3.) Nach der C

64 6 150
                                    

TEIL I: JOE UND SARAH

Oscar hatte Joe und Sarah gemeinsam Händchen halten gesehen.

Sie gemeinsam küssen gesehen.

Kommen gesehen.

Er hatte sie dabei beobachtet, wie sie im Park bei Sonnenuntergang spazierten, die Entchen, die lieben braven Entchen, fütterten und dabei wie ein verliebtes Teenagerpaar kicherten.

Beobachtet, wie Joe Sarah unter funkelndem Sternenhimmel in einem gemieteten Boot auf See den Heiratsantrag machte. Beobachtet wie das Ja-Wort über ihr breites Grinsen kam. Beobachtet, wie die Körper der beiden sich zusammenzogen vor Erregung.

Doch er hat sie noch nie gemeinsam brennen sehen.

Noch nie beobachten dürfen, wie das Liebeslicht aus ihren Augen erlosch.

Wie sich ihre Eingeweide wie Nacktschnecken übereinanderlegten und zu einer verklumpten Brühe wurden.

Die Leblosigkeit ihres Glücks endgültig begraben - GEMEINSAM.

Und für Oscar - so schoss es ihm durch den Kopf, während er mit der Kreissäge an der morschen Holzwand am untersten Winkel ansetzte, um diesen Plan, diesen blutrünstigen Plan, endgültig in die Tat umzusetzen - grenzte es schon fast an ein Wunder, dass er nicht schon seit dem ersten Date von Joe und Sarah handelte.

Sonst war er ja auch nicht so zögerlich und abwartend.

Hätte sich so einige Schmach erspart.

Eine blonde Haarsträhne hing ihm lästig in seinem Auge, hatte im Moment jedoch nicht die Zeit, sich diese aus dem Weg zu legen.

Nicht einmal die Stirnlampe, die ihm alles beleuchteten musste, da der Mond nur halb gefüllt war und ihm hilflos an den Rücken schien, konnte seine Haare bändigen.

Doch dies war Oscar einerlei.

Zu sehr war er damit beschäftigt, mithilfe der Säge den ersten Stich in die Holzwand zu setzen.

Als der junge Mann mit der scharfen rotierenden Säge ins Holz eindrang, spürte er, wie sich sein Mund zu einem Grinsen verzog - so musste sich Geschlechtsverkehr anfühlen.

Mit der Säge fuhr er dann weiter, machte einen kleinen Bogen, fuhr wieder langsam und vorsichtig nach unten und kam am anderen Ende des Bogens am Boden wieder an.

Als er durch war, flog das abgesägte Teil mit einem leisen PLUMP! vor seinen Knien zu Boden und ließ nun da, wo vorhin noch die Wand war, einige Holzlatten, fein aufgestapelt, durch den kleinen runden Kreis erkennen.

Oscar stand auf, ging mit leisen Schritten zurück und betrachtete sein Ergebnis: das Loch, das er an die Holzfassade sägte, bot kaum Platz für einen kleinen Spielzeugtraktor, doch für das, was er vorhatte, war die Größe leicht ausreichend.

Er nahm den Stromspeicher, mit dessen Hilfe er den benötigten Strom für die Kreissage von einer aufgeladenen Batterie abzapfte, in seine leicht zittrigen Hände. Allerdings nicht, ohne das vielsagende, aber doch leere ausdruckslose Grinsen aus dem Gesicht zu bekommen, zog ihn zu sich und steckte die Kabel aus.

„Der erste Schritt ist getan", sagte er zu sich.

Es war nicht nötig, zu flüstern oder gar ruhig zu sein.

Um diese Zeit, es musste bestimmt schon eine Stunde nach Mitternacht sein, hielt sich auf dem Gelände des Sägewerkes sowieso niemand auf.

Es war Freitag Mitternacht, ein Tag, bevor er das große Massaker einleiten wollte, und an Freitagen schmiss in dieser verfluchten Stadt jeder sein Arbeitsgerät schon um mindestens zwei Uhr nachmittags beiseite, um sich bis Sonntag deren leidigen, verkommenen Frauen und Kindern und Omas und Opas und Tanten und Onkeln oder was auch immer zu widmen.

Werwölfe im MorgenmantelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt