Der Fremde

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Bevor es mit den Geschichten um Vein und Serina weitergeht, werfen wir einen Blick auf den damals noch jungen Lessant.
Er hielt nichts von Politik. Seine Eltern dienten aber als rechte und linke Hand von König Ajesta. Er hatte ganz Anchona unter seiner Kontrolle. Weil der König aber auch wusste, dass ein Mensch allein niemals alles sehen kann, hat er jeder Stadt in seinem Reich einen Grafen zugeteilt und jedem die Macht eines Königs verliehen. Die Stadt Abero hatte Graf Obera, die Stadt Ahero hatte Graf Fenerell, Akona hatte Gräfin Himioka und Anoha hatte Graf Kovell.
Lessant lebte in Ahero. Graf Fenerell war sein Vater. Neben den Diensten für seine Majestät hatten seine Eltern aber ein ganz normales Leben. Seine Mutter ging zu Terminen, die eine Adelige so wahrzunehmen hat und sein Vater war Lektor in einem Buchhandel. Er hielt nie etwas davon sich auf dem Geld eines Grafen auszuruhen. Und dennoch. Lessant vermisste etwas. Etwas das mit Geld nicht zukaufen ist. Also zog er nachdenkend durch seine Heimat. Unterwegs hörte er den Leuten auf der Straße im vorbeigehen zu. Die einen unterhielten sich über einen Fremden, der König Ajesta persönlich sehen wollte. Andere sagten, dass dieser Fremde seltsam wirkte.
Eine so bedrückende Stimmung hat Lessant noch nie erlebt. Wer mag der Fremde nur sein?", fragte er sich. Und auch die anderen Stadtbewoner redeten nur von dieser Person. Er soll König Ajesta empfohlen haben mit mehr Härte zu regieren. Kriminelle zogen angeblich durchs Land. Man müsse ihnen klar machen, dass Verbrechen erbarmungslos bestraft werden. Also zog seine Hoheit die Grafen zu rate. Wirklich einigen konnten sie sich nicht. Lessants Vater, Averie Fenerell, und Nemika Himioka waren dafür den Bürgen mit hilfreichen Ratschlägen zur Seite zu stehen. Zum Beispiel wie man sich vor Einbrüche schützen kann oder wie man sich verhält, wenn man von diesen Kriminellen bedroht wird. Darios Obera und Vero Kovell hingegen waren voll und ganz für den Vorschlag des Fremden. Sie waren der Ansicht, dass es Härte braucht, um den Verbrechern jede Motivation zu nehmen ihr übles Handwerk weiter fortzusetzen. Die normalen Bewohner ihrer Städte sollten aber weiter mit sanfter Hand geführt werden.
Für König Ajesta waren beide Standpunkte richtig. Er entschied also, dass es auch in diesem Fall keine einheitliche Lösung brauchte. Und das war ein Fehler, wie sich nur wenig später herausstellte. Die ersten Wochen ging alles seinen gewohnten Gang. Doch die Fassade einer guten Führung fing schon bald an zu bröckeln. Die Stadtbewohner von Ahero hinterfragten das Vorgehen von Lessants Vater. In Akona herschte das selbe Spiel. Sie wollten keine Ratschläge mehr. Statt dessen muss der Zug der Plünderer gestoppt werden. Es wurden Häuser ausgeräumt und Läden überfallen. Auch die Grafen zweifeln langsam an ihrem Vorgehen. Nicht nur Averie und Nemika, auch Darios und Vero standen sich spürbar angereizt gegenüber. Die einen suchten einen Weg ihre Bürger zu beruhigen, die anderen klangen schon fast wie der Fremde. Frei nach dem Motto "Wir habe es euch ja gesagt aber ihr wolltet nicht hören." In dieser Zeit der zunehmenden Unruhe fand auch Lessant immer mehr Interesse an dem, was geschah. Wieder hörte er seine Mitmenschen reden. Die einen hatten Angst selber kriminell zuwerden. Denn wo sich keine Regierung einig ist, gibt es auch kein Recht. Andere sagten, dass sie keine einengenden Gesetze brauchen. Jeder sollte leben wie er will. Wieder andere Stadtbürger glaubten, dass alles wieder gut wird.
Averie war nicht davon überzeugt. Der Graf versuchte immerwieder Kontakt zum Fremden aufzunehmen. Dieser hatte sich in Anoha niedergelassen. Generell unterscheiden sich die Städte in Anchona nicht sehr voneinander. Einfache aber zeitgemäße Häuser, oft in einem warmen Braun- oder Rotton, bepflasterte Wege und trotzdem wirkt alles gehobener als in einem üblichen Dorf. Der Fremde jedoch hat jeden Besucher abgelehnt. Welche Ziele verfolgt er wohl? Die Schuld für das gespaltene Königreich wird jedem zugewiesen der etwas zu sagen hat. Und König Ajesta steht im Mittelpunkt der Kritik. Immer mehr seiner Untergebenen zweifeln an seiner Führungskraft. Seine einstige Entscheidung nicht alleiniger Herscher sein zuwollen und seine Macht auf vier Grafen aufzuteilen drohte sein Untergang zu werden. Aber im Prinzip ist ja klar, dass der Fremde fast schon mit Gewalt einen Weg gesucht hat dieses System für sich auszunutzen.

Vein - Mein erster Fantasy RomanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt