Alpträume

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31. August
Remus

Remus rannte immer schneller durch einen ihm unbekannten Wald. Es war zwar Nacht, aber der volle Mond erhellte ihm den Weg. Er spürte die harte Erde, die Wurzeln, die er einfach spielerisch übersprang und das leichte Kitzeln der Pflanzen, die seine Beine streiften. Er rannte immer weiter ohne das Vorhaben aufzuhören, bis er plötzlich einen Schrei hörte. Abrupt blieb er stehen und drehte seinen Kopf. Er konnte sie riechen, bevor seine Augen sie fanden. Ein kleines Mädchen, nicht älter als 14 kauerte an einem Baum und starrte ihn angsterfüllt an. Remus konnte ihren kalten Schweiß riechen und hören, wie ihre Zähne aufeinander klapperten. Er kam ihr langsam näher, bedacht sie nicht zu verschrecken und blieb einige Zentimeter vor ihrer Nase stehen. Das Mädchen starrte ihn immer noch an, nicht fähig auch nur einen Finger zu rühren. Ein paar Sekunden blickte Remus sie an, bevor er ihr seine langen Beißer in den Hals grub. Er schmeckte ihr süßes, frisches Blut und riss genüßlich Fleisch aus dem sich windenden Körper des Mädchens, dessen Schreien mittlerweile fast erstickt war.

„Ahhhhhh" schreckte Remus aus dem Schlaf auf. Panisch blickte er sich in seinem Zimmer um, um zu verstehen was gerade passiert war. Er stand so schnell er konnte auf und lief zum Fenster. Mit zittrigen Fingern schob er die Vorhänge zur Seite und suchte den Himmel nach dem Mond ab. Sein Herz, dass mittlerweile ungesund schnell schlug, beruhigte sich endlich ein bisschen, als Remus erkannte, dass der Mond nur sichelförmig am Himmel stand. Er atmete aus und strich sich den kalten Schweiß von der Stirn, der ihm schon die Schläfen entlanglief. „Es war nur ein Traum" flüsterte er sich selber zu und setzte sich zurück auf sein Bett. Er träumte oft davon anderen als Wolf wehzutun, dieses Mal jedoch war es ihm besonders real vorgekommen. Noch immer hörte er das Schreien des Mädchens und hatte das Gefühl ihr Blut zu schmecken. Er schüttelte sich um die Gedanken loszuwerden, aber mit jeder Sekunde ging es ihm schlechter. Was, wenn dieser Traum eine Warnung war? Was, wenn Dumbledore's Plan schief lief und sein Alptraum Realität wurde? Remus spürte wie sich seine Angst immer weiter steigerte und er anfing zu zittern. Er versuchte einen Punkt an der Wand seines Zimmers anzustarren, um sich abzulenken, doch schnell wurde seine Sicht verschwommen, da sich die ersten Tränen in seinen Augen sammelten. „Hör auf, hör auf" schluchzte er so leise wie er konnte und zwickte sich dabei ins Bein, in der Hoffnung der Schmerz würde ihn vom Weinen ablenken. Trotz seinen Bemühungen merkte Remus, dass es ihn heute mit voller Wucht erwischte und so sehr er sich auch versuchte dagegen zu sträuben, merkte er, dass er heute Nacht seine Eltern brauchte. Mit immer noch zittrigen Händen verließ er sein Zimmer und durchquerte den Flur zum Schlafzimmer seiner Eltern. Er öffnete die Tür und trat ein, jedoch schliefen Lyall und Hope immer noch tief und fest, ohne zu bemerken, dass sie Besuch hatten. „Dad?" fragte Remus mit erstickter Stimme. „Mom?" ergänzte er etwas lauter, in der Hoffnung sie würden ihn endlich hören. Hope öffnete langsam die Augen und schaute verwirrt auf ihr Bettende, bis ihr aufging, wer nach ihr rief.
„Remus, Schatz was ist los?" fragte sie liebevoll und kletterte auf allen Vieren zum Bettende, an dem Remus wartete. „Alptraum" war das Einzige, was Remus rausbrachte, bevor er erneut zu Schluchzen begann. Dieses Mal versuchte er nicht sich selbst zu bremsen, sondern ließ alles raus. Seine Mutter umarmte ihn so fest sie konnte und strich ihm immer wieder beruhigend über sein dichtes, hellbraunes Haar. Jeder Schluchzer ihres Sohnes traf sie wie ein Schlag ins Gesicht und sie wünschte sich nichts mehr, als ihm helfen zu können, auch wenn sie wusste, dass sie dazu nicht die Macht hatte.
„Wir sind hier.. es war nur ein Traum" versuchte sie ihn zu beruhigen, ohne ihn dabei loszulassen. Sie schaute Hilfesuchend nach links zu ihrem Mann, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte und mit glasigen Augen Hope und Remus beobachtete. „Er schläft heute hier" erklärte Hope Lyall und bat ihn Remus Schlafsachen zu holen. Lyall nickte und verschwand aus dem Zimmer, nur um einige Sekunden später mit gezücktem Zauberstab wieder aufzutauchen. Remus Matratze schwebte einige Zentimeter über dem Boden hinter Lyall her und fiel dumpf zu Boden, als Lyall den Zauberstab senkte. „Accio Kissen, Accio Bettdecke" rief Lyall laut und einige Sekunden später flog auch der Rest von Remus Schlafsachen in das Zimmer seiner Eltern. „Danke" sagte Remus mit schwacher Stimme und löste sich langsam von seiner Mutter. Seine Augen brannten und in seinem Schädel begann sich ein stechender Schmerz breit zu machen, den Remus nach dem Weinen nur zu gut kannte. „Ich glaube.. ich möchte wieder versuchen zu Schlafen" erklärte Remus leise und machte es sich auf seiner Matratze gemütlich. Seine Mutter blickte ihn noch einige Minuten gequält an, entschied sich dann aber, es dabei zu belassen. Sie war froh, das Remus sich ihnen überhaupt anvertraut hatte, vor allem da er im letzten halben Jahr immer wieder versucht hatte so zu tun, als wäre er mittlerweile zu alt für Kuscheleinheiten und tröstende Worte.
Eine halbe Stunde später war es wieder totenstill im Haus der Lupins und selbst Remus schlief ruhig und traumlos.

Als Remus am nächsten Morgen aufwachte war er zunächst verwirrt, da er sich nicht in seinem Zimmer, sondern im Schlafzimmer seiner Eltern befand. Es dauerte ein paar Momente, bis er sich daran erinnerte was gestern passiert war und wie er hier gelandet war. Verlegen blickte er auf das Bett seiner Eltern, dass jedoch bereits leer war. Obwohl Remus wusste, dass er seine Eltern gestern wirklich gebraucht hatte, spürte er, dass er sich schämte. Er hatte so viele Nächte bei ihnen verbracht und so oft in den Armen seiner Mutter geweint, dass er das Gefühl hatte, sie mussten mittlerweile denken, er sei der größte Schwächling auf Erden. Er wollte ihnen beweisen, dass er nun schon älter war und mutig genug um alleine mit seinen Problemen fertig zu werden. Gestern jedoch hatte er versagt. Enttäuscht von sich selber stand Remus auf und entschied sich nach einem Blick auf die Uhr, heute im Schlafanzug zu frühstücken, da er noch genügend Zeit hatte, bis er zum Bahnhof fahren musste um den Zug nach Hogwarts zu nehmen. Er verließ das Schlafzimmer seiner Eltern und dachte dabei freudig an seine neue Schule. Am meisten freute er sich darauf endlich seinen eigenen Zauberstab benutzten zu können und natürlich auf die anderen Schüler. 6 Jahre schon war es her, dass Remus mit Kindern in seinem Alter geredet hatte. Seine Eltern meinten es sei zu gefährlich, da er sein Geheimnis ausversehen ausplappern könnte. Remus wurde deswegen zu Hause unterrichtet und sah Tag zu Tag niemanden außer seinen Eltern und ab und zu den Postboten, der Muggel-Zeitschriften für seine Mutter lieferte. Er konnte sich kaum vorstellen wie es sein würde mit Gleichaltrigen zu spielen, ja vielleicht sogar richtige Freunde zu haben. Remus liebte seine Eltern über alles, jedoch hatte er sich all die Jahre nichts sehnlicher gewünscht, als einen Freund, der die einsamen Tage erträglicher machte.
In seinen Gedanken versunken, merkte Remus erst als es fast zu spät war, dass seine Eltern in der Küche eine hitzige Diskussion führten. Schnell versteckte er sich am Treppenende neben dem großen Wandschrank, sodass er zwar nicht gesehen wurde, aber das Gespräch noch mitverfolgen konnte.
„Siehst du, er ist noch nicht bereit. Du hast ihn doch letzte Nacht gesehen. Was soll er denn in Hogwarts ohne uns machen?" fragte Hope aufgeregt und versuchte dabei so leise wie möglich zu bleiben, was ihr allerdings nicht sonderlich gut geling. „Dumbledore passt auf ihn auf. Und er wird Freunde finden. Er ist nicht alleine dort. Im Gegenteil, er wird endlich nicht mehr alleine sein, so wie er es hier sein musste" antworte ihr Lyall und schlürfte dabei ruhig an seinem Tee. „Freunde?" lachte Hope spitz auf. „Freunde, die er ständig anlügen muss. Freunde, die nicht wissen werden, was er jeden Monat durch macht. So ein Geheimnis kann er doch nicht mit sich rumschleppen, das ist zu viel für einen 11-jährigen." bemerkte sie und wurde während sie sprach immer aufgebrachter. Lyall, der merke, dass seine Frau den Tränen nahe war, legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. „Wir können ihn nicht mehr hier einsperren" sagte er ruhig und schaute ihr dabei ihr die Grünen Augen, die von tiefen Augenringen umgeben waren. „Ich weiß" erwiderte sie und zog dabei ihre Schulter zu Seite. „Ich wünschte einfach nur, man könnte es ungeschehen machen" Mittlerweile schaute sie träumerisch aus dem Fenster, wie als würde sie sich vorstellen, wie anders das Leben für sie alle wäre, wäre Greyback in jener Nacht vor 6 Jahren nicht durch das Schlafzimmerfenster ihres Sohnes gekrochen.
„Du gibst mir immer noch die Schuld" bemerkte Lyall mit kalter Stimme und stellte seinen Tee auf der Küchentrese ab. Hope drehte sich langsam um, nun waren ihr endgültig Tränen in die Augen gestiegen. „Ich liebe dich" meinte sie mit erstickter Stimme, „aber es geht um meinen Sohn. Das könnte ich dir nie verzeihen" Lyall nickte bedrückt und senkte den Kopf um seine eigenen Tränen zu verstecken. „Keine Sorge. Ich werde mir das selber auch nie vergeben können" flüsterte er fast unhörbar und verließ die Küche. Hope stieß einen schon viel zu lange unterdrückten Schluchzer hinaus und stütze sich dabei an der Wand ab. Schon lange nicht mehr war ihr so elend zu mute gewesen. Sie gewährte sich 2 Minuten der Schwäche, dann trocknete sie ihre Tränen und begann das Frühstück zu kochen, immerhin würde ihr Sohn vor Aufregung einen Riesen Hunger haben müssen.

Remus, der immer noch neben dem Wandschrank saß, fühlte sich wie betäubt und rühre sich keinen Zentimeter. Seine Gedanken überflogen sich, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen, worüber sein Vater geredet hatte. Wieso sollte er Schuld an dem Biss sein? Remus versuchte sich an die damalige Nacht zu erinnern, aber die einzigen Erinnerungsstücke, die ihm geblieben waren, brachten ihn in dieser Frage nicht weiter. Er schwor sich das Thema anzusprechen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab. Die Worte seines Vaters waren aber nicht die einzigen die Remus verunsichert hatten. Vor allem waren es die Worte seiner Mutter, die ihm wie Steine im Magen lagen. Er hatte sich so darauf gefreut Freunde zu haben, dass er garnicht daran gedacht hatte, dass er ihnen vorspielen musste, ein normaler Zauberer zu sein. Die Tatsache, dass er sie ständig anlügen würde müssen trübte seine Laune und er war sich jetzt schon schmerzlich bewusst , dass er auch in Hogwarts einsam sein würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 18, 2021 ⏰

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