KAPITEL 1

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Flamur

»Muss ich da wirklich mit?«, fragte Flamur, wusste aber, dass jeglicher Protest bei seiner Mutter sinnlos war. Sie setzte sich in jeder Situation durch. Warum versuchte er es dann noch?

»Oh ja, wird Zeit, dass du mal an etwas anderes denkst als an deine Karriere, Flamur. Liljana kommt doch auch mit.« Abwartend stemmte seine Mutter die Hände in die Seite, weshalb der Schlüsselbund zwischen ihren Fingern klimperte. Hinter ihr im Auto saß seine Schwester auf dem Beifahrersitz und tippte auf ihrem Handy herum. Flamur verkniff sich den Kommentar, dass sie nur mitkam, weil sie sonst sicher Handyverbot bekäme.

»Jetzt komm schon. Angelika hat sogar eine Tochter, vielleicht versteht ihr euch.« Aufmunternd sah seine Mutter ihn aus dunklen braunen Augen an und hielt ihm auffordernd eine Hand hin.

Seufzend stieß Flamur sich vom Rahmen seiner Haustür ab, um seine Schuhe anzuziehen und sich seinen Hausschlüssel zu schnappen, ignorierte jedoch ihre Hand geflissentlich. Ein wenig Protest musste sein.

Valentina saß inzwischen schon wieder im Auto und wartete auf ihn. Seine kleine Schwester hatte sich nicht von der Stelle bewegt, weswegen er  sich widerwillig auf die Rückbank fallen ließ.

Eigentlich hatte er sich heute den Daten seiner Europatour, die in etwa einem Monat starten würde, widmen wollen, als seine Mutter plötzlich in der Tür gestanden hatte. Sie wollte unbedingt, dass er mit zu einer alten Freundin aus Studientagen kam, mit der sie vor einer Weile wieder Kontakt aufgenommen hatte. Die beiden hatten sich seit Jahren nicht gesehen. Warum seine Mutter dazu unbedingt ihre Kinder mitnehmen wollte, war Flamur nicht ganz schlüssig. Wo waren überhaupt seine Brüder? Sicher mussten die nicht mit, sie waren doch schon dreiundzwanzig. Aber mit zwanzig war man natürlich noch nicht alt genug, um sich den Wünschen seiner Mutter zu entziehen, oder was?, dachte Flamur sich verächtlich. Das war ja klar.

Sie waren etwa zwanzig Minuten gefahren, als sie in die Einfahrt eines Einfamilienhauses einbogen. Wenn seine Mutter und ihre Freundin doch so nah beieinander wohnten, warum hatten sie sich dann nicht schon früher getroffen?

Flamur stieg aus dem Wagen, streckte sich und schlug die Autotür zu. Seine Mutter lief schon gezielt auf die weiße Haustür zu, wohin Liljana und Flamur ihr folgten. Bereits wenige Sekunden nach Valentinas Klingeln wurde die Tür von einer mittelgroßen Frau mit glatten schulterlangen Haaren geöffnet, die seine Mutter mit einem kühlen Lächeln begrüßte. Das war dann wohl diese ...  Angela?

»Hallo Angelika. Es ist wunderbar, dich endlich mal wieder zu sehen«, strahlte Valentina. So weit hatte Flamur also doch nicht mit dem Namen daneben gelegen, Angelika klang auch fast wie Angela.

»Kommt doch alle erst einmal rein«, sagte die braunhaarige Frau höflich und öffnete die Tür noch ein Stück weiter. »Die Schuhe könnt ihr einfach zu den anderen in den Flur stellen.«

Flamur nickte abwesend und folgte ihr ins Esszimmer, in dem ein Käsekuchen neben Tellern und Besteck auf dem dunkelbraunen Nussholztisch standen. Er mochte keinen Käsekuchen. Doch seine Mutter schien so glücklich zu sein, dass er sich den Kommentar verkniff.

Liljana setzte sich neben ihn an den Tisch, dieses Mal ohne ihr Handy in der Hand. Allem Anschein nach war es ihr verboten worden.

Als Angelika ihm ein Stück Kuchen auf den Teller legen wollte, schüttelte er höflich den Kopf und schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. Seine Mutter schaute ihn säuerlich an, doch er zuckte nur mit den Schultern.

Er mochte eben einfach keinen Käsekuchen.

»Also, Angelika«, begann Valentina. »Das sind zwei meiner vier Kinder. Amino und Leonis sind schon dreiundzwanzig, da wollte ich sie nicht mehr mitschleppen. Aber das ist meine Tochter, Liljana. Sie ist die Jüngste mit ihren sechzehn Jahren.«

Moonlight - Caught in her mind [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt