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Du bist im Recht; nun sieh zu, wie du da wieder heraus kommst. 

Adelbert von Chamisso

Es war mühsam, weiterhin entspannt und unbeschwert zu wirken

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Es war mühsam, weiterhin entspannt und unbeschwert zu wirken. Zumindest seitdem Johanna klar geworden war, dass Felix nicht mehr kommen würde. Wieder einmal.

»Was wollen wir denn als nächstes spielen?«, fragte Ariane, während sie die Spielmaterialien von Broom Service einräumte.

»Was ihr wollt.« Luca streckte sich, bevor er aufstand und in die Küche ging. »Möchtet ihr noch etwas trinken?«

»Gerne«, antwortete Johanna. Ariane beschränkte sich darauf, ihm ihr Glas zu reichen. Glücklicherweise waren die beiden zu verliebt um zu merken, wie es Johanna ging.

Doch wie ging es ihr überhaupt? Eigentlich hätte sie traurig sein müssen. Früher einmal hatten sie gemeinsam schöne Abende verbracht. Egal ob sie eine Bar oder jemandem besucht hatten, Felix war immer an ihrer Seite gewesen. Die Veränderung ihres Alltags war langsam eingetreten. Stück für Stück, nachdem er die Praxis seines Onkels übernommen hatte. Plötzlich ging es um Fälle, Termine und Karriere. Für sie war einfach kein Platz mehr.

Und das machte sie wütend. Sehr wütend

Luca stellte ein Glas Rotwein neben sie, dann holte er ein weiteres Brettspiel aus dem Regal. Russian Railroads.

»Glaubst du, Felix kommt noch?«, fragte Ariane.

Johannas Lächeln fühlte sich für sie falsch und unaufrichtig an. »Ich denke, es wird ihm etwas dazwischen gekommen sein.«

»Schade.« Luca baute den Spielplan auf und verteilte die Figuren. »Naja, sein Verlust.«

Der Rotwein war staubtrocken. Ein Fachmann hätte bestimmt etwas über den Abgang oder eine Blume sagen können, doch sie kannte sich zu wenig aus. Egal, er schmeckte. Johanna setzte zwei ihrer Arbeiter auf die schwarzen Gleise und begann das neue Spiel..

Mit einem entschuldigenden Lächeln kaufte Luca die ausliegende Ingenieurskarte. Ariane funkelte ihn an, dann hob sie ihr Glas von der massiven Holzplatte und prostete ihm zu. »Guter Zug, Cowboy.«

»Man kann ja nicht immer nur Glück haben, hm?«, neckte er seine Freundin.

Durch das Dachfenster fiel konnte Johanna den Mond sehen. Das kleine Häuschen, in dem Ariane wohnte, hatte einen gemütlichen und irgendwie auch altmodischen Charme. Auf dem Kaminsims standen ein paar Bildern von Kleeblättern und in den Regalen tummelten sich Bücher und Brettspiele. Für Ariane die Bücher und für Luca die Spiele.

Offensichtlich plante Ariane in Richtung der weißen Gleise. Doch es war nicht der sicherste Weg.

Johanna war die Strecke nach Wladiwostok noch nie geheuer gewesen, sie zog St. Petersburg vor. Felix setzte immer auf die Industriemarker, aber diesmal standen ihr seine Figuren nicht im Weg.

Luca schob eine Schale mit gewürzten Nüssen zur Seite und studierte den Spielplan, bevor er seinen Zug durchführte.

»Und, hattest du einen interessanten Fall?«, fragte Ariane.

Natürlich hielt sich Johanna mit detaillierten Informationen zurück, aber normalerweise konnte sie immer mit ein paar skurrilen Details aufwarten. Ein Mann, der bei einer Verkehrskontrolle sein Fahrrad durch die Gegend warf. Eine Unfallverursacherin, deren Katze während der Fahrt auf ihrem Schoß gesessen hatte. Ein Verkehrskontrolle, bei der zwölf Erwachsene in einem normalen Auto festgestellt wurden. Aber heute fiel ihr tatsächlich nicht eine erwähnenswerte Situation ein.

Johanna zuckte mit den Schultern. »Nur die üblichen Verkehrsdelikte. Eigentlich war es ziemlich ruhig.« Diesmal war es Johanna, die den Ingenieur ergattern konnte.

»Richterin müsste man sein«, lachte Luca. »Ich muss mich an der Uni immer mit schwierigen Fällen herumschlagen.«

Ariane boxte ihn in die Seite. »Soso, schwierige Fälle, hm?«

Luca hob die Arme. »Ich habe ein Faible für schwierige Fälle.«

Es war eine andere Dynamik zwischen ihnen. Normalerweise dominierte Felix Strategie das Spielfeld. Es war nicht so, dass sie schlechtere Spieler waren, aber er schien immer voraus sehen zu können, was ihre Pläne waren und konnte sich damit gut aus Engpässen manövrieren. Dieses Spiel war ausgeglichener.

»Ich hatte tatsächlich letztens etwas interessantes erlebt. Als bei einem Termin oben am Kamin stand, fuhr unten eine Kolonne mit super vielen schwarzen Autosvorbei. Ihr wisst schon, zivile Streifenwagen. Viel Blaulicht. Und ratet mal, wer ausgestiegen ist?«

Luca beugte sich vor und griff nach den Nüssen. »Na, sag schon.«

»Na, wer ist gerade in Hannover, hm?« Mit einem breiten Grinsen verschränkte Ariane die Arme hinter ihrem Kopf.

»Verarsch mich nicht«, stöhnte Johanna. »Du hast echt Barack Obama gesehen?«

Mit einem süffisanten Grinsen setzte Ariane ihre Figuren. »Unterschätzt niemals das Glück der Schornsteinfeger, ihr Süßen.«

Die letzte Runde begann. Johanna runzelte die Stirn. Wenn sie sich den Ingenieur schnappen könnte und noch drei schwarze Gleise bekäme, hätte sie alles geschafft, was möglich wäre.

Ein weitere Schluck Rotwein entspannte sie. Sie zog und es war schon vor dem Zusammenrechnen der Punkte klar, dass Johanna gewonnen hatte. Ein Sieg, der sie jedoch nicht glücklicher Stimmte.

Mit einem Gähnen machte Johanna deutlich, dass der Abend für sie zu Ende ging. Sie verabschiedeten sich voneinander, dann machte sie sich auf den Weg.

Die Nacht war klar, so dass die Sterne zu sehen waren. Anstatt sich ein Taxi zu rufen, entschied sich Johanna für einen Fußweg. Es war nicht so weit und die klare Luft half ihr beim Denken.

Sie hatte einen Punkt erreicht, an dem sie sich eingestehen musste, dass ihr Leben nicht so verlief, wie sie es sich vorgestellt hatte. Wenn Felix zum Fremdgehen neigen würde, wäre es irgendwie leichter gewesen. Dann hätte sie ihn längst vor die Tür gesetzt. Doch so konkurrierte sie mit einer Praxis.

Ein Auto hupte, als es an ihr vorbeifuhr. Der Kerl am Steuer warf ihr eine Kusshand zu und Johanna warf ihre dunklen Locken zurück und ignorierte ihn.

Kurz bevor sie die Wohnung erreichte, die sie mit Felix teilte, fing es an zu regnen. Johanna beschleunigte ihre Schritte und joggte auf die Eingangstür zu. Wenn ihre Haare nass wurden, kräuselten sie sich und sie hatte jetzt keine Lust aufs Föhnen.

Der Flur war dunkel, als sie ihn betrat. Von Felix keine Spur. Sie würde jede Wette eingehen, dass er noch im Büro saß und über irgendeinem Fall brütete. Natürlich war es toll, dass er Menschen half. Aber ihre Beziehung war einsam geworden. War es überhaupt noch eine Partnerschaft, wenn man alleine as, Freunde besuchte oder fernsah? Wozu brauchte man da noch einen Freund?

Ein weiteres Mal kontrollierte sie ihr Handy. Eine Nachricht von Ariane - sie solle ihr bescheid geben, wenn sie gut angekommen sei. Mehr nicht.

In der Stille der Wohnung trieb Johanna Tränen in die Augen. Sie zwinkerte zweimal und versuchte, die Störenfriede zu vertreiben.

Dann ging sie ins Schlafzimmer, um zu packen.

Liebe hat keine Farbe (Stadtgeflüster) LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt