vermissen

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Die folgenden Tage fühlten sich für Draco wie eine Qual an. In der Nacht lag er wach da. Vor seinen Augen flackerten immer wieder die Bilder von Harry und Weaslette auf. Am Tag fühlte er sich ausgelaugt. Er fühlte sich überfordert mit der Situation und es schien, als würde er in ein immer tiefer werdendes Loch rutschen. In der Großen Halle rührte er kaum sein Essen an, stattdessen konsumierte er Kaffee in Massen, um sich wach zu halten.  Draco plagte Schüttelfrost. Er sehnte sich nach Harrys Wärme. Doch stattdessen fühlte er sich allein.

Draco erinnerte sich daran, wie Harry ihn konfrontieren wollte. Als er nach der Nacht bei Pansy ihn den kompletten Tag ignoriert hatte, ergriff Harry den Augenblick als die beiden abends allein im Schlafsaal gewesen waren. Draco lag bereits in seinem Bett und hatte die Vorhänge zugezogen, als Harry diesen leicht zur Seite schob. Er wollte sich gerade zu ihm unter die Decke legen als Draco ihm trocken "Lass mich in Ruhe" zu zischte. Harry war einen Moment zurückgezuckt, doch hatte dann versucht Draco zu beruhigen, indem er ihm über den Arm streichelte. "Fass mich nicht an Potter!" - "aber Dray" - "nenn mich nicht so". Draco spürte wie Harry sich neben ihn auf die Matratze setzte. "Warum gehst du mir aus dem Weg?" flüsterte Harry. Seine Worte zerrissen Draco fast das Herz. Doch er war nicht von Mitleid oder Traurigkeit gesteuert. Nein, Wut kochte in ihm. "Als würdest du das nicht selbst am besten wissen! Lass mich in Ruhe Potter!". Harry war aufgestanden, hatte den Vorhang wieder zugezogen und seitdem nicht mehr mit ihm geredet.

Drei Tage war das nun her. Vier Tage waren seit dem Kuss vergangen. Draco mied jeglichen Augenkontakt. Er mied mit ihm allein in einem Raum zu sein. Gestern hatte Blaise gesagt, dass es so nicht weiter gehen könne. Er meinte, Draco müsse einen Schlussstrich ziehen. Er schien sich mit Pansy über Draco ausgetauscht zu haben, denn noch am selben Tag hatte sie ihn in den Krankenflügel gesteckt. Hier saß er nun wieder auf einen der alten Holzstühle. Pomfrey hatte Schlafmangel, Erschöpfung und Unterernährung diagnostiziert. Doch verschrieben hatte sie ihm etwas anderes. Jemanden. Und dieser Jemand würde sich nun mit ihm treffen.

Kurz nachdem die große Turmuhr 16 Uhr verkündete, erschein ein schlanker großer Mann im Kaminfeuer. Er klopfte sich schnell ein wenig Ruß vom Anzug und ging dann mit einem leichten Lächeln auf Draco zu. "Guten Tag Draco, ich bin Mr. McPartlin". Draco nickte ihm zur Begrüßung. Er hatte einen starken Geordie Akzent, doch kam Draco sofort sympathisch vor. Sie setzten sich in eine ruhige Ecke, wo sie sich ungestört unterhalten konnten. Dracos Psychologe stellte sich selbst kurz vor, bevor er Draco das Reden überließ. Madam Pomfrey hatte gemeint, dass es Draco sicher guttun würde, seine Probleme, Sorgen und Ängste jemanden zu erzählen.

Am Anfang fiel es ihm schwer, sich ihm anzuvertrauen, doch nach einiger Zeit redete er sich den Leib von der Seele. Draco reflektierte seine Kindheit, die frühere Rivalität zu Harry und den Krieg. All der Druck, der auf ihn gelegen hatte. Er erzählte ihm von seinen früheren Angstzuständen und wie frei er sich im Sommer gefühlt hatte. Irgendwann kamen sie schließlich auf Harry zu sprechen und auch wenn Mr. McPartlin mit diesem ersten Gespräch nicht alle Probleme lösen konnte, fühlte sich Draco deutlich besser, als er nach über 5 Stunden den Krankenflügel verließ. Er freute sich bereits auf sein nächstes Gespräch. Er hatte bemerkt, wie gut es tat, einmal alle Gedanken auszuschütten. Jemand hörte ihm andächtig zu und war bedacht, ihm bei seiner Problemlösung zu helfen. Das Chaos der letzten Tage, Wochen, im Grunde der letzten Jahre zu ordnen.

Als Draco in seinem Schlafsaal eintraf war es bereits ruhig und die anderen waren kurz vor dem Einschlafen, weshalb er sich schnell hinter den Vorhängen in seinem Bett verkroch. Überrascht fand er einen Umschlag auf seinem Kissen vor. Vorsichtig nahm er das dicke hellbraune Pergament in die Hand und entfaltete es. In schwarzer Tinte hatte jemand einige Zeile niedergeschrieben. Draco erkannte die Schrift sofort und ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Er richtete die Spitze seines leuchtenden Zauberstabs dichter ans Papier und begann zu lesen.

"Lieber Draco, ich hoffe dir geht es gut mein Liebling. Ich habe dir leider schlechte Nachrichten zu übermitteln. Deine Tante ist heute früh von uns gegangen. Die Heiler sagen, dass es wohl ein Herzinfarkt gewesen sein musste. Sie wurde erst am späten Nachmittag von einem spazierenden Pärchen im Vorgarten gefunden. Teddy ist gerade bei mir. Ich weiß nicht, wer in Zukunft für ihn sorgen wird. Ich bin so aufgewühlt, ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Sie war doch noch jung. Ich schreibe dir sofort, nachdem ich die Nachricht bekommen habe. Die Beerdigung wird sicher wie üblich in drei Tagen stattfinden. Dann sehen wir uns wieder mein Engel. Mach dir nicht zu viele Gedanken um mich. Bestell Harry Liebe Grüße. Ich liebe dich."

Draco versuchte den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte hinunterzuschlucken. Gerade eben hatte er sich wieder wohler gefühlt und nun rauschten erneut tausende Gedanken durch seinen Kopf. Seine Tante war gestorben, gerade jetzt wo seine Mum und sie sich wieder so gut verstanden. Er hatte sie gemocht. Er liebte das kleine Häuschen an der Küste. Der Geruch von Meersalz in der Luft. Die bunten Blumen. Der gelbe Zaun. Der duftende Kuchen in der Küche. Ihr fröhliches Lachen, trotz alledem was sie hinter sich hatte. Nach all dem, was der Krieg ihr genommen hatte. Draco hatte sie dafür bewundert. Draco dachte an den kleinen Teddy, der auf ihrem Schloss saß oder vor sich hin brabbelte. Bei seiner Mum war er gut aufgehoben, auch wenn sein Vater sich nicht sonderlich freuen würde. Aber war das ein Dauerzustand? Wer würde nun das Sorgerecht bekommen? Fiel es vielleicht sogar an Harry, er war schließlich Patenonkel, doch er ging auch noch zur Schule.

Und schon waren seine Gedanken wieder bei ihm. Wollte Draco wirklich Teddy bei Harry aufwachsen sehen und nicht bei ihm und seiner Mum? Vor seinen Augen tauchte ein Bild von Harry und Ginevra auf, in ihrer Mitte der kleine Junge. Draco stellte sich vor, wie schön es gewesen wäre, an ihrer Stelle zu sein. Hier war er nun wieder, lag in seinem Bett und vermisste Harry. Er war entsetzt, wie sehr man jemanden vermissen konnte, obwohl dieser nur wenige Meter weiter lag. Draco vermisste Harry. Er dachte daran, wie seine Mutter schrieb, dass er ihm liebe Grüße ausrichten solle. Draco vermisste Harry. Er sehnte sich nach den sanften Berührungen. Er sehnte sich nach seinem sorglosen Lachen und den kindischen Scherzen. Die Fürsorge, Küsse und Momente die die Zeit anhielten. Mr. McPartlin und Blaise hatten ihm beide geraten, loszulassen. Sie sagten, er solle loslassen, es würde nicht mehr so werden, wie es einmal war. Doch er dachte an ihn. Er wollte nicht loslassen. Er dachte an alte Zeiten. Er träumte von den grünen Augen die ihn anstrahlten. Wie sie zu zweit im Blumengarten des kleinen Cottage mit Teddy im Rasen lagen. Wie schön alles für einen Moment schien.

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Hey lass mir doch gern dein Feedback da :)

Ich höre ja immer beim schreiben jedes Kapitels ein einziges Lied auf Dauerschleife und pack es dann hier oben rein und dieses Mal war es das erste Mal ein deutsches Lied. Ich hab mich bis jetzt immer gescheut, weil ich es schwer finde, etwas passendes zu finden, dass die Stimmung gut widerspiegelt, doch hier passt das wie die Faust aufs Auge. Außerdem ist der Song auch einfach ein Meistermerk.
Hörst Du lieber deutsche oder anderssprachige Musik? Irgendwelche guten Tipps die mir gefallen könnten?

Grün und Rot - Drarry FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt