3

27 3 0
                                    

Am nächsten Morgen wecken mich die Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge in meinem Zimmer durch scheinen. Ich schlage die Augen auf, bleibe regungslos liegen, bis ich Geräusche von unten höre. Schnell schwinge ich meine Beine über die Bettkante und stehe vom Bett auf, um aus meinem Zimmer raus zu kommen. Als ich auf den Flur gehe, höre ich die Stimme meines Vaters von unten. Hat Dylan nicht gesagt, dass er weg ist? Ich muss mit ihm reden! Ich muss die Chance nutzen. ,,Das würde ich nicht tun.'', flüstert eine leise Stimme hinter mir und lässt mich zusammen schrecken. Langsam drehe ich mich um und... sehe nichts. Gar nichts. Niet. Nada. Was...? Ich schüttle meinen Kopf, drehe mich wieder der Treppe zu und mache mich daran zu dem Raum zu kommen, in dem mein Vater sich gerade befindet. Ich klopfe nicht wie ich es sonst immer tun muss, sondern platze einfach in den Raum rein. Dad steht Dylan mitten im Raum gegenüber, beide starren sich hasserfüllt an. Kaum dass ich den Raum betrete spüre ich, wie angespannt alle hier sind, wie dick die Luft ist. Es ist so heftig, dass es mich fast erdrückt. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und starre die beiden an. ,,Du!'', knurrt mein Vater und kommt mit großen Schritten auf mich zu. ,,Dad, wir müssen reden, so geht das nicht weiter. Du... ich bin deine Tochter.'', sage ich mit ruhiger Stimme und bewege mich durch den Raum. Schließlich soll Dad mich nicht kriegen. Gott, klingt das albern. ,,Du bist nicht meine Tochter. So etwas wie du ist nicht meine Tochter.'', knurrt er und kommt mir immer näher. Als er nur noch einen Meter entfernt ist stellt Dylan sich vor mich und versperrt ihm den Weg. ,,Was tust du da? Lass das.'', sage ich leise und versuche ihn weg zu schieben. ,,Komm ihr nicht zu Nahe, Paul. Wag es nicht.'', zischt Dylan und schenkt Dad noch hasserfülltere Blicke als eben schon. Dad lacht. Er lacht so laut, dass es in den Wänden wider hallt. Okay, das ist gruselig. ,,Dad, wir können doch über alles reden.'', versuchte ich es erneut. Als jemand meine Hände nimmt, um mich hinter sich zu ziehen, zucke ich zusammen, wehre mich aber nicht, weil ich so beschäftigt damit bin, eine ruhige, sachliche Fassade zu erhalten, während ich innerlich am liebsten irgendwo hin gehen will, wo ich alleine bin, wo ich ausrasten darf. Und zwar ohne dass es jemand sieht. ,,Ach wie süß, alle wollen sie die kleine Missgeburt beschützen.'' Dads Stimme ist gefährlich leise und seinen Mund umspielt ein raubtierhaftes Lächeln. Ich stoppe meinen Versuch nach vorne zu gehen. Warum?! Was ist hier los? Warum ist er so? Ich zwinge mich ruhig zu atmen, löse meine Hände aus denen, die mich weggezogen hatten und tat den Schritt doch. ,,Dad, hör mir zu, ich möchte nur mit dir reden, ich bin...'', doch weiter kam ich nicht, da ich mit einem Mal Dads Hände an meinem Hals spürte. Zum Zudrücken kam er allerdings nicht, denn Dylan zog ihn grob von mir weg. Und dann hielt mich nichts mehr. Ich machte auf dem Absatz kehrt, schnappte mir im Vorbeigehen Dylans Autoschlüssel, lief so schnell ich konnte aus dem Haus, setzte mich in Dylans Auto und fuhr los. Ich fuhr aus der Stadt raus, auf eine endlose Landstraße, die irgendwann dann doch endete. Ich parkte etwas versteckt unter einem Baum, zwang mich ruhig zu atmen und stieg aus. Es war sonnig, ziemlich kühl für Oktober. Eigentlich genau so, wie ich es mochte. Nur konnte ich mich gerade nicht über das Wetter freuen, ich machte mir zu viele Gedanken um das, was gestern Abend losgegangen war. Ich wusste ja nicht mal was es war. Ich schlug die Tür mit einem Knall zu, bevor ich mich einfach ziellos in Bewegung setzte. Ich musste hier weg. Die Straße führte zwar nicht mehr weiter, aber der schmale Wanderweg an der Seite der Straße schon. Die Straße war die ganze Zeit über von Bäumen gesäumt gewesen, aber der Wanderweg war völlig frei, sodass ich meilenweit über Felder sehen konnte. Das Gehen beruhigte mich ein wenig, mein Atem wurde ruhiger. Nach einer Weile blieb ich trotzdem stehen, weil die Tränen mir die Sicht nahmen. Ich ließ sie einfach laufen. Was brachte es mir, wenn ich sie jetzt versuchte zu unterdrücken? Besser hier weinen, als irgendwo, wo es jemand anderes einfach so sehen konnte. Ich war noch nie jemand gewesen, der einfach vor anderen weinte, ich konnte das einfach nicht. Außerdem durfte ich es nicht. Die Presse war stets hinter den Kindern des zukünftigen Bürgermeisters her, da durfte man keine Schwäche zeigen. Man musste immer lachen, lächeln und seriös aussehen. Ich musste extrem auf meine Kleidung achten. Ich war gestern gar nicht dazu gekommen mich umzuziehen, deswegen hatte ich immer noch die Klamotten von gestern an: Ein weites grau-meliertes Top mit einem schicken schwarzen Blazer und einer hellen Jeans. Meine ebenfalls schwarzen Ankle-Boots habe ich auch immer noch an. Kaum zu glauben, dass ich damit ins Bett gegangen bin. Die Tränen liefen unaufhaltsam über meine Wangen und irgendwann ließ ich mich auf dem Boden nieder. Ich ging in die Hocke, fuhr mir durch die Haare und weinte einfach nur stumm, ohne einen Laut zu machen. Das konnte doch nicht wahr sein. Das war nicht mein Dad, das war jemand anderes. Mein Dad ist liebevoll, sanft und er liebt mich. Das kann nicht mein Dad sein. ,,Versuch doch gar nicht dir das einzureden.'', hauchte eine Stimme über mir und ich sah hoch. Und entdeckte nichts. Was war das? Das gleiche wie vorhin! ,,Was willst du von mir? Wer bist du? Ich weiß, dass du da bist!'', sagte ich laut und richtete mich wieder auf. Ich wartete einige Sekunden bis mir bewusst wurde, wie bescheuert das ganze eigentlich war. Ach komm, eine Stimme ohne Körper? Und demnächst regnet es Schokolade. ,,Ich bin gar nicht so unreal wie du denkst.'', flüsterte die sanfte, tiefe Stimme wieder. Ich schloss einfach die Augen. Vielleicht hör ich es dann nicht mehr. Ja, die Methode ist gut. Augen zu und es ist weg. Irgendwann öffnete ich meine Augen wieder, weil mir die ewige Dunkelheit dann doch nicht mehr so recht war. Ich sah und hörte nichts. Seufzend fuhr ich mir einmal durch die Haare und beseitigte die Tränenspuren auf meiner Wange. Für's erste hatte ich mich abreagiert. Ich atmete einmal tief durch und machte mich auf den Weg zurück zu Dylans Wagen. Dass ich ihn mir einfach genommen hatte war nicht ganz so toll von mir, wenn ich jetzt im Nachhinein drüber nachdachte. Aber zu meinem Wagen zu kommen war einfach schwieriger als mir einfach den meines Bruders zu schnappen. Meiner stand nämlich in unserer Garage. Bevor ich los fuhr kontrollierte ich noch einmal mein Aussehen im Rückspiegel. Wenn ich jetzt wieder in die Stadt fahre, könnte die Möglichkeit bestehen, dass die Presse mich erkennt. Und Bilder einer verheulten Lynn Namara verkaufen sich sicher gut. Leider zu gut. 

Sparkling EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt