Schon als ich den Parkplatz erkannte, begann mein Herz zu rasen. Gleich wären wir da. Nur ein Paar Meter. Aus der Ferne konnte ich die ersten Stände erkennen. Als der Wagen anhielt, hatte ich mich bereits abgeschnallt und die Tür geöffnet. Papa stieg ebenfalls aus. „Du musst immer in Sichtweite bleiben.", belehrte er mich und sah mich aufmerksam an. Ich nickte kräftig, sodass meine blonden lockigen Haare nur so herum und klatschte abermals in meine Hände. Ich wusste nicht, ob mehr Freude überhaupt möglich war.
Immer wieder rannte ich ein paar Schritte nach vorne, blieb stehen und sah mich nach Papa um. Ich wurde immer ungeduldiger. Zwischen mir und den ersten Flohmarktständen lagen nur noch wenige Meter, doch Papa schien sich alle Zeit der Welt zu lassen. Schon immer war er eher gemütlich, wie hektisch gewesen. „Papa, komm endlich!", quengelte ich. Doch ich bekam keine Antwort. Deshalb rannte ich zu ihm zurück, packte ihn am Arm und versuchte, ihn mit mir zu ziehen. Doch alle Mühe war umsonst, denn er bewegte sich kein Stück schneller. Ich weiß ich hätte warten können, doch ich hatte noch nie in meinem kurzen Leben viel Geduld besessen. Papa kicherte vor sich hin. Natürlich amüsierte es ihn, doch mich machte es nur umso ungeduldiger.
Endlich bei den ersten Ständen angekommen, lief ich los. Ich hatte den Vorteil, dass mein Vater groß war und mich so von weitem sehen konnte. So hatte ich mehr Platz diese wundervollen Orte zu erkunden. Doch für einen Moment blieb ich stehen. Ich überlegte, wohin sollte ich zuerst gehen? Ich sah mindestens drei Stände, die ich alle am liebsten gleichzeitig angesehen hätte. Ich konnte mich nicht entscheiden. Ein wenig überfordert. Vor lauter Menschen und schönen Sachen zum Stauen, wusste ich gar nicht wo hin. Ich entschied mich, einen Stand zu besuchen, der etwas weiter weg stand. So hätte ich erst einmal etwas Ruhe, bevor ich mich dem Tumult nebenan zu wenden wollte. Papa war, leise wie eine Katze, immer hinter mir.
Der Stand, den ich ansteuerte, war anders als die anderen. Vielleicht war das auch ein Grund, warum ich ihn interessant fand. Hier waren kaum Menschen zu sehen. Selbst von dem Angebot der Ware unterschied sich der Stand deutlich. Bei den anderen waren viele bunte Dinge auf den Tischen gelegen, doch hier schien alles mit einem dunklen Schleier überzogen zu sein. Ich schaute zu Papa, der mir zunickte. Obwohl ich ein ungutes Gefühl im Bauch bekam, stellte ich mich dicht an den Stand und schaute mich um. Kein Verkäufer war zu sehen. Noch einmal schaute ich zu Papa hinauf, der die Dinge vor uns auf dem Tisch skeptisch musterte. Da er nichts sagte, dachte ich mir, dass alles ok sei, und begann mich umzusehen. Papa wüsste, wenn etwas nicht gut wäre.
Vorsichtig und mit bedacht, ließ ich meine Fingerspitzen über einige Teile wandern. Hier gab es vieles zu sehen. Manches war aus Glas, anderes aus Porzellan. Es gab Stücke, die aus einem mir unbekannten schwarzen Stein waren. Doch ich fand, dass er sehr schön glitzerte, wenn die Sonne ein paar Strahlen drauf warf. Später würde ich meinen Papa fragen, was das für eine Sorte war. Mein Blick blieb auf einem kleinen Elefanten, aus Porzellan, hängen. Das schöne Tier starrte mich mit seinen gemalten Augen an. Ich wusste, dass ich viel Phantasie besaß, doch etwas an dem Blick des Tierchens fühlte sich lebendig an. Als sei es nur gefangen ohne Aussicht auf Freiheit. Eine traurige Vorstellung.
Mit zitternden Händen hob ich das Tier hoch, den ich wollet es mir genauer anschauen. Dicht neben mir konnte ich Papa hören: „Sei vorsichtig. Mach es nicht kaputt." Nicht mal im Traum wäre mir eingefallen, das wundervolle Tier kaputt zu machen. Dennoch zögerte ich, denn ich wollte keinen Ärger mit dem Besitzer. Doch um uns herum war nach wie vor niemand zu erkennen, der den Eindruck machte, dass ihm der Stand gehörte. Das fand ich komisch. Was wäre, wenn jemand etwas stehlen würde? Niemand wäre da, um es zu verhindern. Nochmal schaute ich nach rechts und links. Selbst meinem Vater schien aufzufallen, dass niemand da war. Gedankenverloren strich er über sein Kinn: „Gewiss wird bald jemand kommen." Doch seine Stimme war genauso unsicher wie sein Blick. Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich wieder meinem kleinen Freund zu. Was er für Geschichten erzählen würde, wenn er sprechen könnte? Wo war der kleine Elefant schon gewesen? Ich hatte so viele Fragen, aber der kleine war leider starr wie ein Stein. Ich seufzte. Meine Phantasie war schon wieder mächtig am Geschichtenausdenken. Doch machte mich das kleine Porzellan Tier traurig. Nie könnte er mir seine Geschichten erzählen.
Mein Blick wandte sich von dem Teil in meiner Hand ab und glitt erneut den Tisch entlang. Würde der Elefant sich über einen Freund freuen? Wäre er glücklicher, wenn er nicht mehr so einsam wäre? Leider konnte ich kein anderes Tier finden. „Papa findest du ein anderes Tier?", fragte ich ihn, als ich trotz aller Mühe nichts erkennen konnte. Mein Vater hob mich hoch und meinte: „Wir können zusammen suchen." Doch egal, wie wir suchten, es war zwecklos. Der kleine Freund war vollkommen alleine. Kein Wunder, dass er so traurig war. Wäre ich auch, wen ich so völlig alleine gewesen wäre.
Die Sonne brach erneut durch den Wolkenhimmel hindurch. Ich blinzelte. Etwas hatte mich geblendet. „Lass mich bitte runter.", sagte ich zu Papa aufgeregt. Etwas hatte meine Aufmerksamkeit erregt und wollte von mir entdeckt werden. So schnell ich konnte, nach wie vor mit meinem kleinen Freund in der Hand, lief ich eilig ans andere Ende des Tisches. Ich staunte. Ich erkannte schnell, was mich geblendet hatte. Vor mir lag ein kleiner Spiegel. So unscheinbar, dass ein anderer ihn nie beachtet hätte. Doch für mich war er wunderbar. Plötzlich war mir der kleine Elefant in der Hand nicht mehr so wichtig, sodass ich ihn auf den Tisch neben mich zurückstellte. Mein Papa hatte sich neben mich gestellt und sah mich verwundert an: „Was möchtest du den mit einem Spiegel?" Ich hörte ihm gar nicht zu, den ich hatte nur noch Interesse für den Spiegel. Wie von einem Magnet angezogen, schien er mich in seinem Bann zu halten. Vorsichtig nahm ich ihn in meine Hände. Träumte ich oder fühlte der Spiegel sich seltsam warm an? Alles auf diesem Tisch schien merkwürdig zu sein. Fast wie verzaubert. Ich schaute nachdenklich über den ganzen Tisch. Schon eigenartig. Meine Fingerspitzen kribbelten, als ich mich in der Spiegelung betrachtete. Ich musste ihn haben, so viel stand fest.
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• Spiegel - Weil du mir gehörst •
HorrorEin kleines Mädchen (Amelie, 8), kauft einen Spiegel indem etwas böses wohnt.