Kapitel 4

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Calarion wischte sich verzweifelt über das Gesicht. Er erlaubte es sich einen Moment die Augen zu schließen und zu hoffen, dass alles nur ein verrückter Traum war, aus dem er bald erwachen würde. Doch leider war dem nicht so.

Die Lobgesänge seiner Brüder über Lana gingen ihm so langsam auf die Nerven.

Natürlich war sie anders, als die Mädchen, die sein Drache gewählt hatte, allerdings nicht nur im positiven Sinne.

Er musste zugeben, dass sie sich gut mit allen Brüdern verstand. Sie ging individuell mit ihnen um. Sie wusste, dass sie mit Nielema schon mal derbe Scherze machen konnte. Sie diskutierte stundenlang mit Kanoran über verschiedene Themen und sie half Faköle, der für die Finanzen im Reich zuständig war. Mit Velion spazierte sie immer am See entlang und hörte ihm zu, wenn er denn mal sprach. Mit Anuwe verstand sich jeder, aber Lana ermahnte ihn auch manchmal, wenn er zu kindisch wurde. Verflixt, sie hatte Jefrandt sogar zum Lachen gebracht. Das schaffte nicht jeder.

Dem Einzigen, dem sie aus dem Weg ging, war er.

Dabei forderte sein Drache immer lautstarker, dass er sich doch um Lana bemühen sollte.

"Du musst dich bei ihr entschuldigen.", meinte Velion leise, der sich bei ihm im Arbeitszimmer eingefunden hatte.

Velion war der Silberdrache, mit dem Calarion schon sein ganzes Leben lang Machtkämpfe ausfechten musste. Er galt als sein Thronfolger, wenn Calarion sein Amt nicht mehr ausführen konnte. Velion hatte schon immer versucht, sich mit ihm zu messen, aber der Erfolg war nur mäßig.

Doch dieses Mal klang der Satz nicht vorwurfsvoll, sondern eher wie ein Ratschlag.

"Hat sie das gesagt?", fragte er seinen Bruder.

Dieser schüttelte jedoch den Kopf.

"Nein. Das brauchte sie mir aber auch nicht zu sagen. Ich habe es doch selbst gesehen, dass sie Nielema beruhigen konnte. Weißt du, sie hatte Recht. Er war schon wieder ruhig, bis du kamst."

Calarion fuhr sich durch sein kurzes Haar.

"Es hätte aber auch anders ausgehen können. Ich wollte sie beschützen."

Velion hob eine Augenbraue.

"Hast du es ihr so erklärt?"

Calarion dachte nach.

"Ich denke schon."

Velion lachte spöttisch.

"Du denkst es? Ich kenne dich, Calarion. Ich weiß, dass du manchmal eine Erklärung abgibst und erwartest, dass sie ohne Wenn und Aber akzeptiert wird. Lana ist aber eine Frau, die sich nicht gerne mit so etwas abspeisen lässt. Und du sagtest ihr, dass sie dumm sei?"

Calarion schüttelte den Kopf.

"Das habe ich nie gesagt. Ich habe ihr lediglich zu verstehen gegeben, dass ihre Handlung dumm war, aber nicht sie selbst. Du weißt selbst, wie gefährlich Nielema werden kann. Sie wäre ihm schutzlos ausgeliefert gewesen. Ich wollte sie doch nur beschützen. Aber ich hätte genauso gut gegen eine Wand reden können."

Velion lächelte.

"Sie ist dir nicht unähnlich, Calarion. Magst du sie denn?"

Calarion zuckte mit den Schultern.

"Ich kenne sie nicht gut genug, um mir in der Hinsicht ein Urteil erlauben zu können."

Velion lachte bitter.

"Ich habe das Gefühl, dass du dich gegen sie sträubst. Im Prinzip gegen alle Frauen."

Calarion schnaubte.

Die Drachen von Wikuna - Calarion  (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt