Es war ein regnerischer Tag. Maiks zweiter Regen in seinem Leben, denn auf den Tritons gab es so etwas nicht. Er hielt einen Schirm in der Hand und hörte den Präsidenten sprechen. Es ging aber im Rauschen unter. Der Präsident nannte die Namen der Opfer, die bei dem Unglück starben. Es waren 1712. Die meisten hatten sich noch retten können und hatten sich in die letzten Shuttles gedrängt. Nicht eine Luftschleuse war geschlossen gewesen und so konnte die ganze Luft auf einmal austreten. Maik war immer noch nicht in der Lage es zu glauben. Seine Eltern waren unter den Opfern. Ihr Shuttle war schon voll gewesen, doch sie wussten das nicht. Sie versuchten ihr Shuttle und ihren Sohn zu finden, aber beides war bereits fort. "Vor zwei Wochen wurde am selben Tag der Solarsturmwarnung die Systeme aller Tritons auf eine neue Softwareversion geupdated. Die Systeme zur Kollisionswarnung wurden vorübergehend stark eingeschränkt. Dies hatte zu Folge, dass der Asteroid zu spät erkannt wurde und so die Station keine Zeit für ein Ausweichmanöver hatte. Der Zusammenprall hat die gesamte Luft der Triton ins All entweichen lassen und in Folge dessen sind 1712 Menschen gestorben. Wir als Generalstaat, zuständig für Weltraumbesiedelung, die einzelnen Staatsprovinzen und ich persönlich möchten uns für die Versäumnisse und Fehler entschuldigen und ihnen, den Hinterbliebenen, unsere tiefste Anteilnahme ausdrücken". Die Rede zog sich noch weiter in die Länge und Maik hörte nun gar nicht mehr hin. Die darauffolgende Trauerfeier zog ihn nur noch weiter runter. Die Vorfreude auf Action war vollends verflogen. Ihm war alles genommen worden. Seine Familie, seine Heimat, seine Zukunft, ja sogar seine Abenteuerlust. Er war am Boden zerstört. Der Solarsturm hatte jegliche Technik auf dem Planeten verschmoren lassen, die nicht in einem faradayschen Käfig eingeschlossen war, was fast niemand gemacht hatte. Die Regierung hatte noch alles einigermaßen unter Kontrolle, da es noch ansatzweise genug Nahrung und Wasser für jeden gab, doch die Anzahl an Protesten und gewalttätigen Demonstrationen schienen exponentiell zuzunehmen. In einzelnen Gebieten, die zuvor schon nicht reich und sozial gehoben waren hatten Gangs die Macht übernommen. Der Staat reagierte. Langsam und zu spät, aber er reagierte. In dem er in den reichsten Regionen, wie Europa und Nordamerika Lebensmittel und Wasser verteilte, die anderen Kontinente wurden nur noch mehr vernachlässigt, was zu weiterem Unmut geführt hatte. Selbst die Europäer und die Nordamerikaner, die von den anderen als Eliten bezeichnet wurden, protestierten. Nach Wochen von unzuverlässigen und falschen Entscheidungen brach in immer mehr Gebieten die Anarchie aus. Die Großstädte wurden regelrecht überrannt, da man auf dem Land mit Sicherheit verhungerte. Es entstanden in den nächsten Monaten in den Städten, in denen die Weltregierung die Kontrollen verloren hatte die instabilsten und unsichersten Hochhäuser aus Wohnwagen, Lehmhütten oder sonstigen Schrott, der aufeinander gestapelt eine Art Unterschlupf bieten konnte. Waffen- und Sicherheitsfirmen machten in diesen Monaten so viel Gewinn wie noch nie, während der Staat immer mehr an macht verlor. Die mafiösen Strukturen in den anarchischen Großstädten brachten immer mehr Gewalt hervor. Die Sicherheitsfirmen, die aus Verzweiflung versuchten, entweder dem Staat noch irgendwie an der Macht zu halten, oder selbst die Kontrolle zu erlangen, da mit der Regierung auch die Wirtschaft und so auch sie untergehen werden würden, fassten manchmal gar kein Fuß, sonst nur sehr kurz. Die komplette Anarchie^ war nun kaum aufzuhalten. Maik war nach Monaten noch keiner der kleinen und großen Gruppierung beigetreten, die sich organisiert hatten, da er davon überzeugt war, dass sie nur nie Gewalt verstärken würden, anstatt diese einzuschränken und Sicherheit zu bieten. Maik suchte sich resultierend sein Essen selbst zusammen und baute seinen eigenen Unterschupf. In den ersten Wochen lebte er noch bei der einzigen verwandten Person, die er kannte: Tante Desiree. Als sie aber nach fünf Tagen von einem kurzen Besuch des Lebensmittelladens um die Ecke nicht zurück kam lebte er allein weiter. In einem alten Fabrikgebäude fand er eine Handfeuerwaffe mit genug Munition. Vor dem vollständigen Kollaps durfte er sich noch keine Waffe kaufen und danach hatte er noch keine gefunden. Im Grunde war er gegen freie Waffengewalt oder überhaupt gegen Waffen oder Gewalt, denn es bringt nichts, seiner Meinung nach. Er meinte jeden Konflikt mit Worten und wenn es hart auf hart kommt mit dem Einsatz seines Körpers lösen zu können, doch die Anarchie auf den Straßen hatte ihn umdenken lassen. Verteidigen muss man sich auch können, nicht einfach nur weglaufen, wie er es bis jetzt immer gemacht hatte. Seine Waffe trug er immer verdeckt bei sich, ganz im Gegensatz zu den Roaches. In seinem Gebiet waren sie die stärkste Macht und ihnen sollte man nicht zu nahekommen. Manche von ihnen legten auch schon ohne einen Grund Menschen um. Es schockierte Maik, wie eine Naturkatastrophe und eine nur ein paar Monaten andauerte Krise dafür sorgen können, dass aus zivilisierten Bürgern unberechenbare Wilde werden können. An einem friedlich wirkenden Freitagmittag schlenderte er durch ein paar Straßen in einem Vorort, suchte nach etwas zu Essen für die nächsten Tage und lief vereinzelt in manche Häuser rein. Für ihn war die Apokalypse schnell normal geworden. Jetzt hatte er sein Abenteuer, was er sich so lange herbeigesehnt hatte. Er schaute zwei Vögel beim sich umkreisen zu. Sie landeten auf Ästen, in Büschen und am Ende auf zwei Leichen. Es waren ein Mann und eine Frau, deren Leichen ineinander zusammengesackt waren, aber nicht auf dem Boden lagen. Sie hielten sich sehr an den Händen fest, doch das hatte sie nicht vor den Kopfschüssen retten können. Die Vögel landeten auf dem Kopf des Mannes und sie führten ihren Tanz weiter fort. Den Anblick schockierte ihn weitaus weniger, als seine ersten Begegnungen mit dem Tod. Im achten Haus, welches er durchsuchte wurde er fündig. Und was für ein Fund: Schokolade, Nudelpackungen und Toilettenartikel. Alles was er für sich aktuell gut gebrauchen könnte. Naja, er hätte alles brauchen können. Maik hatte nur einen kleinen Rucksack dabei und so suchte er im oberen Stockwerk nach einem Größeren. Eine der Schokoladentafeln aß er schon, als er von unten ein Geräusch hörte. Die Tür wurde aufgetreten, Waffen durchgeladen und er vernahm Stimmen. er linste um die Ecke, sah die Tätowierungen am Arm, Hals und im Gesicht und konnte sie gleich als Roaches identifizieren. Er schlich zur zweiten Treppe des Hauses, die außen im Hinterhof war. Maik wollte noch unbedingt etwas mitnehmen und tappte wieder rein. Es kreischte kurz vor ihm. Er hatte eine streunende Katze verschreckt. Sie sprang auf und verschwand sofort. 'Sicher haben die das gehört', dachte Maik, nahm noch zwei Nudelpackungen und rannte Richtung Hinterausgang. Dicht gefolgt von drei fies aussehenden Kerlen. Er kletterte über die Hecke und rannte über die Straße. Er rannte und rannte. Maik malte sich aus, was sie mit ihm machen würden, wenn sie ihn zu fassen bekommen würden, was wäre, wenn sie einfach jetzt anfangen würden zu schießen, nichts würde sie davon abhalten? Was wäre dann? Wer würde ihn vermissen? Einer der Verfolger hatte er abschütteln können, denn er war mit seinem Fuß umgeknickt. Die anderen waren aber umso schneller und der Abstand wurde kleiner und kleiner. Er schaltete noch mehr auf Überlebensmodus und fokussierte sich nur auf die Straße. Nach einem minutenlangen Sprint kam er in die Innenstadt und lief im Zick-Zack links und rechts an jeder Kreuzung. Nach vier weiteren Blocks konnte Maik nicht mehr. Er war zwar im Leichtathletik-Team seiner Schule im Sprinten immer unter den besten drei gewesen, auch wenn er zwei und drei Jahre jünger war, als Platz eins und zwei, doch auch das nützte ihm bei einem so langen Sprint nichts mehr. Er hörte wegen Sauerstoffmangel auf nachzudenken und bog zu früh links ab. Er lief in eine circa 20 Meter lange Sackgasse hinein, umzingelt von meterhohen Mauern. Er bremste ab, da er seine Verfolger schon um die Ecke laufen hörte, hob seine Arme und ließ sich schwerfällig gegen die Metalltür am Ende der Sackgasse fallen. "BITTE...", keuchte er. Maik hatte Seitenstechen und bekam kaum noch Luft. Seine Verfolger würden im Sport aber auch nicht besser abschneiden, als er, denn auch sie hatten jetzt sichtbare Probleme. "BITTE", rief er noch einmal. Plötzlich öffnete sich die Tür hinter ihn und er stolperte regelrecht nach hinten. Ein Arm legte sich um seinen Hals und ein Tuch wurde ihm ins Gesicht gedrückt. Langsam wurde ihm schwarz vor Augen.
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Solar Storm
Ciencia FicciónMaik, ein Jungendlicher/ junger Erwachsener wächst auf Trition 5, einer Raumstation auf. Die Situation, immer nur auf eine dann doch relativ kleine Station beschränkt zu sein macht ihm zu schaffen, doch die Veränderung, die er so herbeisehnt, kommt...