Kapitel 2

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Diebe und Detektive sind Erzfeinde. Niemals sollte ein Dieb im Anwesen eben jenes Erzfeindes gemütlich auf dem Sofa sitzen und warten, bis dieser ihm einen Kaffee brachte. Und doch war genau dies der Fall. Wie hatte ich bloß dazu kommen lassen können?

Als Shinichi mit bereits erwähntem Kaffee das Zimmer betrat, konnte ich keinerlei Feindseligkeit bei ihm erkennen. Er benahm sich generell sehr merkwürdig, ganz anders als ich es gewohnt war. Konnte es sein, dass er mich tatsächlich noch nicht als Phantomdieb erkannt hatte?

Als er bemerkte, wie ich ihn mit meinen Blicken regelrecht löcherte, spannte er sich augenblicklich an. Sein Gesicht fing mit einem Mal förmlich zu glühen an und während er versuchte, meinen Blicken auszuweichen, wäre er sogar beinahe gestolpert. Wo hatte der Detektiv bloß seinen Kopf? Er verhielt sich doch sonst nicht so tollpatschig.

Als er sich wieder gefangen zu haben schien, überreichte er mir eine der beiden Tassen mit der warmen Flüssigkeit und setzte sich mir gegenüber. Seine Wangen waren noch immer gerötet, während ein schüchternes Lächeln seine Lippen umspielte. Irgendetwas war heute definitiv anders als sonst.

„Warum hast du mich hier her gebracht?", fragte ich vielleicht etwas zu direkt. Doch was sollte ich tun? Ich befand mich hier quasi auf feindlichem Grund. Das einzige, was mir zumindest teilweise Schutz gab, war meine Kapuze, welche ich noch immer tief ins Gesicht gezogen hatte. Obwohl sie deutlich mit Wasser vollgesogen war, hatte ich mich strikt geweigert, meine Jacke auszuziehen. Ich konnte ihm doch nicht einfach mein wahres Gesicht zeigen, so weit kam's noch.

Doch Angesprochener sah mich nur mit unschuldigen Kulleraugen an. Was war hier bitte los?

„N-nun", fing er an, dabei wich er meinem Blick aus, als wenn es ihm peinlich wäre, mich anzusehen. „Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich dir nicht zumindest etwas Kleines als Gegenleistung anbieten würde."

Meinte er das wirklich ernst? Wenn er mich als KID erkannt hatte, warum sagte er dann nichts? Ich war mir sicher, dass er irgendein Ziel verfolgte, indem er mich hier her gebracht hatte. Wahrscheinlich wollte er meine wahre Identität aufdecken, aber das konnte ich auf keinen Fall zulassen!

Als ich nichts erwiderte, sondern weiterhin meinen Überlegungen, warum zum Teufel er mich nicht auf mein Alter Ego ansprach, nachging, meldete er sich wieder zu Wort.

„Möchtest du... Deine Jacke nicht ausziehen? Du erkältest dich noch, wenn du feuchte Kleidung anbehälst. Ich könnte dir ein paar meiner Anziehsachen leihen... bis deine Sachen getrocknet sind, meine ich."

Machte er sich etwa Sorgen um mich? Ich fühlte mich wie im falschen Film. Ein Detektiv der sich um das Wohlergehen eines Diebes sorgte, während beide ohne Weiteres gemütlich einen Kaffee schlürften. Unfassbar.

„Nein", lehnte ich möglichst höflich ab und stellte die Tasse auf den Couchtisch. Shinichi schien überrascht zu sein, dass ich sie bereits geleert hatte. Nun, mir war wirklich kalt gewesen und der warme Kaffee hatte zumindest dieses Leiden etwas gebessert. „Ich sollte jetzt besser gehen, bevor es dunkel wird."

Bevor der Detektiv etwas dagegen sagen konnte, erhob ich mich und machte mich auf den Weg zum Ausgang. Es war ein Fehler gewesen, überhaupt hier her zu kommen. Und je länger ich hier war, desto gefährlicher wurde es.

Also öffnete ich die schwere Tür des Anwesens, um wieder von hier verschwinden zu können. Doch sobald die Tür geöffnet war, kam mir ein eisig kalter Wind entgegen, begleitet von einem heftigen Regenstoß, der meine mittlerweile leicht getrocknete Kleidung wieder zum Triefen brachte. Der Himmel war inzwischen fast vollkommen schwarz gefärbt und leuchtend blaue Blitze zuckten immer wieder über die dunkle Wolkendecke.

Liebe auf den ersten Blick - KaiShinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt