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„Noel?"

Er kam direkt vor mir stolpernd zum Stehen.
„Willst du" – heftig atmete er ein und aus, als ob er gerade einen Marathon gelaufen wäre – „Willst du mit mir einen Punsch trinken?"

Ich konnte mir kaum ein Lächeln verkneifen. „Als Entschädigung?"

„Sowas in die Art, ja"

Die Schmetterlinge in meinem Bauch explodierten wie Feuerwerksraketen, als ich glücklich zusagte:
„Also gut. Aber nur, wenn es auf dich geht."

„Natürlich geht der Punsch auf mich, ich habe dich schließlich eingeladen."

Er leitete mir den Weg durch die Menschenmasse, bis wir bei dem kleinen Punsch-Stand ankamen. Zwar konnte ich das Schild mit den Punsch Sorten nicht mehr lesen, aber ich bestellte mir einen Alkoholfreien Apfelpunsch, da ich einfach annahm, dass er so gut wie überall angeboten wurde. Noel tat es mir nach.

Ich nippte an dem heißen Getränk und sagte dann: „Machst du das öfters? Ist das eine Taktik?"

„Was meinst du?", irritiert sah er zu mir.

„Du haust bemitleidenswerte Mädchen wie mich buchstäblich zu Boden und lädts sie dann unverhohlen auf einen Drink ein?"

„Du bist nicht bemitleidenswert!"

„Das war doch gar nicht die Pointe."

„Naja... Normalerweise passiert mir das nicht bei Mädchen. Ich bin Hockeyspieler, weißt du, und da ist es normal Leute umzurempeln. Vor allem Spieler aus dem gegnerischen Team."

„Huch, ich habe hier also einen Profisportler vor mir stehen?", wackelte ich mit den Augenbrauen.

„Ich spiele mit meinem Team in der Jugend-Bundesliga", meinte er stolz und hob sein Kinn ein bisschen weiter nach oben.

„Und bist du der Torwart oder einer dieser anderen Hampelmänner?"

„Ich bin linker Außenstürmer."

„Das sagt mir genauso viel wie die ägyptischen Hydrophilen." Und nur so fürs Protokoll: ich konnte nicht einmal die Formeln im Chemie Unterricht richtig entziffern.

„Also bist du kein Hockey-Fan?"

„Äh, nein... Ich mag generell keinen Sport. Abgesehen von Denksport."

„Denksport?"

„Ich bin Profi-Schachspielerin. Letztes Jahr wurde ich Vize Jugend Landmeisterin", murmelte ich. Sonst schrie ich das nicht in die Welt hinaus, da es die Leute meistens nicht ernst nahmen, aber aus welchem Grund auch immer wollte ich es Noel erzählen.

„Oh, wow. Das cool", entgegnete er stumpf.

„Ich sehe zwar dein Gesicht nicht, aber ich weiß ganz genau, dass du es gerade so verziehst, als ob du an einem komischen Käse riechen würdest."

„Was? Ich schwöre, dass ich niemals eine Grimasse schneiden würde, wenn ich gegenüber von einer Vize Landesmeisterin stehe. Ehrenwort."

„Das hoffe ich doch für dich. Sonst hohle ich meine Königin aus der Tasche und schlage dich."

„Hast du ernsthaft eine Schachfigur mit?"

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. „Ähm... Ja."

„Echt? Wieso?"

„Es ist kompliziert. Und du würdest mich auslachen!"

„Ich bin mir sicher, dass ich dich nicht verspotten werde. Versprochen."

„Na gut, also... Es beruhigt mich irgendwie. Diese kleine Holzfigur erinnert mich stets daran, dass ich überall hin kann und ich die Königin meines Spieles bin."

„So etwas habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet."

„Jetzt hältst du mich für verrückt", seufzte ich wehmütig. Das war nämlich immer die Reaktion von den Leuten, wenn ich versuchte es ihnen zu erklären.

„Nein, eigentlich macht es dich noch interessanter, als du sowieso schon bist."

„Und was soll das heißen?"

„Dass ich unbedingt mehr über dich erfahren will, Jule."

SchlittschuhliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt