2. Tag (2)

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(Richards Sicht)

Die Tür öffnet sich. Natürlich muss es Paul sein. Okay, liegt wohl daran, dass es unser Zimmer ist. „Ich lass euch dann mal alleine. Ach und Richard, denk daran, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn was ist." Mit diesen Worten verschwindet Till aus dem Raum.

„Was meint er damit?" fragt Paul, während er sich neben mich auf das Bett setzt. „Keine Ahnung. Ich schätze, dass er es einfach so gesagt hat, weil wir schon länger nicht mehr über ernste Themen gesprochen haben." lüge ich ihn an. „Okay." Er sieht mich etwas verwirrt an. Ich glaube, er nimmt mir das nicht ab, doch er belässt es dabei.

„Sollen wir mal unsere Koffer ausräumen? Deshalb bin ich hoch gekommen und da du jetzt hier bist, könnten wir das gemeinsam machen. Dann ist es nicht ganz so langweilig." fragt Paul mich. „Klar, gerne. Hatte ich auch sowieso heute noch vor."
Wir stehen beide auf und legen unsere Koffer auf das Bett, um besser an die Sachen heranzukommen.
„Oh man, ich habe eigentlich gar keine Lust" jammert Paul. Ich muss leicht lachen. „Ich auch nicht, aber es muss ja gemacht werden, sonst werden wir in den nächsten Tagen wohl gar nichts mehr wieder finden." Während ich das sage, lege ich meine T-Shirts in den Schrank. „Ja, du hast recht, Richard."

Wir haben jetzt beide unsere Klamotten ausgeräumt. Neben meinen T-Shirts liegen meine Hosen. In dem Fach darunter Kapuzenpullover. An der Stange hängen die Jacken. Ich habe mir zur Vorsicht mal dickere und dünnere mitgenommen - man weiß ja nie wie das Wetter wird.
Paul hat die gleiche quasi Reihenfolge in seiner Schrankhälfte, was wohl daran liegt, dass ich ihm mehr oder weniger nachgemacht habe, da ich sonst nicht gewusst hätte, wie ich alles unterbringen soll. Es ist nicht gerade viel Platz zu Verfügung.
„Sollen wir dann wieder runter zu den anderen?" fragt er mich. Ich bejahe diese Frage und somit gehen wir dann nach unten.

Unten angekommen setzen wir uns nebeneinander auf die Couch, da dort noch Platz ist. Till wirft mir einen kurzen Blick zu, welchen ich nicht deuten kann.

Im Fernsehen läuft eine Reportage über ein Ereignis aus Rotenburg. Zwei Männer haben sich getroffen: Der Eine wollte gegessen werden und der Andere wollte gerne einen Menschen verspeisen. Ich kann mir vorstellen, dass sehr viele Leute das ziemlich schockiert hat. Mich persönlich eigentlich nicht wirklich, da es von beiden freiwillig ausging - keiner wurde zu etwas gezwungen. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass Kannibalismus eine gute Sache ist. Hätten es nicht beide gewollt, würde ich auch anders darüber denken.
Ich glaube, dass Till das auf eine Idee gebracht hat, da er sofort zu seinem Block und einen Stift greift und etwas aufschreibt. Er lässt den Zettel rum gehen, damit wir es lesen können.
Heute treff' ich einen Herrn
Der hat mich zum Fressen gern
Weiche Teile und auch harte
Stehen auf der Speisekarte
„Wie wäre das als Anfang?" fragt Till. „Eine Provokation - ich mag es." sage ich. Schneider stimmt mir zu, genauso wie Flake. „Dazu ein noch ein hartes Riff und es könnte gut werden." meint Paul. „Ich persönlich finde das Thema nicht so schön, aber fünf gegen eins." kommt es von Oli.

Nun ist es auch schon wieder später und wir bekommen alle Hunger. Was wir wohl heute essen? Ich schlage vor, dass wir Pommes und Dino-Nuggets, welche ebenfalls Paul haben wollte, da sie wohl schön aussehen, in den Ofen schmeißen können. Die Anderen stimmen zu und somit tun wir das, wovon wir ausgehen, dass wir es schaffen zu essen, in den Ofen. Jetzt heißt es also 20-25 Minuten warten. In der Zeit stellen wir schon mal alles, was wir brauchen, auf den Tisch. Nur die Teller kommen noch nicht rüber, da wir das Essen aus dem Ofen ja darauf tun.

Die 23 Minuten haben sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt, doch nun können wir endlich essen. Flake und Schneider bringen die gefüllten Teller zum Tisch, während wir anderen schon daran sitzen. „Guten Appetit" wünschen wir uns gegenseitig und fangen an zu essen, doch wir werden relativ schnell von Till unterbrochen. „Wir haben kein Trinken." Mit diesen Worten steht er auf, holt sechs Gläser und eine Flasche Cola. Wir bedanken uns bei ihm, schenken uns etwas ein und speisen weiter.

Heute sind Paul und Flake mit dem Spülen dran. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns jeden Tag abwechseln, aber wir machen das immer zu zweit. Gestern waren Oli und Schneider dran, dementsprechend müssen morgen Till und ich ich dran glauben.

Wir sitzen alle im Wohnzimmer, während wir noch auf Paul und Flake warten. „Und jetzt?" erkundigt sich Oli. Till schaut mich an, was mir etwas Angst macht, da ich weiß, worauf er jetzt hinaus will. „Wie wär's, wenn wir mal wieder so etwas wie Flaschendrehen spielen würden?" Alle Anwesenden finden diese Idee gut. „Bringt ihr eine leere Flasche mit?" ruft Oli. Kaum später kommen Paul und Flake mit einer Flasche ins Wohnzimmer. Schneider erklärt den Beiden noch eben, was wir vor haben. Auch sie halten dies für eine gute und unterhaltende Idee. Wenn Paul nur wüsste.

Wir setzten uns alle in einem Kreis um die Flasche herum und fangen an, sie zu drehen. Zunächst werden jedem ganz normale Aufgaben gestellt, doch dann muss Till Paul eine stellen. „Hmm, küss Richard." Bei diesen Worten bleibt mir wahrhaftig das Herz stehen. Paul zögert keine Sekunde und dreht sich zu mir. Er schaut mir tief in die Augen und kommt mir langsam immer und immer ein Stückchen näher, bis seine Lippen auf meinen liegen. Es ist natürlich kein besonders langer Kuss, aber dafür ist er wunderschön. Es explodiert quasi alles in mir. Mir schlägt das Herz bis zum Hals und in meinem Bauch kribbelt es wie nie zuvor. Ich wünschte, ich hätte die Zeit anhalten können, doch leider geht das nicht.
Das war der endgültige Beweis: Paul ist für mich mehr als nur ein Freund. Nun kann ich es nicht weiter leugnen.
„Niedlich" kommt es noch von Schneider, was ich ehrlich gesagt gar nicht richtig realisiere.

Wir spielen noch etwas weiter, doch nicht mehr zu lange, da wir morgen etwas unternehmen wollen. Was genau wissen wir noch nicht. Darauf einigen wir uns dann morgen.

Paul und ich liegen nun gemeinsam, unter der einen Decke, im Bett. Er wollte unbedingt, dass ich meinen Arm um ihn lege - warum weiß ich nicht, aber natürlich habe ich es getan. Paul liegt auch mit seinem Kopf auf meiner Brust. Vielleicht hat ihn der Kuss auch mehr bedeutet? Nein! Ich sollte aufhören, mir sowas einzureden. Damit mache ich alles nur noch schmerzvoller. Wahrscheinlich findet er es einfach bequem. Das ist es tatsächlich auch für mich, aber davon abgesehen, fühlt es sich generell toll an, seine Nähe zu spüren. Wie gerne ich ihn jetzt wieder küssen würde. Ich kann an nichts anderes denken, obwohl diese Gedankengänge mich zerreißen.
Nach einer kurzen Zeit des Nachdenkens schlafe ich mit Paul in meinem Arm ein.

In der Nacht

Ich sehe Paul und mich, wie wir am streiten sind. Ich habe ihm meine Liebe gestanden, wofür er mich jetzt hasst. Er verpasst mir eine Ohrfeige und beschimpft mich als widerlich. Er macht mir die ganze Zeit weiß, was für ein ekelhafter Mensch ich bin und, dass er mit sowas nichts zu tun haben will.
Plötzlich sehe ich nur Dunkelheit. Ich habe meine Augen geöffnet und muss feststellen, dass dies wieder einer meiner Alpträume war. Zum Glück bin ich wach geworden, da es echt furchtbar war, aber der Grund, weshalb ich wach geworden bin, ist nicht so schön. Das Geräusch ist wieder über uns. Es macht mir so eine Angst, das kann sich keiner vorstellen. Was ist bitte da oben los?
Ich versuche erneut einzuschlafen, doch es gelingt mir erst nach ca. einer Stunde. Dann bin ich endlich wieder im Land der, diesmal hoffentlich guten, Träume.

Die Reise [Paulchard / Rammstein]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt