Ich stand an einer Kreuzung, in einem viel zu dünnen Kleidchen. Ich mochte die Farbe nicht. So ein rotzgrün. Es ging mir grade mal bis zu denn Knien, nur ganz knapp. Der Stoff glänzte edel.
Meine Schritte halten laut wieder. Ich hätte wirklich mit den anderen mit fahren sollen. Es war verdammt kalt, ich betrunken und hatte natürlich meine Jacke irgendwo liegen lassen. Wäre ich bloss mit den anderen in den Wagen gestiegen. Dann läge ich jetzt in meinem Bett. Würde morgen früh mit meinen Mädels jedes Detail kichernd bereden, was in der letzten Nacht so in den einzelnen Betten geschehen war. Aber ich wollte einen auf badass machen und musste ja unbedingt diesen Kerl beeindrucken, der jetzt in diesem Moment vermutlich mit Ana oder Bella in einer dunklen Ecke sitzt und sie gegen die nächstbeste Wand fickt. Vielleicht ja mit beiden. Wäre ihnen zu zutrauen, diese kleinen falschen Freundinnen.
Alle samt. Nur Mel konnte man trauen. Meine kleine Melody. So eine liebe, teure Seele. Sie war ein paar Jahre jünger als ich und manchmal merkte man ihr ihr junges Alter sofort an, in anderen Momenten wiederum hielt man sie für die älteste aus unserer kleinen Gruppe. Sowieso war sie einfach nur schwer zu durchschauen. Nicht so, wie die anderen Barbies aus unserer Clique. Sahen alle gleich aus, taten das gleiche, fast wie billige Kopien. Zerrissen sich hinter den Rücken der anderen die Mäuler über jeden einzelnen von uns. In der einen Sekunde beste Freunde, in der nächsten drehte man sich kurz um und hörte sie laut lachen, schnattern und kreischen. Wandt man sich ihnen wieder zu, waren sie plötzlich ganz leise und lächelten dieses aufgesetzte Plastikgrinsen. Ich wusste längst nicht mehr, wie ich es mit ihnen aushielt. Und wieso überhaupt.
Ich stöckelte also die Straße entlang und versuchte, im Dunkeln etwas zu erkennen. Genau genommen wollte ich bloß den Weg erkennen, alles andere da vor meiner Nase konnte mir gerade gern gestohlen bleiben.
Da passierte es. Ich knickte um, wackelte kurz und unnötig heftig in der Luft herum und plumste dann direkt auf den Po.
Ich wollte aufstehen. Mein Knöchel schmerzte aber so sehr, dass ich es bleiben ließ. Ich seufzte einmal und wartete dann, bis meine Augen zufielen.
Meine Augen schlugen schlagartig auf. Ein Fehler. Mir wurde schwindlig und mein Kopf brummte. Dann fuhr ich geschockt hoch. Die Decke knisterte laut. Ich lag in eimem riesigen Bett. Nur wo? Und wie war ich hier her gekommen? Da hörte ich plötzlich Schritte näher kommen. Und dann stand er vor mir. Verdammt!
Ich rieb mir die Augen, dass musste ein Traum sein. Da stand gerade ein halbnackter, mega heißer Kerl, mit mir in einem Raum. Sein Oberkörper glänzte und tropfte. Allem Anschein nach kam er gerade frisch aus der Dusche. Er hatte, wie ein Model aus einer Zeitschrift, aus dem Fenster gesehen, total verträumt. Er trug lediglich eine schwarze Jeans.
Nun starrte er mich an. Nein. Durch mich hindurch. Mit diesen Augen. Nicht blau, nicht grau. So ein Mittelding, wie Eis. Mit weißen Schlieren um die Pupillen herum. Ich wollte nicht, dass er je wieder weg sah. Ich fühlte mich plötzlich so geborgen. Sein markantes Gesicht sah aus, wie das einer Skulptur. Das dunkle, wuschlige Haar tropfte noch.
Mein Blick wanderte weiter nach unten. Mein Puls raste. Jeder seiner Muskeln war klar definiert. Seine breiten Schultern, sein Sixpack, diese V-Linien. Ich kannte ihn nicht, aber ich wollte ihn. Plötzlich lächelte er und sein Gesicht sah so vertraut aus. Seine weißen Zähne blitzen. Er kam zielstrebig auf mich zu, immer näher und näher. Ich plumste zurück ins Bett, wollte ausweichen, doch er lehnte sich über mich und kniete auf einmal fast über mir. Ich war unfähig zu sprechen. Sein Gesicht kam nun sehr nahe an meines. Er biss sich auf die Lippen und starrte auf meine, dann wieder in meine Augen.