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Beißend wie Säure knisterte die Wut der machtlosen Hilflosigkeit in deinen Adern. Nach dem Rückschlag, dass Maria einen festen Freund besaß, hattest du nach deinem ersten Wein probiert, als der Kerl sie für ein paar Minuten aus den Augen gelassen hatte, dich wieder in ihre Nähe begeben. Anschließend versuchtest du, sie dazu zu manipulieren, dass du viel besser für das Mädchen wärst. Tatsächlich hatte dein Plan auch hervorragend funktioniert - bis das dumme Ding an dir vorbei einen Blick auf den sich nahenden Quarterback erhascht hatte. Und anscheinend hatte das bloße Aussehen des Kerls ausgereicht, um Marias Herz wieder entflammen zu lassen.

Entsprechend säuerlich hattest du dich zurück an die Bar begeben und zogst es nun vor, die Miesere vorerst von der Ferne zu betrachten.

Seitdem waren einige Stunden vergangen. Inzwischen hattest du allerdings den laschen Wein gegen etwas Stärkeres eingetauscht. Frustriert nipptest du an deinem Whiskey, nicht der erste in der letzten Stunde. Vor ein paar Minuten hatte sich Eva zu dir gesellt und wortlos ebenso einen Drink bestellt. Tatsächlich hatte sie sich nicht als Vampir sondern als Hexe gekleidet. Wobei man bei dem spitzenbesetzten Satin nicht zwingend von Kleidung sprechen konnte. Dafür schimmerte ihre makellose Haus an zu vielen Stellen hervor.

»Lass mich raten, du hegst Interesse an dem Mädchen dort, an das sich der Quarterback klammert«, eröffnete deine Schwester das Gespräch.

Du knurrtest widerwillig. »Ich möchte nicht darüber sprechen.«

»Musst du auch nicht, Bruderherz.« Genüsslich trank sie von ihrem Glas. »Dein Blick ist so stechend wie Eiszapfen.«

Statt zu antworten, winktest du Mo heran, der gerade mit einem Tablett durch die Menge huschte. Rasch kam er auf dich zu, mied deinen Blick aber ebenso penibel wie John. »Mylord, wie kann ich Euch behilflich sein?«

»Bring mir etwas Richtiges, und das, bevor ich meinem Kostüm gerecht werden und den Quarterback die Kehle ausreiße.« In einem Zug leertest du den Whiskey. Kühl wie brennend rann er deine Kehle hinab.

Mo neigte den Kopf kurz, seine Haare hatte er wieder zu einer ansehnlichen Frisur gestriegelt. »Selbstverständlich, Mylord.«

Es war immer wieder faszinierend, wie gut Mo seiner Rolle als Kammerdiener gerecht wurde. Wenngleich sich so mancher Tölpel vor ihm mit losem Mundwerk quergestellt hatte und erst folgte, nachdem du ihn mit glimmenden Augen und wütender Stimme dazu zwingen musstest, schien Mo es fast zu genießen, so behandelt zu werden. Selbst wenn ihm deine Anweisung an manchen Tagen gegen den Strich gingen, führte Mo sie stets zu deiner vollen Zufriedenheit aus, wenngleich das Widerstreben ihm dabei ins das hübsche Gesicht geschrieben stand. Nur die kalten Hände im Winter stellten ein Problem dar. Und doch warst du zuversichtlich, auch für dieses Problem eine Lösung zu finden - schließlich war es erst der dritte Winter, den dein Kammerdiener in dem Hause Mikail verbrachte.

»Du nicht?«, erkundigtest du dich bei Eva, als Mo zwischen den Menschen hinfort in die Küche huschte. Bevor er den Raum verließ, überreichte der Kammerdiener sein Tablett einer Angestellten, die sich aus dem Saal schleichen wollte. Du würdest dich morgen ihrer annehmen müssen. So etwas ziemte sich nicht für das Gesindel.

Deine Schwester schüttelte den Kopf. »Vermutlich knöpfe ich mir nachher die kleine, fette Hure vor, die sich wie eine Klette an meinen Josh klammert.«

Der wütende Trotz in ihrer Stimme entlockte dir tatsächlich ein bitteres Lachen. »Vermutlich wird sie sich wünschen, ihn niemals angesehen zu haben.«

»Oh ja«, wetterte die Vampirin. »Ehrlich, ich habe nun wirklich alles versucht: reizende Kleidung, viel Ausschnitt, sogar geflirtet habe ich mit ihm. Doch er hat nur Augen für sie.«

»Du könntest ihm seine Augen herausschneiden«, schlug ich vor.

Sie fuhr sich durch die feuerroten Wellen. »Aber sie sind so wunderschön grün.«

Anschließend schwiegt ihr beide. Jeder einzeln begannt ihr stumm, Rachepläne zu schmieden. Wobei ihr eigentlich wissen solltet, dass Eifersucht ein furchtbarer Nährboden für rationale Entscheidungen war. Nichtsdestotrotz maltest du dir in den rotesten Farben die Folter des dummen Quarterback aus; konntest ihn förmlich schreien hören, während du ihm seine Haut langsam in langen Streifen von der Haut zogst.

Doch gleichzeitig wolltest du auch Maria dafür strafen, so einen Taugenichts deiner Pracht vorzuziehen.

Als Mo den Tanzsaal mit einen Weinglas betrat, dessen Inhalt nicht für menschliche Zungen gedacht war, fiel der Groschen bei dir und plötzlich entfalteten sich sämtliche Möglichkeiten, wie du die Situation an dich reißen konntest. Das Grinsen, welches sich auf dein Gesicht schlich und darauf ausbreitete wie schwarze Tinte in den Tiefen des Meeres, glich vermutlich dem des geschnitzten Kürbis von heute Nachmittag mehr, als es sollte.

Dementsprechend zaghaft trat dein Kammerdiener an dich heran und reichte dir behutsam das mit der kostbaren Essenz gefüllte Glas. »Mylord.«

Mit einer flüssigen Bewegung ergriffst du das Gefäß und führtest es an deine Lippen. Kalt wie Eiswürfel strömte das süße Blut in deinen Mund und mit jeden Schluck deine Kehle hinab. Allein die Temperatur klärte deinen Kopf und schärfte deine Sinne aufs Äußerste. Du leertest das Glas schneller als üblich und knalltest es unsanft zurück auf die Bar. »Lasset die Spiele beginnen«, flüstertest du verheißend und wandest dich anschließend an Mo. »Bleib in meiner Nähe.«

Der Kammerdiener nickte. »Natürlich, Mylord. Wie Ihr wünscht.«

Elegant erhobst du dich von deinem Barhocker und schlendertest durch die sich bewegenden Menschen. Wie auch die anderen Male teilte sich die Masse vor dir wie das Rote Meer vor Moses. Maria tanzte in ihrer Clique mit den andern Mädchen und auch der Quarterback hatte sich von der jungen Frau abgesondert, um mit seinen Freunden ein wenig Zeit zu verbringen.

Das war deine Gelegenheit.

Nein, keine Gelegenheit: ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte.

Schnurstracks steuertest du auf den breiten Tölpel zu, bis du genau hinter ihm standest. Tatsächlich war er nur wenige Fingerbreit kleiner als du, dafür verfügte der junge Mann über deutlich mehr Muskelmasse. Dennoch könnte der Dummkopf all seine Kraft gegen dich aufwenden und du müsstest dich noch nicht einmal anstrengen, um ihn in Zaume zu halten. Mit diesem Gedanken packtest du den unwissenden Quarterback an der Schulter und drehtest ihn zu dir herum.

»Was läuft denn bei dir falsch?«, fuhr der Kerl dich an und versuchte, deine Hand abzuschütteln. »Willst du Stress? Nimm auf der Stelle deine Griffel von mir!«

Du zeigtest dich unbeeindruckt. Tatsächlich dachtest du nicht einmal im Traue daran, den stumpfen Worten dieses Tölpels Folge zu leisten. Stattdessen stelltest du mit einem raschen Blick aus dem Augenwinkel sicher, dass Maria ihre Aufmerksamkeit aufgrund der lauten Worte auf das Spektakel hier richtete - was auch der Fall war.

»Hör mir zu«, befahlst du leise und konntest in seinen Augen sehen, wie die deinen eindringlich zu glühen begannen und sich eure Blicke verschränkten. »Du wirst genau das tun, was ich dir sage. Du spielst jetzt mit und wirst deiner kleinen Freundin sagen, dass sie sich bei mir beschweren kann, wenn ihr etwas nicht pässlich ist. Du hast keine Ahnung. Schick Maria zu mir ein Stockwerk tiefer. Und wenn du ihr das alles gesagt hast, wirst du vergessen, dass wir dieses kleine Gespräch geführt haben. Haben wir uns verstanden?«

Sein Blick war glasig. »Ich werde genau das tun, was du mir sagst«, wiederholte der Mann. »Ich spiele jetzt mit und werde meiner kleinen Freundin sagen, dass sie sich bei dir beschweren kann, wenn ist etwas nicht pässlich ist. Ich habe keine Ahnung. Ich schicke Maria ein Stockwerk tiefer. Und wenn ich ihr das alles gesagt habe, werde ich vergessen, dass wir dieses kleine Gespräch geführt haben. Wir haben uns verstanden.«

Einen Moment mustertest du diesen Mann mit den grauen Augen, dem kantigen Gesicht und den blonden Locken verzückt. »Ausgezeichnet.«

Dann legtest du deine Lippen auf die seinen und küsstest ihn.

BlutsfratzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt