17. Wie viel eine einzelne Entscheidung verändert

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Dann erhob sich der König, langsam und drohend. Und ich begann zu beten. Denn zu hoffen getraute ich mich nicht.

Ich stand stocksteif da, den Kopf leicht eingezogen. ,Was hat das jetzt nur zu bedeuten? Wird er mich in den Kerker bringen lassen? Verbannen? Vierteilen?' Seine Miene verriet nichts. Und das stieß mich in die Ungewissheit, wie in einen tiefen Abgrund. Doch nicht nur mir schien der Boden unter den Füßen entrissen worden zu sein. Weder Wachen noch Hofstab schienen sich gerade im Klaren zu sein. So beobachtet der gesamte Saal, wie der König unter Eiche und Buche Stufe um Stufe hinab zum Vorpodest des Throns stieg. Seine Mine kälter als jeder Winter, den der Wald je gesehen hatte. Mir fiel auf, das auch die Dame langsam in sich zusammen schrumpfte. Nein, sagte ich mir. Es musste mir nur so vorkommen, weil sie nun in unmittelbarer Nähe Thranduils stand. Ich übertrieb nicht. Er überragte sie nicht nur deutlich in Größe, auch ihre gesamte herrschaftliche Ausstrahlung glitt dahin im Vergleich zu ihm. Als vergleiche man ein Stück Kreide mit Silber.
Die hallenden Schritte verklangen, der blonde König des Düsterwaldes hatte die Kante des Podestes erreicht. Weiter hinab zum Gesindel würde er sich nicht erniedrigen. Und ich wusste nicht was ich tun sollte, was von mir erwartet wurde. Sollte ich auf die Knie fallen? Nie war ich in so einer Situation gewesen. Ich überlegte fieberhaft als ich dort den Boden betrachtete. Dann spürte ich seinen Blick auf meinem gesegten Kopf, es war tatsächlich als könnte er durch mich hindurchschauen als sei ich Glas. Und ich selber neigte den Kopf noch tiefer, um mit der Verbeugung meinen Respekt zu zollen oder um seinem Blick zu entrinnen. Es schien für ewige Sekunden still im Saal. "Seht auf, Mensch." Befahl er mit klarer Stimme. Ich atmete gestresst aus aber folgte dem Befehl. Kalte klare blaue Augen schauten mir ausdruckslos entgegen. Und ich konzentrierte mich auf die Wahrheit, die ich gesprochen hatte. Als könnte das den Fakt, das ich mich in Lügen langsam verstrickte verbergen. Es schien zu helfen. Das was er in meinem Gesicht suchte, schien er zu finden. Dann sah er zu einer Person hinter mir. "Gwirithel." Ich spitzte vorsichtig hinter mich. Nach dem ich jetzt einige Zeit hier verbracht hatte, war ich mir ziemlich sicher dass das ein Name gewesen war. Und tatsächlich erschien augenblicklich eine Elbin, die zuvor wie unsichtbar im Saal verweilt hatte. Und das schien auch passend, denn sie trug eines der schlichten hellen Kleider der Serviererinnen, ihre Schürze war so blütenrein, das es beinahe so schien als trage sie zum Arbeiten eine Weitere darüber. Außerdem trug sie eine silberfunkelde feingearbeite Brosche als Schmuckschließe am Kragen. Sie schimmerte im Licht des Thronsaals, als habe sie sie erst vor kurzem poliert. Was bei den feinen Windungen die die silbernen Ranken formten sicher ewig dauerte. Die Servierer die zu uns in die Küche hinabstiegen, hatte ich nie mit Schmuck gesehen. Wahrscheinlich hielt sie also eine noch höhere Position inne. Sie huschte geschickt durch die Menge, als sei es ein leichtes niemanden auch nur zu streifen, obwohl die Leute so eng standen. Sie kam bei Weitem nicht so nah wie ich oder die Küchenchefin und verneingte sich. Die Dienerin verlor nicht ein Wort. Das schien dem König gelegen, denn sein Blick war ihr gefolgt. "Weise sie in euren Tätigkeiten ein." Befahl er der brünetten Elbin. Ihr Blick schoss unwillkürlich zu mir. Ich war ebenso überrumpelt, meinte er das ernst? Der eisigen Atmosphäre im Saal nach zu urteilen waren die Dienerin und ich nicht die Einzigen, die eine ganz andere Entscheidung erwartet hatten. Der Blick, den mir die gutgekleidete Dienerin zuwarf sprach Bände. Doch sie presste nur missbilligend die Lippen zusammen. Ein Mensch als gehobene Angestellte? Unzumutbar! Doch sie verbeugte sie wieder. „Sehrwohl, Majestät." Der König hatte es so befohlen, ihre Aufgabe war das nun auszuführen, nicht die Entscheidung zu hinterfragen. Dieses Recht hatte sie nicht...

Dafür ein Anderer. Ein brünetter, sehr schlanker Elb mit feinen Gesichtszügen räusperte sich. Er trug eine bestickte grüne Robe und schien wichtig. Denn Thranduil wannte prüfend seine Aufmerksamkeit zu dem vermutlich sehr alten herrschaftlichen Elben. Eine winzige Geste des Königs befähigte den Mann zu sprechen. "Mein König, ich halte es nicht für angebracht dieses," er besah mich, von Kopf bis Fuß "Mädchen in den gehobenen Dienerstand zu erheben." Erklärte er die Unterbrechung. Dann sah er zu seinem König auf, als habe dieser kurze Satz bereits sämtliche Gedanken und Zweifel offenbart. Doch dem schien tatsächlich so, denn die Menge begann zustimmend zu murmeln. Es kam mir so vor als waberten sogar einige scharfe Kommentare zu meiner Person durch den Raum. Zumindest klang das geflüsterte Sindarin wenig freundlich. Ich bemerkte wie sogar der Prinz verstehend den Kopf wog. Und ich stand in all dem, zunehmend wirklich angespannt, zwischen all den großen adligen jahrhundertealten Elben, die sich eine Meinung von mir gebildet hatten, in den wenigen Minuten die ich nun im Thronsaal verweilte und wusste nicht wohin. Am liebsten würde ich einfach hinausschleichen, zurück in die stickige Küche, und weiter Tonnen um Tonnen Kartoffeln schälen, sogar die fettverbrannten Pfannen schrubben als sein nie etwas geschehen. Doch ich stand hier wie angewurzelt, vor dem König des Grünwaldes und musste mit ansehen wie sein Gesicht an Härte gewann, als er seine Untertanen an seiner Entscheidung zweifeln hörte.
„Genug!" beendete er das Getuschel mit Leichtigkeit. Ich zuckte zusammen, er klang gefährlich ruhig. Keiner wagte mehr einen Muskel zu rühren, selbst die Wachen standen strammer als ohnehin schon. Einige Sekunden betrachtete der König die Verstummten prüfend, wie eine Schlange eine Maus. Dann sprach er wieder. „Dieses Mädchen hat es gewagt einen Befehl zu missachten." Niemand wagte auch nur zu atmen, ich fühlte mein Herz stehen bleiben. Jetzt ist alles aus. Die Nervosität schmerzte schon in meiner Magengegend. „Und damit Leben bewahrt. In dem Wissen, das sie bestraft werden würde." sprach der Herrscher der Walde bestimmt, als ließe er nicht ein weiteres Wiederwort zu. Langsam ließ die Starre von mir ab. Mein Herz das gerade den Dienst verweigert hatte, nahm in schlagartig wieder auf. „Damit hat sie Loyalität bewiesen. Eine Geste die ich schätze. Mehr kann ich von einer meiner Bediensteten nicht verlangen." erklärte er bestimmt. Damit waren sämtliche Zweifel wie weggewischt worden. Von mir wurde anscheinend keine Antwort erwartet, also blickte ich mich um. Zurück in die verschmähenden Gesichter, doch diesmal sah ich eine gewisse Achtung in den Augen die die Meinen kreuzten. Versteckt und weit zurückgedrängt, aber sie war da. Es bescherte mir Gänsehaut wie schnell sich deren Meinung mir gegenüber geändert hatte...
Irgendetwas musste passiert sein. Das spürte ich, irgendetwas an das sich jeder einzelne im Raum erinnern konnte. Und das sie noch nicht vergeben oder vergessen hatten. Ich überlegte, ob ich je etwas in die Richtung aufgeschnappt hatte, ob Feîrion von derartigem erzählt hatte. Ich beobachtete wie Thranduil kehrt machte und langsam die Stufen zu seinem Thron hinaufstieg. Mein Blick glitt zu der Dame, die das Schauspiel mit wachsendem Missmut beobachtete. Als habe man ihr soeben erläutert sie sei gar keine Elbe sondern ein Warg in ihrem feinen Kleid. Zumindest sagten das ihre Augen, ihre zusammengebissenen Zähne, die angespannte Haltung. Der Rest versuchte krampfhaft ruhig zu bleiben. Ich stand, zu meinem unendlichen Glück, weit genug weg um sie zu riechen. Oder hielt immer wieder den Atem an um das auch zu garantieren. Dennoch war ich mir sicher, das sie jetzt gerade noch schrecklicher roch als bei unserem ersten Aufeinandertreffen.

Kein Wald ist düster genug   [Thranduil FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt