Kapitel 2

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Ein sanftes rütteln weckt mich auf und ich spüre Sonnenstrahlen, die mir ins Gesicht strahlen. "Guten Morgen!", begrüßt mich Alicia. "Morgen", sage ich erschöpft. "Ich hab' schon geduscht. Du bist dran. Deinen Stundenplan habe ich dir auch schon geholt. Liegt auf dem Tisch. Ich muss los. Laut deinem Stundenplan fängt dein Unterricht in knapp einer Stunde an. Tschüss", erklärt sie mir. "Danke!", rufe ich ihr nach. Nach einer halben Stunde bin ich frisch geduscht und angezogen. Ich nehme mir meinen Stundenplan und verlasse Zimmer 324. Laut Stundenplan muss ich ins westliche Abteil gehen und dort in Raum Nummer 50 meinen Chemiekurs betreten. Aber wo zum Teufel ist der westliche Abteil und wo ist Raum 50? "Kannst du nicht aufpassen?", schreit mich plötzlich jemand an. "Sorry", sage ich fast unhörbar und laufe mit Blick auf dem Boden an Mister-ich-bin-einfach-mal-unfreundlich-zu-verwirrten-Neulingen vorbei. Der Tag fängt ja schon mal gut an. Also, dann suche ich mal Raum 50. Ich laufe den Gang entlang. 355, 356, 357, 358. Warte, falsche Richtung. Abrupt drehe ich mich um und halte meinen Blick an den Raum-nummern. Die Gänge werden immer leerer und ich immer nervöser. Ich darf nicht an meinem ersten Schultag zu spät kommen. 299, 298, 30. Was? Plötzlich stoße ich gegen etwas hartes. Ich brauche eine Weile, bis ich verstehe das, dieses etwas hartes ein harter Oberkörper ist und ich sofort ein paar Schritte zurückweiche. Der Junge ist etwas Älter als ich, hat perfekt geschnittene, braune Haare und den härtesten Oberkörper den ich je gesehen oder gespürt habe. "Zweimal am Tag. Du machst dir einen schlechten Ruf, kleine.", grinst er mich an. "Sorry", murmele ich. "Wie heißt du?", Jetzt sehe ich in seine Augen. Sie sind atemberaubend. Braun, aber sie brennen wie Feuer. "Kannst du mir Raum 50 zeigen?", frage ich und überspiele seine Frage. Ich bin total nervös und im Gang ist, außer mir und diesem Jungen, kein Mensch. "Wenn du mir deinen Namen verrätst.", sagt er schlicht, mit seiner Rauen, dunklen Stimme, die mich stark zum erzittern bringt. "Ellie", hauche ich leise, weil ich kaum noch Luft zum Atmen bekomme. "Folg' mir.", fordert er mich auf und kurz danach höre ich die Klingel, die den Stunden-beginn ansagen sollte. Scheiße. 

"Sorry, Sir", sage ich schüchtern als ich den Raum betrete, zu dem mich dieser braunhaarige Junge geführt hat. "Sie sind dann wohl Elisabeth?", fragt mich der Lehrer, während er mit seiner Brille fummelt. "Ja.", bestätige ich ihm lächelnd und er sagt, ich solle mir einen Platz aussuchen und mich setzen. Leise setze ich mich an den hintersten Tisch, neben zwei andere Mädchen. Sie lächeln mich warm an, wenden sich aber dann wieder dem Lehrer zu. Ich folge ihrem Beispiel. Nachdem sich der Lehrer als Mr Hardrew vorgestellt hat, fängt er mit seinem Unterricht an. Hin und wieder fragt er Schüler ein paar Fragen, möchte ihren Wissensstand testen. Mich fragt er auch ein paar mal und ich gebe ihm antworten. Er beschuldigt keinen, wenn jemand falsch antwortet. Er belohnt keinen, wenn jemand richtig antwortet. Mr Hardrew stellt seine Fragen, wartet auf seine Antwort, lächelt, kritzelt auf seinen Block und Unterrichtet weiter. Nach einem langen, anstrengenden Schultag, stürme ich aus Raum Nummer 98, den ich nur mit Mühe und einer erneuten Verspätung gefunden habe. Ich seufze laut, als ich merke, dass ich schon wieder in diesen Jungen mit den brennenden Augen gerannt bin. "Ellie!", ruft er, mit einem erfreuten Blick. "Schön dich wieder zusehen", lacht er, aber es ist unüberhörbar, wie sarkastisch er das meint. Ich schließe meine Augen, atme tief ein und aus und sage wieder leise "Sorry" Schnell laufe ich an ihm vorbei und sehe Alicia auf mich zulaufen. "Alicia!", rufe ich trotzdem noch, damit ich sicher bin, dass sie mich auch wirklich sieht. Sie rennt jetzt schneller und kommt außer Puste bei mir an. "Hey", keucht sie. "Hey", sage ich und lächele sie warm an. Mit einem knallroten Kopf steht sie vor mir und atmet immer noch tief ein und aus. Ihre roten Bäckchen glühen und ich muss sofort grinsen. "Bist du grade einen Marathon gelaufen?", frage ich, nachdem sie sich etwas erholt hat. Sie sagt nichts, aber lacht dafür aus vollstem Herzen und ich lache mit. Ich laufe dabei ein paar Schritte rückwarts, bis ich gegen etwas hartes stoße, und höre sofort auf zu lachen. Hinter mir greifen mich zwei Hände an meinen Schultern und drücken mich nach vorne, doch ich drehe mich um. Braunauge. "Hi Alex!", höre ich Alicias Stimme hinter mir, doch mein Blick bleibt an den Augen von dem Typen, der mich zu Raum 50 geführt hat. "Hi", schnaubt er, aber sieht dabei mich an. "Gut, dass ich euch hier sehe. Ich hatte vor Ellie mit zum Mittagessen zu nehmen, mit uns meine ich, Alex. Hättest du was dagegen?" unterbricht Alicia unseren Blickkontakt. Er sieht zu ihr rüber, an mir vorbei, und sagt ruhig "Nein, sie kann mitkommen." 

Alicia und Alex führen mich in ein nobles Restaurant, wo wir uns hinsetzen. "Ihr esst hier immer?", frage ich völlig schockiert. Schließlich bin ich alleine in Missey, habe noch keinen Nebenjob und bekomme deshalb immer noch von Dad das Geld zugeschickt, und ich habe keine Ahnung, ob mir nicht irgendwann das Geld ausgeht, für dieses Restaurant. "Jap.", antwortet Alicia munter. "Hier gibt es das beste Essen", erklärt Alex. "Mum ist hier die Chefköchin, Ellie", ergänzt Alicia und lächelt mich warm an. Ich sitze neben ihr und Alex uns gegenüber. Wir bestellen uns unsere Menüs und essen auf. Ich und Alicia tauschen uns über alles mögliche aus, während Alex einfach nur still sein Essen isst, hin und wieder die Leute ansieht, oder ab und zu mal Alicia blöde Kommentare gibt, wie zum Beispiel, warum sie schon wieder eine 3 im Zeugnis hatte, oder warum sie nicht endlich mal aufhören könnte, so knappe Röcke anzuziehen, das würde doch alle Jungs der Schule steif machen. Alicia lächelt nur und neckt ihn dann mit Sprüchen wie 'Macht dich das auch steif, oder was', oder 'Warum musstest du letztens eine Unterschrift fälschen, oder sind deine Noten doch nicht so gut, wie du immer behauptest'.  Nachdem wir alle gegessen haben, bringt der Kellner die Rechnung, doch bevor ich zu meinem Portmonee greifen kann, hat Alex schon bezahlt und wirft mir einen warnenden Blick zu. Oh-kay. Wir begeben uns wieder Richtung Schule, die vom Restaurant nicht weit entfernt ist.

In meinem Zimmer werfe ich mich in mein Bett. Alicia folgt mir und stöhnt laut auf. "Du, Ellie?", fragt sie mich nach einer Weile. "Ja?", frage ich. "Ich weiss, die Vorstellung davon, den ganzen Tag im Bett zu liegen ist gar nicht so schlecht, aber ich hab Alex versprochen etwas mehr zu lernen. Hilfst du mir?", fleht sie mich an. Natürlich willige ich ein, und wir verbringen den ganzen Tag auf dem Campus. Ich frage sie Vokabeln aus und verbessere sie, wenn sie etwas falsch ausspricht. Wir wiederholen einige andere Sachen bis wir schließlich zu erschöpft sind, um noch zu denken. Ich schaue auf die Uhr. Kurz vor fünf aber der Himmel zeigt schon ein paar Sterne. "Ist Alex dein Bruder?", frage ich plötzlich, weil diese Frage mich schon vor Neugier aufzufressen droht. "Mhh", sagt sie leicht stöhnend. "Zwillingsbruder.", fügt sie hinzu. "WAS?" Ich reiße die Augen auf. Alicia hat wunderschöne, blonde Locken und Alex hat dunkle, braune Haare. Das einzige was die beiden gemeinsam haben, sind ihre braunen Augen, obwohl Alicias schon eher karamell sind, und Alex' hingegen undurchdringlich, rotbraun. "Ich schwöre es dir, Alex ist mein Zwillingsbruder.", sagt sie und hält beide Hände hoch, als würde sie sich vor mir ergeben. Ich lache und sie stimmt mit ein. Unser lachen erstirbt, als wir plötzlich ein leises Rascheln hören.

Wo die dunkelheit istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt