VIII

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Ich erfuhr später, dass Jūzōs Auszug für die Sommerferien geplant war. „Damit es nicht auch noch mitten in die Klausurenphase fällt." Das Halbjahr war mal wieder besonders kurz.

Naomi und Kayo kündigten ihren zwei Wochen davor an.

„Wir wollten uns was suchen, wo wir als Familie mehr Platz haben", war die offizielle Begründung, die Kayo vor versammelter Familie verkündigte. Nur Jūzō war nicht da, der war mit Raskolnikow Gassi. „Das... hat auch den Grund, dass wir nochmal über... Aufstockung nachdenken." Kayo warf einen liebevollen Blick zu ihrer Ehefrau, die pflichtbewusst neben ihr stand und Yūri hielt. So, wie Naomi allerdings dreinblickte, bestätigte sich meine bereits bekannte Theorie, dass sie sich was, wo sie als Familie mehr Platz hatten, garantiert nicht in der direkten Nähe suchen würden.


„Kennst du diese Typen, die immer mit ‚Ich hab ja nichts gegen, aber' ankommen?" Ich war schon bei meiner zweiten Zigarette, die erste hatte ich gebraucht, damit meine Stimme sich nicht mehr überschlug. Yato meinte, ich hätte echt das Zeug zum Kettenraucher. Er lehnte neben mir an seinem Balkongeländer, wir starrten auf die Straße.

„Nur zu gut." Er rückte den Aschenbecher zurecht. „Warum?"

„Ich will ja keine von denen sein", ein Seufzer entwich meiner Kehle, „aber das muss ich jetzt zwei mal. Also: Ich ja wirklich nichts dagegen, wenn meine Geschwister ausziehen, gerade die Erwachsenen, aber... warum denn alle gleichzeitig?"

Yato zischte hörbar. „Heilige Scheiße", fluchte er, „Wer isses diesmal?"

„Meine ältere Schwester, Kayo und ihre Familie. Ehefrau und Kind. Macht minus drei, mit Jūzō minus vier." Ich biss mir auf die Unterlippe, durch einen Seitenblick bemerkte ich, dass Yato dies ebenfalls tat. 

„Sieh's positiv, mehr Platz?", schlug er vor. Ich zuckte mit den Schultern. 

„Auf die Dauer ist es das vermutlich", brummte ich, „Aber... weißt du, ich habe Angst... Angst, dass sie zu Besuchern werden." Ich schluckte ein paar Mal trocken. Yato konnte das nicht verstehen, das war mir klar, er hatte so etwas nie erlebt, soweit ich wusste, hatte seine Familie kaum genug Mitglieder, um vier auf einmal zu verlieren. Aber vielleicht, das war die Hoffnung, an die ich mich klammerte, konnte ich es ihm so erklären, dass er es zumindest verstand. 

„Achso...", er schwieg einen Moment, „... aber ihr könnt doch in Kontakt bleiben? Ich und Bianka haben auch noch ein ziemlich gutes Verhältnis." Ich senkte den Blick. 

„Das ist... pass auf. Kayo ist fünfzehn Jahre älter als ich. Sie... sie hat mich quasi mit großgezogen, zu dem gemacht, was ich heute bin. Sie ist mehr 'ne zweite Mutter als 'ne Schwester für mich."

Pause. Ein wenig zurückhaltend trat Yato zu mir, legte einen Arm um mich und streichelte meine Schultern.

„Muss hart für dich sein", meinte er leise, „Kann man dich aufheitern?"

„Lenk mich ab." Ich drückte die Zigarette aus. „Bock auf 'ne Runde Fifa?"

„Immer doch." Mit sanftem Druck drehte Yato mich herum. „Aber mach dich gefasst, ich habe geübt."

Konkret bedeutete das, dass er mich zwei Mal schlug, wir spielten, bis es dunkel war, elf Runden.

„Das ist unfair", beklagte Yato sich irgendwann, „Du lenkst mich voll ab!" Er schlang einen Arm um meinen Oberkörper, ich hatte meinen Kopf gegen den vorderen Bereich seiner Schulter gelehnt. „Du liegst halb auf mir drauf!"

„Klingt mir ziemlich stark nach deinem Problem!" Ich hatte mir den Satz viel zu sehr angewöhnt, auch mit einem Grinsen im Gesicht.

„Dann kann ich aber für nichts garantieren." Yato senkte den Kopf und biss mir zärtlich ins Ohr. Ich hatte noch nie erlebt, dass jemand so etwas macht. Mr. Kawai aus Chijin no ai hatte seiner Naomi mal in den Zeh gebissen, ich hatte das Buch am Vortag beendet. Er hatte das wohl irgendwie sexuell anziehend gefunden, oder so. Mir wurde kalt, als ich daran dachte.

Yuno und YatoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt