Wartet mal.'' meinte ich gerade so, dass alle es mitbekamen. Sofort war die Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Wie die WELT in all das passte wusste ich nicht, doch Hel sollte es besser lassen, da war ich mir sicher.
,,Die Karten sprechen davon, dass es dein Leben ins Chaos stürzen wird... zwar ist es ein brauchbarer Impuls den du hast, Hel, aber du hoffst vergeblich auf Hilfe. Lass es lieber...''
Sie verdrehte die Augen und strich sich ihre Haare so, dass sie über ihren Rücken fielen.
,,Keine Sorge, ich weiß, was ich tue.''

Die Lichtblitze überkamen mich plötzlich. Viele Bilder, die auf einmal auf mich einprasselten. Hel, Blut, Dämon, Tod...Gleichzeitig spürte ich Hermes Präsenz. Hatte er mir gerade eine Vision zur Warnung geschickt? Dann war es ernst, erster, als ich es erwartet hatte. Hermes mischte sich normalerweise nicht in meine Angelegenheiten an. Außerdem-

,,Altaire? Altaire verdammt steh auf!'' hörte ich Maze' besorgte Stimme und schlug die Augen auf. Ich lag auf dem Boden, genauer zwischen Couchtisch und Sofa. War ich etwas wieder einmal von einer Vision ohnmächtig geworden? Na, das konnte aber später noch heiter werden.
,,Was ist passiert?'' fragte meine beste Freundin mich, sobald ich mich wieder in aufrechte Position gebracht hatte.
,,Hermes...Hel, du lässt das mit den Dämonen vorerst auf jeden Fall. Wenn selbst einer der Götter sich dazu berufen sieht, einzugreifen, dann ist es ernst.''

Hel seufzte und lehnte sich zurück.
,,Verdammt ich hasse es, wenn ihr euch Sorgen macht.'' murmelte sie.
,,Wie nicht, wenn du uns immer Grund dazu gibst?'' meinte Lean genervt, während er im Schneidersitz auf dem Sofa sitzend mit einem Buch im Schoß etwas nachlas. 
Ich sah Maze an ,,Wie lang war ich weg?''
,,Zehn Minuten, bestimmt...'' seufzte sie und spielte in einer nervösen Geste an den Bändern an ihrem T-Shirt herum.

,,Ist das Thema Dämonen damit durch für heute?'' fragte ich nach einigen Minuten des angespannten Schweigens, bekam jedoch keine Antwort. Jedoch machte Hel wieder eine unbedachte Aussage.
,,Ich frage mich, ob ich Lucifer beschwören könnte...'' 
Wir starrten sie entsetzte an.
,,Wenn du das wagst-''weiter kam ich nicht, den Lean war aufgestanden und knallte nun die Tür zur Küche hinter sich zu. Man hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte und danach war es still. Totenstill.
,,Ich rede mit ihm'' hörten wir die leichenblasse Hel flüstern, bevor sie aufstand.

Awakening - das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt