Ein leises Rascheln weckt mich aus meinen wirren Träumen. Ich blinzele kurz und entdecke Alex. "Guten Morgen", flüstert er fast unhörbar. Sein Gesicht scheint mir so schön, dass ich automatisch lächele. Er lächelt zurück. Ich muss daran denken, was Alicia gesagt hat. 'Alex hat mich angerufen, nachdem er dich ins Krankenhaus gebracht hatte' Ich schaue ihn erwartungsvoll an. Er soll zuerst was sagen. Doch er starrt mich nur aus seinen dunklen Augen an. Und ich starre zurück, so stur wie ich bin. Für einen Moment hatte ich alles vergessen, aus meinem Gedächtnis gelöscht. Doch jetzt fällt mir alles wieder ein. Wie auf Knopfdruck verfinstert sich mein Gesicht. Frankie hat Lessie berührt. Ohne zu überlegen setze ich mich auf. Auf Alex' fluchen und die Fragen höre ich nicht, ich muss zu Lessie. Stolpernd steige ich aus dem Bett und will ins Bad, doch Alex hält mich fest am Arm fest. "Was soll das?", faucht er mich an. "Lass los!", kreische ich. Er soll mich nicht aufhalten. Ich rüttele mich, doch sein Griff ist stark und fest. "Ellie, dir geht's nicht gut. Leg dich hin.", sagt er mit einer unfassbar ruhigen Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagt. "Mir geht's gut, wirklich. Lass mich jetzt los.", versuche ich es nochmal. Jetzt sehe ich ihn an. Seine brennenden Augen bohren sich in meine hinein. Ich habe das Gefühl, er wird gleich ausrasten, mich anschreien oder sogar schlagen, doch er lässt nur meinen Arm los und sieht mich an. Wie paralysiert stapfe ich ins Bad.
30 Minuten später habe ich geduscht und mich angezogen. Als ich aus dem Bad hinausging, war Alex nicht mehr da. Also nehme ich meine Tasche, die mir wahrscheinlich Alicia gestern mitgebracht hat, und begebe mich zum Empfang. Nach einer ewigen Diskussion über meinen Gesundheitszustand und einer Reihe Entlassungspapiere laufe ich erschöpft zum Ausgang. Mittlerweile ist es Stockdunkel. Scheiße, ich hab' jegliches Zeitgefühl vergessen. Welcher Tag war heute nochmal? Leise laufe ich weiter über den Parkplatz, bis ich irgendwann Alex sehe. Angelehnt an einem Auto und eine Zigarette rauchend sieht er mich an. Ich bewege mich kein Stück. "Steig ein", sagt er, und obwohl er so weit weg ist, kann ich ihn doch deutlich hören. Zitternd hebe ich ein Bein nach dem anderen. Vor seinem Auto öffnet er mir die Beifahrertür. "Alex.." "Steig ein!", sagt er, so drohend, dass ich kurz erstarre. Lautlos setze ich mich in den angenehmen Ledersitz. Er schließt die Tür und läuft um das Auto, um auf der anderen Seite einzusteigen. Als er auch schließlich seine Tür geschlossen hat, zieht er noch ein letztes mal an seiner Kippe, öffnet das Fenster einen kleinen Spalt und wirft sie raus. Dann schließt er es und Atmet hörbar aus. Ich sehe ihn an, er jedoch nicht mich. "Also,", fängt er an, "warum wolltest du so unbedingt weg?" Ich schlucke. Ich will immer noch so unbedingt weg. "Ich.. ähm.." Alex sieht mir jetzt direkt in die Augen und ich bekomme sofort eine Gänsehaut. "Ich muss.." "WAS?", schreit mich Alex an. Ich beiße mir auf die Lippe. Die Vorstellung daran, was wohl Lessie gerade durchmachen muss, lässt mich verschwommen sehen. "Hey.." Alex' Stimme wirkt auf einmal so sanft und ruhig, so tröstend, dass ich noch mehr weinen muss. Er sieht mich verzweifelt an, steigt aber aus und im nächsten Moment ist er so nah an meinem Gesicht, dass wir die gleiche Luft atmen. Alex nimmt mein Gesicht in seine Hände und sieht mich an. Ich versuche verzweifelt, dem schluchzen ein Ende zu geben, doch vergeblich. Plötzlich spüre ich Lippen. Lippen, die meine berühren. Alex küsst mich! Nach einer Weile löst er sich von mir und sieht mir in die Augen. Ich höre ein erleichtertes Seufzen seinerseits, doch ich kann nicht anders, als ihn anzusehen. Und auf die Lippen, die einen Herzschlag zuvor meine berührten. Leicht lächelnd beuge ich mich erneut zu ihm rüber und küsse ihn. Einmal, zweimal. Beim dritten mal löst er sich erneut. Ich sehe ihn an, sehe auf seinem Mund ein lächeln und ich lächele auch. "Was wolltest du sagen?", flüstert er. Sein Atem mischt sich mit meinem. Ich beiße mir auf die Lippe. Ich kann es ihm nicht sagen, nicht jetzt. "Nichts, wie spät ist es?" "Kurz nach zwölf." Ich reiße die Augen auf, wobei Alex wieder lächeln muss. "Und welcher Tag?" "Sonntag."
Die fahrt war definitiv zu kurz! Lieber würde ich Jahrelang mit Alex ein Auto teilen als jetzt verzweifelt nach meinem Zimmer zu suchen. Ich laufe durch die düstere Schule. Jeder schläft schon, nur ich laufe wie eine irre durch die Gänge. Links, Rechts. 212, 213. Geradeaus, ah, ein Stuhl! 100, 101. Rechts und wieder rechts. Nach einer Ewigkeit steigt Panik in mir auf. Was wenn ich mein Zimmer nicht mehr finde? Was war nochmal mein Zimmer? Grün war es. Ein Himmelbett, darin unzählige Kuscheltiere. Auf der Tür stand in grünen Buchstaben "ELISABETH" Aber hier ist weit und breit keine Tür mit grünen Buchstaben, nur viele, dunkle Gänge mit Zahlen. Ich laufe an einem Schild vorbei, auf dem 'NORD' draufsteht und lande erneut in einem seltsamen Gang. "Ellie?" Ich drehe mich um. Ich sehe eine weibliche Person. Sie hat engelsblonde Locken, ein strahlendes Lächeln und wunderschöne, sanfte Lippen. Ich atme laut und erleichtert auf. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Alicia!
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Wo die dunkelheit ist
RomanceDas West Missey College hat Ellie angenommen, also zieht sie dort hin. Obwohl ihr viel an ihrer Familie liegt, entscheidet sie sich zu studieren. Dort lernt sie Alicia kennen und auch ihren Zwillingsbruder Alex. Doch schon in den ersten paar Tagen l...