1.Kapitel

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Hektisch krame ich meine letzten Sachen zusammen.

Handtasche.
Schlüssel.
Portemonnaie.

Verdammt.

Ich stolpere fast die Treppe hoch und stürze in mein Zimmer. Suchend wandert mein Blick umher.

Handy Handy Handy...

Meine Augen bleiben an nichts bestimmten in meinem ZImmer hängen, bis ich es entdecke. Kurz frage ich mich warum mein Handy mitten in dem Haufen undefinierbarer Klamotten, die  sich auf meinem Schreibtischstuhl befinden, liegt. Ich Kann mich nicht daran erinnern es dort hingelegt zu haben, doch ich beschließe nicht weiter darüber nachzudenken, da dies nur Zeit kostet und ich sowieso schon viel zu spät für meine Verabredung mit Matilda bin.

Tilda ist meine beste Freundin seit der Grundschule. Sie ist damals in der dritten Klasse nach Berlin gezogen und da wir in die selbe Klasse gingen und sie in die Wohunug zwei Stöcke über uns zog war es kein wunder, dass wir uns anfreundeten.  Mittlerweile wohnen wir leider nicht mehr so nah beieinander, da das Haus in dem wir früher wohnten irgendwann abgerissen wurde.  Trotzdem treffen wir uns fast jeden Tag und ich wohne generell sehr oft eher bei Tilda und ihrer Familie, da meine Mum oft weg ist.  So wie auch heute wieder.

Ich greife schnell nach meinem Handy und lasse es in meiner kleinen Tasche verschwinden. Ich fliege förmlich die Stufen der Treppe wieder runter. Mit etwas zu viel Schwung öffne ich die Haustür wobei ich ausversehen einen von Mum's Kakteen runterschmeiße. Unachtsam lasse ich ihn liegen und laufe weiter ins Treppenhaus wobei ich nochmal meine Handtasche kontrolliere. 

Plötzlich pralle ich mit meinem Körper gegen etwas und spüre einen harten Schmerz an meiner Stirn. Meinem Gegenüber geht es wohl genauso. Der Junge in den ich rein gerannt bin  reibt sich genervt die Stelle seines Kopfes, die gegen meinen gehämmert ist.

„Sorry, ich hab es wirklich eilig. Normalerweise bin ich vorsichtiger.", murmle ich verstohlen.

„Kein Ding.", erwidert er. Ich schätze ihn auf ungefähr neunzehn oder zwanzig. Ich muss hochschauen um sein Gesicht zu sehen und bemerke wie seine blauen Augen mich von oben bis unten Mustern.

„Bist du Karlotta?", fragt er dann. „Lily hat mir von dir erzählt."

„Ähm... Was hat meine Mum dir erzählt? Naja egal auch. Ich muss jetzt wirklich los."

Mit diesen Worten zwänge ich mich an ihm vorbei, wobei sein Ellebogen meine Brüste streift. Unsere Augen treffen sich für einen Moment, doch ich drehe mich schnell weg.

Unagenehm...

~

Außer Atem erreiche ich den letzten Bus in Richtung U-Bahnhof, als er gerade losfährt.Ein Mädchen, ungefähr dreizehn, grinst mich schadenfroh aus dem Bus an und beobachtet mich noch als der Bus schon fast um die Ecke biegt, wie ich dort vollkommen zerstört von meinem 200-Meter-Sprint an der Bushaltestelle stehe und dem Bus hinterher schaue.
Ohne darüber nachzudenken erhebe ich meinen linken Arm und zeige ihr meinen Ringfinger, der mit einem kleinen Goldring verziert ist. Ich bin mir nicht sicher ob sie es noch gesehen hat, aber ich hoffe es.

Seufzend setze ich mich in Bewegung, um zu Fuß zur U-Bahn zu gelangen. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass wir schon 22:18 haben. Meine Finger wählen die Nummer von Jenny.
Das Freizeichen ertönt genau dreimal, Matildas Stimme vermischt mit lauten Hintergrund Geräuschen.

„Lotta wo bleibst du?"
Ich halte mein Handy ein Stück weg von Ohr,um die Lautstärke zu dezimieren.

„Hey Tilda. Es tut mir leid, ich habe den letzten Bus zur U-Bahn verpasst. Geht schonmal zum Club und ich komm dann direkt zu euch.", erwidere ich etwas peinlich berührt. Das ich spät bin wundert niemanden wirklich, sooft wie es passiert.

„Du hast mir versprochen diesmal schaffst du es", sagt meine beste Freundin mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.

„Ich bin in 20 Minuten bei euch. Versprochen! Und es tut mir leid!"

„Ich weiß, Ich weiß. Bis nacher"

Ein lautes Piepsen. Das Gespräch ist beendet.
Nun mit schnelleren Schritten setze ich meinen Weg fort.  Die Luft um mich herum ist angenehm warm und die letzten Sonnenstrahlen verlassen soeben mein Sichtfeld.

Spätsommer. Meine Lieblingszeit im Jahr.  

Als ich weitergehe höre ich plötzlich Schritte hinter mir. Ich versuche mich nicht beunruhigen zu lassen und schiebe meine leichte Paranoia auf die ganzen Horrorfilme die ich zu gerne mit meiner Mum an Samstagebenden auf der Couch gucke.

Ich beschleunige meine schritte trotzdem noch ein bisschen mehr und höre wie die Schritte hinter mir ebenfalls schneller werden. Ich versuche ruhig zu atmen, doch ich merke wie sich das Unwohlsein langsam in Angst umwandelt.

"Karlotta.", höre ich dann einen Ruf hinter mir. Die Stimme kommt mir leicht bekannt vor, doch ich kann sie erst nicht zuordnen, bis ich eine Hand auf meiner schulter spüre. Ich drehe mich um, bereit mich zu verteidigen, doch vor mir steht nur der Typ in den ich eben im Treppenhaus reingelaufen bin.

Er geht einen Schritt zurück und sieht mich leicht entschuldigend an.

"Tut mir leid, wenn ich dir eben Angst gemacht habe."

Ich lache, vielleicht etwas zu hysterisch auf. Das muss der Rest des Adrenalins in mir sein.

"Ist vielleicht nicht die beste Idee ein Mädchen in der Dämmerung hinterher zu gehen ohne etwas zu sagen. Ich war kurz davor das Heimwegtelefon anzurufen."

Er sieht mich kurz verständnislos an und schüttelt dann leicht den Kopf. " Ich bin übrigens Jesse.", sagt er in einem Ton, als sollte das mir erklären warum er vor meiner Haustür rumsteht und mich dann verfolgt.

"Okay. Sollte ich dich kennen?"

Wieder dieser verständnisslose Blick.

"Deine Mutter meinte eigentlich zu wärst zuhause. Ich wollte nur schonmal ein paar Sachen zu euch bringen.  Unsere Kündigungsfrist läuft ja bald ab und als du dann einfach abgehauen bist bin ich dir eben nachgegangen. Ich wollte ich eigentlich fragen ob wir heute vielleicht was zusammen machen wollen. So zum kennenlernen, bevor wir uns  bald jeden Tag sehen. Warum schaust du so geschockt?" 

Es folgen ein paar Sekunden des schweigens in dem ich versuche einen Sinn oder Zusammenhang in das zu bringen, was er gerade gesagt hat. Es gelingt mir nicht. 

"Shit. Lily hat es dir noch gar nicht  erzählt.", entfährt es ihm und er kratzt sich mit einer Hand auf der Stirn.

Mit jedem Satz den er sagt  werde ich nur noch verwirrter.  "Meine Mum hat mir was nicht erzählt?"

Verlegen scharrt er mit den Füßen über den Boden. "Mein Dad, vielleicht kennst du ihn, jedenfalls ist er ein guter Freund von Lil- deiner Mutter. Er hat vor kurzem seinen Job verloren...", kurz unnterbricht er sein Reden und schluckt. "Wir können uns deshalb die Miete nicht mehr leisten. Une weil mein Dad deiner Mum mal irgendwie aus der Klemme geholfen hat, hat sie uns angeboten verübergehend bei euch einzuziehen... Bis sich alles wieder normalisiert."

Seine dunklen Augen mustern mich, doch ich schaue ihn nur an als würde er mich verarschen. Das kann nicht Mums ernst sein. Sie erzählt mir nichtmal davon?

Plötzlich fühle ich mich so erschöpft als wäre ich den ganzen Tag gelaufen. Ich lasse mich auf eine kleine Mauer sinken, die am Rand des Bürgersteigs ist und die Abgrenzung zu einem ziemlich heruntergekommenen Haus darstellt.

Jesse setzt sich zögernd neben mich. Er schaut mich zwar an aber sagt nichts, wofür ich sehr dankbar bin, denn ich hätte nicht gewusst was ich hätte antworten können. 

Er kramt kurz in seiner Jackentasche und hält mir kurz darauf eine Schachtel Zigaretten entgegen. Ich rauche normalerweise nur auf Partys. Trotzdem nehme ich eine, woraufhin er die Schachtel wieder in seiner Jacke verschwinden lässt. Das klicken des Feuerzeugs unterbricht kurz die Stille, die aber sofort danach wieder eintritt, als wir abwechselnd tiefe Züge nehmen und ich versuche zu verarbeiten was er gerade gesagt hat.



Das war das erste richtige Kapitel meiner Geschichte. Ich hoffe sie gefällt euch.

An die Mädels da draußen, falls ihr wirklich mal in eine gefährlich Situation gelangt. Das ist die Nummer vom deutschen Heimwegtelefon :   030 120 74 182

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