Kapitel 1, Teil 1

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Meine Mutter schaut mich an. Sie greift zum Telefon, wählt 112. Nein, denke ich. Nicht schon wieder. Ich weiß, dass sie das tun muss, aber ich fange jedes mal wieder an zu zittern. Dieses Mal weigere ich mich. Dieses Mal kriegen die mich nicht wieder dort hin.

"Mein Kind ist suizidal." , sagt sie, "sie droht schon den ganzen Abend an, sich das Leben zu nehmen."

Obwohl ich weiß, dass es kein zurück mehr gibt, raste ich innerlich aus. Ich hasse es dort. So so sehr. Ich starre aus dem Fenster, während meine Mutter unsere Adresse und mein Alter angibt. Dann legt sie auf.

Ungefähr 10 Minuten später klingelt es. Meine Mutter huscht zur Tür, nimmt den Hörer und murmelt:

"Zweiter Stock, Hinterhaus."

Sie macht sich nicht mal die Mühe, mich anzusehen oder mir zu sagen, dass alles gut wird. Denn wir beide wissen ganz genau, dass nichts gut wird. Aber keiner traut es sich auszuprechen. Die Hoffnung stirbt zuletzt oder? Ich setze mich aufs Sofa und starre aus dem Fenster.
Nicht angucken. Bloß nicht angucken. Die Uhr tickt und meine beiden Wellensittiche zwitschern leise. Auch sie sind müde, immerhin ist es 12:20 Uhr. Zwei Männer treten durch die Tür ins Wohnzimmer. Ihre Blicke ruhen auf mir das sehe ich in den spiegelnden Scheiben unserer Fenster. Immer wenn ich Menschen angucke, habe ich Angst, sie könnten mich durch meine Augen komplett durchschauen. Als würden sie in meinen Augen meine ganze Geschichte lesen können. Dabei wünsche ich mir nichts mehr, als leere, graue Augen.

"Wie ist ihr Name?", fragt der eine Rettungssanitäter.

Er trägt eine weite, rote Hose, ein weißes langärmliges Oberteil auf dem 'Feuerwehr'steht und große schwarze Schuhe die aussehen wie die Schuhe, die Astronauten bei einer Mondlandung tragen. Als ich kleiner war, nannte ich die Rettungssanitäter deshalb immer Mondmänner.

"Luna." antwortet meine Mutter. "Ihr Name ist Luna."

Einer von den Rettungssanitätern setzt sich gegenüber von mir auf einen Stuhl. Er fragt meine Mutter ein paar Dinge, versucht dann mit mir zu reden, doch ich antworte nicht.

"Ist sowas schon öfter passiert? Also dass die Feuerwehr gerufen werden musste?"

"Dies ist das sechste mal." antwortet meine Mutter beschämt.

"Hat sie denn psychische Krankheiten?"

"Ja."

"Borderline?" Ich blicke zu meiner Mutter, gespannt darauf was sie antworten würde. Theoretisch bin ich zwar zu Jung für diese Diagnose, doch heutzutage kann man sie früher stellen. Meine Mutter schämt sich für mich, dass weiß ich.

"Könnte in die Richtung gehen" sagt sie. Fast muss ich lachen. Das ist jetzt aber sehr nett ausgedrückt. Jetzt wendet er sich an mich:

"Kommst du mit?"

Ich schüttele langsam den Kopf. Das sechste Mal. Ich werde das nicht noch ein scheiß Mal machen. Der andere Rettungssanitäter geht vor die Tür, um die Polizei zu rufen. Als ungefähr 5 Minuten später die Tür aufgeht und zwei Polizisten reinkommen, wundere ich mich wie die das so schnell geschafft haben. Krass, als hätten die an der Ecke nur darauf gewartet, dass sie gerufen werden.

Nicht angucken.

"Wir wollen dir nicht wehtun okay? Wir stellen uns auch auf keine Seite, denk nicht wir sind auf der Seite deiner Mutter oder so, du musst nur mit uns kommen damit wir im Krankenhaus abklären können, ob du sicher bist.", sagt der eine Polizist.

Das ist eine Falle, dass weiß ich. Sie wollen mich ins Krankenhaus locken, damit sie die Tür hinter mir abschließen können und mich da behalten können.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 30, 2021 ⏰

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