𝖔𝖈𝖍𝖔

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In folgender Nacht tat ich kein Auge zu, aufgrund der vergangenen Welten, welche sich heimlich in meinen Geist schlichen. Böse Taten wurden mir vorgeworfen, parallel dazu der stetige unbewusste Gedanke an die vergangene Hitze. Ein einziges Spiel zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch, flammte in meinem Herzen, deren Gestalten mich unaufhaltsam zu Tode starrend. Ich fand kaum den Atem in diesem dunklen Zimmer, und schien mit der weichen Matratze zu verschmelzen. Sie sog mich in sich auf, und verschluckt mich vollkommen, da mir nicht mehr als die Schwärze zustand, nachdem ich meine eigenen Vorsätze komplett hintergangen hatte. Seit meinem 19. Lebensjahr hatte ich darauf hin gearbeitet, erfolgreich und angesehen zu agieren, stetig bewusst, niemals kindisch oder unüberlegt. Und genau diese Ideale hatte ich nun innerhalb einer einzigen Nacht zunichte gemacht, um somit in mein altes rebellisches Ich zu verfallen, welches meine Kindheitstage verwirrt beherrscht hatte.

Dies war zwar nicht mein erster One-Night-Stand gewesen, jedoch die erste Nacht mit einem fremden Menschen, während mein Versprochener unahnend zu Hause saß, ich ihn im selben Moment schamlos betrügend.

Ich schämte mich sehr, und welzte mich unruhig hin und her, der Kopf überfüllt mit verzweifelten Gedanken. Sicherlich war es ein Problem, dass ich nun mit diesem Betrug meinerseits konfrontiert war, doch noch viel mehr beschäftigte mich die Tatsache, dass ich selten solch eine Leidenschaft verspürt hatte, wie noch vor einigen Stunden mit jener fremden Frau. Ich kannte nicht einmal ihren Namen, und kommuniziert hatten wir auch nicht viel, trotz alle dem war es ein magischer Moment gewesen, welchen wir geteilt hatten. Zuvor hatte ich mich noch nie für Frauen interessiert, geschweige denn die Lust verspürt, den dominanten Part einzunehmen. Mich hatte es wahrlich in den Fingern gejuckt, als jener heiße Körper ihrerseits so nah an meinen geschmiert war, sodass mein ungeahnter Heißhunger geweckt wurde. Wie Tiere fanden wir uns, übermannt von der vergangenen Distanz, gewillt jegliche Regeln zu brechen und die Tatsachen auszunutzen, dass wir beide unter Alkoholeinfluss und einer gewissen Einsamkeit standen - nicht auszuhalten.

Fuck, jedoch rechtfertigte dies gar nichts. Ich hatte meinen zukünftigen Ehemann betrogen, und war mir nun nicht einmal mehr so sicher, ob dies der richtige Weg für mich war. Der Weg in eine luxeriöse Welt, seitens eines angesehenen Mannes, welcher dazu noch sehr charmant war. Dieser Spanienaufenthalt brachte meine gesamte Gefühlswelt durcheinander.

In dieser Nacht bekam ich kein bisschen Schlaf. Vielleicht nickte ich gelegentlich kurzzeitig ein, doch dies nur, um Minuten darauf mit schockgeweiteten Augen erneut aufzuwachen, schweißgebadet sich ein und derselbe Traum immer wieder vor meinen Augen abspielend. Ein Traum, welcher sich kaum von der Realität zu unterscheiden schien. Das klare Vorzeigen meiner unstillbaren Qualen der Existenzfindung.

Am frühen Morgen stand ich erschöpft aus dem Bett auf, schnappte mir das Telefon, und wählte mit müden Augen und verzogenem Gesicht die Nummer meines Zukünftigen. Mir war klar, dass ich ihn aus dem Bett holen würde, doch ich wollte unbedingt seine Stimme hören. Zwar wusste ich nicht, was mich dazu trieb, mit ihm in Kontakt zu treten, doch ich schlussfolgerte, dass mein entschlossener Geist nach Antworten zu suchen schien. Antworten auf all den Mist, den ich mir hier eingebrockt hatte.

Es hupte drei mal, dann vernahm ich seine verschlafene Stimme durch den Hörer.

"Hmm.. Hallo?"

"Hey, ich bins.."

Stille.

Dann schien er sich verwirrt im Bett umzudrehen.

"Wieso rufst du so früh an? Alles okay?"

Kurzzeitig überlegte ich, ihm davon zu erzählen, dass mir Spanien gefiel, samt all den Persönlichkeiten hier, doch er würde es nicht verstehen.

"Ehm.. ja. Alles gut. Ich konnte bloß nicht schlafen."

"Hrm, okay."

Dieses Schweigen war grausam. Wir atmeten beide leise in den Hörer, er, noch halb schlafend, ich, unwissend wieso ich eigentlich angerufen hatte.

"Wann kommst du heim?", fragte er leise.

"In zwei Tagen geht mein Flug, solange meine Testergebnisse in Ordnung sind."

"Okay."

Stille. Meine linke Hand war schmerzhaft zu einer Faust geballt, die Fingernägel sich tief in mein Fleisch grabend. Ich konnte diesen Schmerz nicht länger aushalten, diese Stille, und zugleich all den Lärm.

"I-Ich..", setze ich an, dann stutzte ich, da ich ein Geräusch im Hintergrund vernahm.

"Mit wem telefonierst du?", flüsterte eine Frauenstimme leise, kaum hörbar, doch jedes Wort deutlich vernehmbar. In diesem Moment zerbrach meine Welt, und zugleich füllte es mein Herz mit Freude. Dieses Gefühl war so abnormal, dass ich es kaum zu deuten vermochte. In dem Schlafzimmer meines Verlobten befand sich eine Frau, unmittelbar in seiner Nähe, zu früher Morgenstunde. Ich wollte vor Anwiederung laut schreien, und gleichzeitig meiner garstigen eigenen Schadenfreude Auslass gewähren, da ich kaum fassen konnte, was sich soeben offenbart hatte.

"Ich muss jetzt auflegen, wir sehen uns in zwei Tagen. Pass auf dich auf, und melde dich, sobald du gelandet bist.", donnerte er mir in den Hörer entgegen.

Seine Stimme war sehr hoch und schrill, von purer Aufregung und Nervosität geprägt, fast so, als würde er annehmen, es würde mich kümmern, was sich soeben abgespielt hatte. Doch dies tat es überraschender Weise überhaupt nicht, da ich mit genau der selben Sünde belegt worden war. Dem Betrug. Doch anstatt offen mit ihm über diese seltsame Situation zu reden, kam aus mir kein vernünftiges Wort heraus. Es schien, als wäre unsere Bildung innerhalb kürzester Zeit zerstört worden, und dies durch unsere eigenen schrecklichen Taten.

"Bis dann, ich liebe dich.", log ich mit sanfter Stimme, nur um seine Reaktion abzuwarten.

Er legte auf.

Ich saß lachend im Bett, die Augen gefüllt mit Tränen, da ich nicht glauben konnte, was soeben passiert war. Meine Gefühle spielten ein einziges grausames Spiel mit mir. Von einer Minute auf die andere zerbrach meine vergangene Welt, und ich wusste nicht mehr, wer ich eigentlich war, und was ich denn wollte. Konnte ich zurück in meine vergangene Welt, und mit einem klärenden Gespräch unsere Missetaten aus der Welt schaffen? Oder war diese Beziehung unabwendbar zum Scheitern verurteilt?

Auf diesen Schock brauchte ich erst einmal einen guten Schluck Wein. Scheiß auf die Uhrzeit.

★? Danke!

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