Weil ich dich auch liebe

3.4K 149 19
                                    


                          Juliette Streich

Mit einer Mischung aus Wut und unendlicher Traurigkeit saß ich stumm vor meiner besten Freundin Claire.
Sie hatte die Tage bei ihren Eltern verbracht und war heute Nachmittag rüber zu mir zum Trösten und Zuhören gekommen. Wir hatten nun mehr als zwei Stunden ausführlich über Anna und die Situation gesprochen. Heute in der Schule war ich der Lehrerin zum Glück nicht über den Weg gelaufen.

„Ich bleibe dabei: Die hat einfach nur Schiss bekommen!", sagte Claire und griff noch mal beherzt in die Süßigkeitentüte.

„Toll, selbst wenn es so wäre, macht es das Ganze auch nicht besser!", antwortete ich resigniert.

„Doch irgendwie schon. Immer hin hat sie dich nicht abgewiesen, weil sie dich nicht liebt."

„Ich glaube schon", widersprach ich Claire sofort, „Ich war vielleicht einfach nur ein Lückenbüßer. Ich habe mich verliebt, sie nicht. Doof gelaufen für mich."

„Ich verstehe nicht, wie du manchmal so blöd sein kannst...", Claire schüttelte den Kopf, „Tust du nur so, oder glaubst du das wirklich?"

„Ich glaube das wirklich!", entgegnete ich säuerlich, „Alles war doch gut zwischen uns, nur dann kam ich mit Blumen und einem Liebesgeständnis und bam... Weg war sie."

„Diese Frau hat dich mit in das Haus ihrer Großeltern genommen, hat sich von ihrem Mann getrennt und hat sich über Monate hinweg mit dir getroffen und somit ihren Job die ganze Zeit riskiert... Für was? Für einen unwichtigen Lückenbüßer? Juliette, mach doch mal die Augen auf!", widersprach Claire mir harsch.

„Tja, ist ja auch eigentlich egal wieso, weil was auch immer wir hatten, jetzt vorbei ist", stellte ich trocken fest.

„Das glaube ich wirklich nicht. Ich glaube, dass eure Geschichte noch weiter geht..." Claire warf sich noch mehr Süßigkeiten ein, „Und, solange ihr pausiert, lenke ich dich ab. Habe ich dir erzählt, dass ich bis zu deinem Geburtstag morgen bleibe? Und heute euch beim Training mal wieder unterstütze?"

„Du bist die Beste!", ich fiel Claire in die Arme, „Du bleibst wirklich bis morgen?"

„Ja!", lachte Claire, „Auf dem Internat haben wir doch unsere Abiprüfungen schon geschrieben und genießen nun unsere wohlverdiente Pause!"

Ich war ein bisschen neidisch auf Claire, dass sie ihre Prüfungen schon alle hinter sich hatte, aber umso mehr freute ich mich, dass sie an meinem Geburtstag da war.

„Und zum Training kommst du heute auch mit?"

„Jup, muss eurer lahmen Mannschaft doch mal wieder zeigen, wie man richtig Handball spielt", grinste meine beste Freundin.

So kam es, dass Claire und ich gemeinsam in ihrem Auto zum Training fuhren.
Dass meine beste Freundin die ganze Zeit bei mir war, tat gut.
Außerdem kam mir der Sport gerade recht.
Ich wollte mich auspowern und Anna Lilienthal für zwei Stunden komplett vergessen.

————

Das Training machte mit Claire doppelt so viel Spaß und wir spielten die ganze Zeit nur.

Glücklich und frisch geduscht verließ ich mit Claire und ein paar Mannschaftskolleginnen gegen 21 Uhr die Halle und wir liefen auf den Parkplatz, der mittlerweile nur noch von drei Laternen spärlich beleuchtete wurde.

Auf einmal pikste Claire mich in die Seite.

„Ich kenne Anna ja nur aus deinen Erzählungen, aber diese Frau da", sie deutete in eine Richtung, „Sieht für mich stark nach ihr aus."

Fliegen lernenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt