2 - Meine schwedischen Freunde

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Nun stand ich hier mit meiner Oma. Allein. Meine Eltern hatten eben die Fliege gemacht. Ganze zwei Stunden hatten sie es hier ausgehalten und sich ein paar überlagerte Kekse hineingezwungen. Dann hatte meine Mutter hinterm Rücken meiner Oma wilde Handzeichen gegeben, sodass mein Dad endlich verstand, dass es Zeit war, zu gehen. Dad nahm das freudig an und hatte bereits eine Ausrede parat, warum sie schon wieder losmussten. Angeblich mussten sie den Mietwagen schon in drei Stunden in San Francisco abgeben. Diese Lügner! Aus zuverlässiger Quelle wusste ich, dass sie noch einen Abstecher nach San José machen wollten. Das Auto hatten sie noch zwei Tage. Meine Grandma und Dad hatten nicht gerade das beste Verhältnis. Ich fragte mich, wie ich es hier neun Monate aushalten sollte, wenn meine Eltern es keinen Tag schafften.

Lediglich Lara schien enttäuscht zu sein, dass sie schon wieder wegfuhren. Dabei war ich mit ihr gleich zu Beginn des Besuches in das Gruselzimmer mit den Puppen gegangen. Ich wollte sie ein bisschen ärgern und mich für ihre nächtlichen Mordversuche rächen. Doch dieser Plan ging leider nicht auf. Sie liebte dieses Zimmer, und das machte mir echt Angst. Als sie dann auch noch eine Puppe Chucky nannte, ohne von der Mörderpuppe jemals gehört zu haben, hätte ich am liebsten sofort einen Exorzisten aufgetrieben. Der kam dann auch in Form von Mum, die sichtlich Mühe hatte, Lara wieder aus dem Zimmer zu bekommen.

Der Abschied von meiner Familie war wie erwartet emotional ausgefallen. Besonders Mum machte aus so was gern ein riesiges Drama. Sie hatte so laut zu heulen angefangen, dass man meinen könnte, sie würde mich gerade zur Zwangsprostitution weggeben. Sie konnte es auch übertreiben! Aber darin war sie schon immer unangefochtener Champion gewesen. Nur ungern erinnerte ich mich an meine Einschulung zurück, als Sturzbäche bei ihr geflossen waren. Sie war die einzige Mutter gewesen, die geweint hatte, und so war mein Start ins Schulleben alles andere als optimal verlaufen. Denn wenn deine Mutter wie ein Schlosshund laut rumheult und sich dabei wie eine sterbende Katze anhört, bist du nicht gerade das coolste Kind der Schule. Da half es auch nichts, wenn dein Vater mal in einer amerikanischen Rockband gespielt hatte.

Dad hatte beim Abschied nach außen hin zwar den Coolen gemacht, doch so leicht konnte er mich nicht täuschen. Ich wusste genau, dass er ein schlechtes Gewissen hatte, mich hier bei seiner Mutter zu lassen. 16 Jahre hatte er es hier ausgehalten oder eher aushalten müssen, und er schien genau zu wissen, dass ich es nicht leicht haben würde. Doch ich hatte es ja selbst so gewollt, und nun musste ich damit klarkommen. Es waren letztendlich nur neun Monate, und ich musste keine Miete zahlen. Das war ein klarer Pluspunkt. Von so einer alten Frau würde ich mir schon nicht mein Kalifornienabenteuer kaputt machen lassen.

Lara hatte zum Abschied ihre kleinen Arme um mich geschlungen und war wie ein Äffchen an mir hochgeklettert. Ich würde sie vermissen, auch wenn sie mir manchmal verdammt auf die Nerven gehen konnte. Ich hatte ihr einen letzten Kuss auf die Wange gedrückt.

„Ich mag das nicht! Das ist eklig", hatte sie sofort gemeckert und sich mit dem Ärmel durchs Gesicht gewischt. Diese kleine Diva! Von jedem Köter ließ sie sich abschlabbern, aber sobald ich ihr mal einen Abschiedskuss gab, war das eklig.

Schließlich waren sie alle ins Auto gestiegen. Durch die Heckscheibe hatte Lara mir noch so lange gewunken, bis das Auto um die Ecke abgebogen war.

„Ich lege sehr viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit!", ließ mich meine Oma wissen, sobald wir allein waren.

Ordnung und Sauberkeit? Ich? Mein Zimmer war immer ein einziges Chaos und ein ideales Motiv für ein Suchbild. Würde meine Mum mich nicht stets zum Aufräumen zwingen, wäre ich wohl schon längst in einer diese Messie-Sendungen im Nachmittagsprogramm aufgetaucht. Ich war faul und vergesslich. Das konnte ich nicht abstreiten. Vor den Ferien ignorierte ich es regelmäßig, meine Brotbüchse, in der noch ein halbes Sandwich lag, aus dem Rucksack zu nehmen. Es war jedes Jahr das Gleiche. Trotzdem war es immer wieder eine Überraschung zu sehen, wie sich innerhalb von ein paar Wochen ein Biotop in meiner Tasche bilden konnte. Wenn es nur die Büchse betraf, hatte ich immerhin noch Glück. Doch einmal hatte ich einen Apfel in der Tasche vergessen. Die Folge war, dass der gesamte Rucksack vom grünblauen, flauschigen Monster namens Schimmel betroffen war. So Öko wie Mum auch immer drauf war, aber das fand sie dann auch nicht mehr lustig.

Jane und Jack (ehemals GAP YEAR)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt