Ungesagt

Kapitel 4

Ivy;

"Wo warst du denn plötzlich gestern?", fragte mich Layla. Wir hatten uns zum Katerfrühstück bei Chris verabredet. Ich war echt froh, dass wir das so ausgemacht hatten, sonst würde ich nach der Nacht vermutlich schlafen und das war definitiv nicht sinnvoll. Lieber den Tag über müde sein und am nächsten Tag ist es vorbei, als die nächsten Tage immer noch müde zu sein.

"Ihr glaubt nicht, wen ich getroffen hab", antwortete ich mit einem Strahlen und nahm einen ersten Schluck von dem Tee. Die letzte Nacht mit Kira war definitiv eines meiner Highlights gewesen – das klang gerade definitiv etwas falsch. "Kira war mit ihren Freunden aus der Uni da und wir haben uns total verquatscht. Das war richtig witzig." Leider konnten die meisten schon während der Schulzeit nicht immer verstehen, warum Kira und ich uns so gut verstanden, beziehungsweise warum ich mit ihr immer so gerne redete.

"Ach krass", meinte Emilia nur – ich konnte nicht einordnen, ob das positiv oder negativ gemeint war. Eigentlich war es mir auch egal, was sie dachte. "Wie geht's ihr denn? Das letzte Mal haben wir sie doch bei der Ersti-Woche vom Sommersemester getroffen, oder Layla?"

"Ja, stimmt", antwortete Layla abwesend und widmete sich lieber ihrem Müsli. Wie sie gerade Müsli essen konnte, war mir schleierhaft. Nach der großen Portion Pommes und dem Eis gestern Nacht, war mir immer noch übel. Ich würde so schnell, definitiv nichts mehr essen können. "Du hast auf alle Fälle, das witzigste überhaupt verpasst", wechselte sie schnell das Thema. "Obwohl eigentlich war es traurig..."

Ich grinste. "Okay, das interessiert mich jetzt."

Emilia musste ebenfalls anfangen zu lachen. "So keine Ahnung um eins oder so, sind wir so voll auf der Tanzfläche abgegangen und dann kam da so ein Typ von hinten an und hat mich halt so angetatscht", fing Emilia an, musste aber so viel lachen, dass sie nicht mehr weiterreden konnte.

"Auf alle Fälle, wissen wir ja alle, dass Emilia seit gefühlt immer Kampfsport macht", fügte Chris hinzu ebenfalls lachend. "Und zudem ja sehr gerne hochhackige Schuhe mit spitzen Absätzen trägt. Sie erschrickt sich also und tritt dem Typen mit ihrem Absatz erst einmal auf den Schuh."

"Er schreit auf und zieht total beleidigt ab. Ich meine, es ist schrecklich, dass er sich das erstmal überhaupt gemacht hat, aber ich glaub, dass war erstmal das letzte Mal", erzählte Layla weiter. "Ich glaub, der hat jetzt ein Trauma von dem Klub und geht da nie wieder hin. Und alle haben ihn ausgelacht und Emilia gefeiert."

Ich lachte mit und die Atmosphäre war wieder etwas gelockert. Zum Glück kam das Thema auch während des gesamten Frühstücks nicht mehr auf. Auch wenn es merkwürdig war, so im Kreis von Freunden mit Luca zu sitzen. Wir waren uns bis jetzt immer wieder aus dem Weg gegangen und hatten uns gekonnt ignoriert. Leider war mir bewusst, dass es so nicht weitergehen würde.

Doch wusste ich jetzt noch weniger, wie ich mich entscheiden sollte. Das Gespräch mit ihm war noch präsent in meinem Kopf – es wirkte so aufrichtig von ihm. Auf der anderen Seite wollte ich und konnte ich ihm noch nicht verzeihen, wie er mit mir umgegangen war. Er hatte mir mein Herz gebrochen und auch nach einem Jahr tat es immer noch weh, wenn ich daran dachte. Auch wenn es das nicht mehr sollte.

Meine Gedanken wanderten zu Kira, während ich mit dem Löffel gedankenverloren in meiner Teetasse umrührte. Die Gespräche der anderen wanderten in den Hintergrund. Ich wusste natürlich, was Kira von Luca hielt, auch wenn sie es mir so Gesicht sagen würde. Sie mochte ihn nicht, zumindest nicht als meinen festen Freund. Vielleicht als Kumpel, aber definitiv nicht als mehr. Kira gab mir immer das Gefühl, dass ich nur das Beste verdient hatte und ich mich nicht mit weniger zufrieden geben sollte.

"Ivy?", holte mich die Stimme von Layla zurück in die Realität. "Wir haben dich gerade drei Mal gefragt, wann deine Vorlesungen anfangen." Ich schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken loszuwerden.