a little british murder

Kapitel 2

Es fehlen noch zehn Zentimeter, aber wenn Mrs Peach so weiter macht, sind es gleich nur noch null. Wenn man vom Teufel spricht, Mrs Peach kommt gerade wieder herein und hechtet ohne Umschweife zurück zum Whiteboard um ihre Präsentation über den Schalenbau der Erde fortzusetzen. Welcher gottverdammte Mistkerl hat mir nochmal zu einem Geografie Kurs geraten?! Oh, stimmt, das bin ich selbst gewesen...

Aber mal ehrlich, wer hätte damit rechnen können, dass es so langweilig wird. Ich seufze und verliere den Kampf gegen die Erdanziehungskraft endgültig. Mein Kopf überbrückt die letzten Zentimeter und begegnet erleichtert der Tischplatte.

"Sind Sie meines Unterrichts schon überdrüssig, Miss McGregory?" Holt mich eine penetrante Stimme aus dem Entspannungsmodus.

Hastig hebe ich den Kopf und blicke zur Sprecherin. Mrs Peach schaut mich vernichtend an. „Nein, Mrs Fuller, tut mir leid."

Überraschend gnädig nickt Mrs Peach, die eigentlich Mrs Fuller heißt, aber aufgrund ihres quitsch pfirsichfarbenen Kostüms von mir Mrs Peach getauft wurde, mir zu und konzentriert sich wieder ihrer Präsentation.

Ich seufze lautlos und will meine Aufmerksamkeit gerade wieder auf den Unterricht richten, da passiert es. Wie ein Sonnenstrahl nach zehn Jahren Regen, wie die „Update beendet" Nachricht von Android, wie die ewig ersehnte Geburtstagsparty. Es klingelt zum Stundenende!

Mit Glückshormonen vollgepumpt, springe ich auf und reiße meine Bücher an mich. Da die anderen einundzwanzig Schüler auch seit sechzig Minuten (also einer ewigen Ewigkeit) auf das Ende des Horrors warten, ist die Geräuschkulisse sehr aufgeheizt. Siegesschreie, Tränen der Erleichterung, Stoßgebete, alles entlädt sich jetzt.

Mit einem strahlenden Lächeln und dem Wissen, es heil überstanden zu haben, raffe ich meine Sachen zusammen und hüpfe aus dem Kursraum.

Auf dem Flur ist viel los, Rotröcke und Weißblusen eilen durch die Gegend. Ich weiche haarscharf einem rasenden Halbstarkem aus und ducke mich dann zwischen einem knutschenden Paar durch.

Hast du eine Ahnung, wo wir Kunst haben? Fragt die Stimme unsicher. 

Nicht wirklich, aber in der Haupthalle hängt eine Raumliste.

Plötzlich verstummen die trappelnden Schritte und getuschelten Konversationen. Die Leute bleiben stehen und blicken in Richtung Ausgang. Was geht da ab? Amoklauf, Feuer, Besuch von Taylor Swift?! Ich verfluche meine Körpergröße. Außer ein paar hübschen Hälsen sehe ich nur die Decke. Na toll! 

Da hinten könnten die Rolling Stones stehen und wir sind zu klein um es zu checken! Kreischt die Stimme verzweifelt. Sie hat recht, wenn dort tatsächlich Mick Jagger und seine Kollegen stehen und wir sie verpassen, werden wir uns das nie verzeihen!

Entschlossen drängle ich mich an den schockgefrorenen Schülern vorbei an die Wand des Flurs und steige dort auf eine der unbequemen Bänke. Jetzt habe ich einen guten Blick über die Schülerköpf Richtung Ausgang. Dort stehen allerdings weder die Rolling Stones noch Phil Collins, stattdessen steht irgendein Vollpfosten auf einem Tisch und verschafft sich durch seine Kumpels Gehör.

„Willkommen zurück in der Hölle, ihr Schlampen und Bastarde!" Grölt der Typ auf dem Tisch. „Neues Jahr, neue Partys, irgendwie muss man die Scheiße ja überstehen. Samstag schmeiße ich meine Brav zurück, Opfer Party, ihr seid alle eingeladen. Alkohol für alle!"

Seine Kumpels jubeln und die Menge klatscht begeistert. Ich verdrehe die Augen, jetzt komme ich ernsthaft zu spät zu Kunst, um die Ansage des Schulmachos mitzubekommen. Ich werfe dem Typen einen bösen Blick zu. Das merkt Blondie aber überhaupt nicht, er wird nämlich gerade von seinen noch immer grölenden Buddies vom Tisch gehoben. Ich betrachte Mister wegen-dir-bin-ich-zu-spät-für-Kunst: Blonde Wuschelfrisur, lässig gebundene Krawatte, reichlich Bizeps. Jupp, wir stehen gerade definitiv dem ach-so-coolen Schulschwarm gegenüber. Seufzt die Stimme.