All

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Ich spürte eine schreckliche Last, die mich nach unten zu drücken schien. Ich wusste nicht was das war, denn bis vor kurzem hatte ich mich noch so unendlich frei gefühlt, doch jetzt war da nur noch dieses etwas das mich nach unten zwang. Ich wollte mich wehren, doch da war es bereits zu spät und ich fühlte kalten Boden unter mir. Mein ganzer Körper tat unglaublich weh und ich brauchte ein paar Augenblicke, bis ich mich erinnern konnte was passiert war. Als ich meinen Kopf drehte sah ich weit entfernt von mir eine kleine zitternde Gestalt neben mir, die meine Hand umklammerte. Ich blinzelte ein paar mal um meine Sicht zu verschärfen und Bilder tauchten vor meinen Augen auf, von denen ich nicht wusste das sie existierten. Doch es blieb nicht einfach bei Bildern, es wurden Erinnerungen, Gefühle. Und dann lag ich nicht mehr auf dem kalten Boden des Dachs.

Ich fühlte mich warm und geborgen, in seltsamer Geruch hing in der Luft. Ich versuchte meine Augen zu öffnen doch meine Lieder waren schwer und eine woge von Müdigkeit überkam mich. Eine leise Melodie ertönte, es war eine frau die sang. Dieses Lied war so wunderschön und erfüllte meinen gesamten verstand. Diese Frau die da sang, ich hatte keine Ahnung woher aber ich wusste genau das sie meine Mutter war. Eigentlich hatte ich meine Mutter nie kennengelernt, ich war schon mein leben lang ein Waisenkind. Endlich schaffte ich es meine Augen zu öffnen, neben mir lag eine Gestalt, klein und zerbrechlich. Ich schaute hoch um die frau zu sehen, die sang. Meine Sicht war leicht verschwommen, doch trotzdem konnte ich sie erkennen. Sie hatte lockiges, dichtes haar, die ihr kantiges Gesicht in umrahmten. Ein wunderschönes lächeln umspielte ihre Lippen, während sie sang. Ihre Augen leuchteten in einem schon fast unnatürlichen grün, sie schaute mich liebevoll an. Ich konnte nicht anders als zu lächeln und doch breitete sich eine tiefe Traurigkeit in mir aus, von der ich keine Ahnung hatte wo her sie kam.

Ich drehte mich zu der Peron neben mir um, ich erwartete das Zoé neben mir lag, doch es war eine andere Person. Sie hatte wie meine Mutter schwarzes lockiges haar und lange Wimpern. Sie war so wunderschön und auch für sie empfand ich Liebe. Ich hörte mich selbst flüstern, doch meine stimme war anders als sonst. "Hannah? Hannah wach auf" Das Mädchen blinzelte und öffnete ihre langsam ihre Augen, sie hatte jedoch Blaue Augen und grüne. Meine Mutter hörte auf zu singen und schaute uns beide an, wie nur eine Mutter einen anschauen konnte. Sie schien etwas sagen zu wollen, doch ich konnte sie nicht mehr hören. Ich wusste nicht was los war, doch das Gefühl der Geborgenheit lies nach. Mir wurde kalt und ich spürte harten Boden unter mir. In der eisigen Luft hingen noch immer fetzen der Melodie die meine Mutter gesungen hatte, doch ihr Gesicht verblasste bereits. Das letzte was ich von ihr hörte waren die worte "beschütze Hannah, versprich mir das du sie beschützt...bitte, Kayo, ich vergebe dir alles was du getan hast nur beschütze deine Schwester".

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. ich wollte meine Augen nicht öffnen, wollte wieder zurück, wollte wieder zu meiner Mutter, zu Hannah, zu dieser Melodie. doch Ich konnte nicht und tief in meinem inneren wurde mir bewusst das sie Tod waren. schon vor langer zeit gestorben.

Plötzlich kam mir Zoé in den Kopf, sie war meine kleine Schwester und ich musste sie beschützen, ich musste dafür sorgen das es ihr gut ging, sie hatte sonst ja niemanden mehr. Ich hatte keine Ahnung was das für eine Erinnerung war, aber sie schien nicht wirklich aus meinem leben zu kommen. Mich wunderte es auch das ich das meine "Mutter" mich Kayo genannt hatte, ich hatte den diesen namen noch nie gehört und mein Name war Flynn. Ich wusste zwar nicht viel über meine Herkunft, aber das war klar. Doch ich konnte nicht einfach weiter rum liegen und nachdenken. lamgsam richtete ich mich auf. Die sonne stand hoch am grauen himmel. Ich richtete meinen blick auf zoé, die neben mir lag und schlief. "gut, du bist wach, hätte nich gedacht du solange zum aufwachen brauchst" sagte eine bekannte stimme hinter mir. Verwundert drehte ich mich um. Ich sah den Spott in Alls gesicht. Ein Gefühl der Erleichterung stieg in mir auf. "Ich...Ich...wo warst du? Wir dachten du wärst...Tod...was ist mit dir passiert?" Ich konnte das zittern in meiner Stimme nicht unterdrücken, doch sein Blick sagte mir das er meine Freude teilte.
Bevor er mir antworten konnte sprang ich auf, rannte auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. Den stechenden Schmerz in meinem ganzen Körper ignorierte ich dabei. Er lachte, doch in seinen Augen lag auch Schmerz. Dieser unendliche Schmerz von Erinnerungen, die man vergessen will aber nicht kann. Ich wusste genau wie sich das anfühlte, doch war einfach nur glücklich ihn zu sehen.
Nach einigen Momenten löste er sich aus meiner Umarmung. Er seufzte und begann zu sprechen "als sie mich geholt hatten dachte ich auch es wär vorbei. Sie haben mich in einen komplett leeren Raum gebracht. Ich weiß nicht genau was danach passiert ist. Ich bin aufgewacht und mein ganzer Körper hat weh getan. Ich hab von irgendwoher schreie gehört. Und dann wurde die Tür von einem kleinen Mädchen geöffnet. Ich hab sie vorher noch nie gesehen. Aber sie hat mir Angst gemacht. Sie meinte ich soll ihr folgen da du mich brauchst. Sie hat mich hier hoch geführt. Und dann hab ich gewartet bis du aufwachst." Er schwieg einige Momente. Und auf einmal kam eine Frage in mir auf "Was ist mit dem Mädchen passiert? Und wie sah sie aus? Hieß sie zufällig Hannah?" Er schaute mich erstaunt an. "Ich weiß es nicht. Wir haben nicht wirklich viel gesprochen. Warum willst du das wissen? Kennst du sie etwa? Ich glaub nicht das sie gute Absichten hat." Enttäuscht schüttelte ich den Kopf. "Ich weiß auch nicht...ich hatte diese komischen Träume...es hat sich so real angefühlt" er öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder und schaute an mir vorbei.
"Heyy kleines" sagte er mit zärtlicher Stimme. Ich drehte mich um, hinter mir richtete sich Zoè langsam auf. Tränen stiegen in ihre Augen als sie All sah. Sie warf sich ihm in die Arme schluchzte laut.
"Ist schon gut kleines" sagte er mit beruhigender Stimme, doch auch in seinen Augen bildeten sich Freudentränen.
All löste sich langsam aus Zoés Umarmung und fing an zu sprechen, doch meine Gedanken blieben nicht bei seinen Worten, immer wieder hatte ich das Bild meiner Mutter im Kopf. Und wenn ich versuchte mich auf die Erinnerung zu konzentrieren, die ich von ihr gehabt hatte, schien diese wie Glas in tausende Stücke zu Zersplittern. Eine unendliche Traurigkeit breitete sich in mir aus und ich spürte wie Tränen hinter meinen Augen brannten. Die leise Melodie hallte in meinem Kopf nach und ich konnte meine Tränen kaum noch zurück halten. Vorsichtig tippte Zoè mich an, was mich zurück in die Realität brachte. "Hast du eine Idee wie wir hier runter kommen?" Fragte All mich und schaute mich leicht besorgt an. "Ähm...naja...wir könnten fliegen" sagte ich mit einem vielsagenden Blick "aber dafür müssen wir warten bis es dunkel wird". Zoè und All konnten mich nur verwirrt anschauen doch irgendetwas in Alls Augen, sagte mir das er mehr wusste als das es so sagen würde.
Zoè brach endlich die Stille, die nach meinen Worten eingetreten war "und wie genau stellst du dir das vor? Soweit ich weiß is keiner von uns eigentlich ein Drache"
All lachte ein trauriges Lachen. "Nicht nur Drachen haben Flügel kleines...und in jedem von uns stecken verborgene Kräfte" meine Gedanken drehten sich immer schneller, ich versuchte sie zu ordnen, doch es gelang mir nicht. Wusste er etwa von meinen Flügen, die so plötzlich aufgetreten waren. "Geht's dir gut Flynn? Du bist so blass" Fragte er nun mit einem belustigten Unterton. Ich nickte nur abwesend, wusste er etwa auch das ich von dem Dach gesprungen war, ohne über meine Flügel bescheid zu wissen? Wieviel konnte er überhaupt wissen und woher? Mein Kopf surrte von all diesen Gedanken. Zoè schaute uns beide verwundert an. "Was wisste ihr, was ich nicht weiß?" Fragte sie mit leicht zitternder Stimme. Mein Blick fiel auf ihre kleinen Hände, die sie nervös knetete. Sie wirkte immer so klein und zerbrechlich.
"Du hast sie auch, oder?" Fragte All plötzlich. "Die Flügel meine ich. Sie waren auf einmal da, schwarz wie die Nacht, doch irgendwie stärkt sie Sonne sie. Und der Mond scheint sie zu Schwächen" vollendete er seinen Satz.
"Ja" Murmelte ich leise, "doch es ist andersherum bei mir, die Nacht gibt ihnen Kraft. Und in der Sonne sind sie schwächer, schwerer."
Zoè schaute so verwirrt aus, als sie sagte "Ist das irgendeine geheime Sprache von euch oder so?"
Ich versuchte mich auf meinen Rücken zu konzentrieren, dachte an die großen silbrigen schwingen. Mein zerrissenes t-shirt spannte an meinem Rücken. Ein Gefühl von großer Stärke breitete sich in mir auf. Und dann waren sie da, diese wunderschönen weißen Flügel. Zoè starrte mich ungläubig an, die sonne brannten auf meiner Haut und ich spürte wie ich schwächer wurde. 

All grinste, wirkte jedoch angespannt und dann kamen auch seine Flügel zum Vorschein. Er wirkte wie irgendein Wesen aus Märchen, ein Elbe oder so. Seine fein gezeichneten Züge erinnerten mich immer an etwas magisches und mit diesen wunderschönen schwarzen schwingen wirkte er schon fast göttlich.
Ein selbstsicheres Lächeln lag auf seinen Lippen, während zoès Blicke nur verwirrt und gleichzeitig ehrfürchtig zwischen uns her glitten.
Doch ich erkannte den gleichen Schmerz in Alls Augen, der sich auch in meinen befand. Am liebsten würde ich ihm seine Last abnehmen, alles auf mich übertragen und ihm ein glückliches und langes Leben verschaffen, doch ich konnte es nicht, ich wusste einfach nicht wie..

Endlich brach zoè die unendlich wirkende Stille zwischen uns "also könnt ihr uns hier sicher runter bringen? Ich würd nur sehr ungern weiter rumstehen und mich nutzlos fühlen"  
All und ich mussten beide lachen, auch wenn ich in seinen Augen keine wirkliche Freude finden konnte. " Das kriegen wir schon hin kleines" Das Lächeln auf seinen Lippen war so liebevoll, als er dies sagte, fast so als wäre Zoè seine und nicht meine kleine Schwester.

"Du bist geschwächt von der Sonne, also nehm kommt sie mit mir runter.. is das ok für dich Flynn?" Fragte er anschließend. Ich nickte nur gedankenverloren und beobachtete ihn dabei wie er sie hochhob, als wiege sie nichts. Er stieg zuerst an den Rand des, seine gigantischen Schwingen überdecken fast seinen gesamten Rücken. Und als er selbstsicher runtersprang merkte ich erst wie wichtig er mir eigentlich war.
Meine Hände zitterten als ich auf den Rand des Dachs zu lief und ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. In Gedanken betete ich sicher runter zu kommen und das den anderen beiden nichts passieren würde.
Meine Flügel fühlten sich so unglaublich schwer an als ich mit kräftigen Schlägen Richtung Boden flog. Die Zeit schien still zu stehen und es dauerte einige Momente bis ich etwas in der Dunkelheit als Straße ausmachen konnte.
Ich war erleichtert und dachte wir hätten es geschafft, als ich All mit Zoè in den Armen sah, doch dann wurde ich immer schwächer, die sonne entzog mir meine Kraft und mir wurde schwarz vor augen. Als ich endlich wieder halb bei bewusst sein war und meine Augen öffnete, fiel ich mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Straße. Ich versuchte mich wieder auf meine Flügel zu konzentrieren, doch ich war zu schwach, unten sah ich die anderen beiden, ihre Blicke waren entsetzt und voller Angst, sie standen steif da, unfähig sich zu bewegen und einige Sekunden, die sich jedoch wie Jahre anfühlten durchfuhren mich Schmerzen, mein ganzer Körper spannte sich an und tat unfassbar weh, ich wollte schreien doch es ging nicht. Die Schmerzen und der Schock nahmen mir meinen Atem und in meinen letzten Sekunden konnte ich nur da liegen und nichts anderes als Schmerz spüren, ich wusste nicht wo, es waren nur Schmerzen.
Und dann war alles weg, ich war weg, einfach nicht mehr existent...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 23, 2021 ⏰

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