Ryder steht in unserer Küche und schaut mich mit großen Augen an. Die Party läuft schon einige Zeit und ich möchte mit Ryder als Team beim Bier Pong antreten. Warum auch immer hat er Sorge, dass wir verlieren könnten. „Lisa, du kannst kaum die Treppen hier im Haus hinunter gehen ohne zu stolpern und erinner dich bitte an deinen Versuch, mit meinem Skateboard zu fahren."Nein, daran möchte ich mich eigentlich nicht erinnern. Ryder hat mich einen Tag mitgenommen zum Strand und wollte mir dort eigentlich ein bisschen was auf dem Surfbrett beibringen, aber wir sind gar nicht bis ins Wasser gekommen. Da ich ein bisschen Sorge hatte, ob ich mich auf den Brett im Wasser halten kann, wollten wir ein paar „Trockenübungen" auf dem Skateboard machen. An einem Teil der Promenade, der etwas abschüssig ist, sollte ich mich auf das Board setzen und mich hinunterrollen lassen. Niemand macht sich ein Bild davon wie schwierig es ist zu bremsen, wenn es keine Bremsen gibt und man Flip Flops trägt. Und Ryder hat mir auch nichts von den Stufen am Ende der Promenade erzählt. Ich bin also schreiend und sitzend mit diesem dämlichen Skateboard die Promenade entlang geprescht und habe immer gehofft, dass die Passanten früh genug zur Seite springen. Ja, es war ein Sonntag und mega viel Betrieb. Kaum habe ich die Stufen sehen können, blieb das Skateboard in einer Rinne hängen und ich bin Kopf über die Stufen runter geflogen und mit dem Gesicht zuerst im Sand gelandet. Prima Aktion, danach bin ich frustriert nach Hause gegangen.
„Ryder, werfen kann ich. Glaub mir bitte, dass wird lustig."
„Ja, für die anderen, wenn wir trinken müssen. Ich hasse Bier" schmollt mein Gegenüber.
„Ist doch egal, der Weg ins Bett ist heute recht kurz" grinse ich, „außerdem möchte ich ein paar neue Leute kennenlernen. Und das geht bei dem Spiel doch super, hast du zumindest gesagt". Meine Argumente sind definitiv besser als seine.
„Sweetie, gib mir drei Minuten und wenn ich dir dann keinen Partner besorgt habe, spiele ich mit dir" zwinkert Ryder mir zu.
Ich überlege. „Wir machen es anders. Du musst den ersten Typen ansprechen, den du vor unserer Wohnungstür siehst. Klappt das nicht, bist du geliefert". Damit gehe ich in Richtung Tür. Als wenn das klappen würde, Ryder wird schon sehen.
Kaum lege ich die Hand an die Klinke, steht dieser auch schon hinter mir. „Stop, ich öffne die Tür und du darfst nicht gucken, bis ich dir deinen Partner vorstelle". Mit diesen Worten schiebt er mich ein Stück zurück in den Flur, lässt die Schultern kreisen, öffnet die Tür, tritt heraus und wird blass. Panik überkommt mich bei seinem Anblick. Ryder ist sonst so selbstbewusst und fröhlich, diesen Ausdruck habe ich noch nicht gesehen. Schnell will ich zur Tür und sehen, was ihn so verstört hat, aber Ryder löst sich aus seiner Starre und zieht die Tür zu. Mir bleibt nichts anderes übrig, als wie eine Bekloppte mein Ohr an die Tür zu legen, damit ich lauschen kann.
„Ähm, hallo Hunter, ähm. Schön, dich zu sehen" stammelt Ryder.
„Ry, was willst du? Spuck es aus und stottere nicht wie eine Jungfrau in Nöten" entgegnet eine tiefe, angenehme Stimme.
Ich höre, wie Ryder sich räuspert.
„Also, ich habe eine neue Mitbewohnerin und die sucht noch einen Partner zum Bierpong. Leider kann ich nicht mit ihr zusammen antreten, ich hab mir gestern die Schulter gezerrt und da dachte ich..."
„Alter, ich soll den Babysitter für dich spielen? Ich weiß, wie schlecht du im Bier Pong bist und kann mich gut daran erinnern, wie du in unserem Haus aus der vierten Etage gekotzt hast" lacht der andere laut.
„Ok, das ist auch ein Grund. Aber Lisa ist wirklich eine liebe Person und ich möchte sie nicht enttäuschen. Weißt du, sie hat es echt nicht leicht, sie ist so schüchtern und findet kaum Anschluß. Du musst mir einfach helfen" fleht Ryder. Hat der Typ sie noch alle? Ich bin alles andere als schüchtern, dem werd ich es zeigen. Ohne weiter darüber nachzudenken, reiße ich die Tür auf und schnauze ihn an: „Hast du sie noch alle, Ryder? Ich bin bestimmt nicht die kleine, verschüchterte Lisa, die deine Hilfe braucht, um jemanden kennenzulernen. Ich..." weiter komme ich nicht, da ich laut lachend unterbrochen werde. Langsam drehe ich mich um, Hunter habe ich zwar noch nicht gesehen, aber der kann sich auch auf was gefasst machen. Niemand, wirklich niemand darf mich auslachen, wenn ich wütend bin.
Doch kaum habe ich mich umgedreht, sehe ich nur noch zwei vor der Brust verschränkte Arme. Lisa, Kopf hoch, muss ich mich selbst an meine Größe von 1,62 m erinnern. Also hebe ich langsam meinen Kopf und sehe in zwei strahlend blaue Augen, die mich belustigt anfunkeln.
„Hallo Lisa" grinst mich mein Gegenüber an.
Oh, diesen Blick kenne ich und der bedeutet wenig Gutes!
„Hallo" mehr sage ich nicht.
„Ich bin Hunter und Ry hat mich gebeten, seinen Part in eurem Bier Pong Team zu übernehmen. Komm, wir gehen uns anmelden. Überleg dir schon mal einen Namen für uns", mit diesen Worten legt er einen Arm um meine Schultern und schiebt mich in Richtung Anmeldetisch.
Vollkommen sprachlos lasse ich mich zu dem Anmeldetisch führen. Ja, Anmeldetisch, ohne Witz. Hier bekommen wir unsere Startnummer und unseren ersten Gegner. Die Studenten sind etwas verrückt, was ihre Saufspielvorbereitungen angeht. Jeder Teilnehmer bzw jedes Team „bezahlt" 5 Dollar Teilnahmegebühr und jedes Team sucht sich einen Namen aus. Dieser Name und die Startnummer kommen auf einen Aufkleber, den man sich auf sein Shirt klebt. Ja, verrückt halt. Mit dem Geld wird das Equipment erneuert, habe ich mir sagen lassen.
„Hast du einen Namen für uns? Dreamteam ist schon vergeben" lacht Hunter mich an und zwinkert mir zu.
„Ähm" mehr habe ich grad nicht zu sagen.
„Sweetie, das ist wenig hilfreich. Soll ich uns einen Namen geben?" fragt Hunter mich, immer noch grinsend.
„Ja, mach mal. Ich kenne mich damit noch nicht so gut aus und weiß nicht, was geht und was schon vergeben ist" stammel ich mir was zurecht.
Hunter nimmt mir meine 5 Dollar aus der Hand und dreht sich von mir weg. Was er zu dem Typen auf der anderen Seite des Tisches sagt kann ich nicht hören, da die Musik grad um einige Dezibel lauter gedreht wurde. Das Hunter nun mit dem Rücken zu mir steht gibt mir die Möglichkeit ihn mir ein bisschen genauer anzusehen. Seine breiten Schultern stecken in einem schlichten weißen T-shirt, dazu trägt er eine tiefsitzende Bluejeans und Lederboots. Seine Haare sind mittelblond und trotz des Zopfes kann ich erkennen, dass er Locken hat. Die Seiten sind kurzgeschnitten und er wirkt, genau wie Ryder, von der Statur her wie ein Surfer. Ok, davon gibt es hier verdammt viele.
„Hier" werde ich von Hunter aus meinen Gedanken gerissen.

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Codewort: Handtasche
Short StoryLisa beginnt ihr Studium in Brisbane. Dort wohnt sie mit Ryder und zwei anderen Studenten zusammen. Als sie Ryders Zwillingsbruder Hunter kennenlernt, beginnt für sie das erste Abenteuer auf dem fünfte Kontinent. Wer denkt, sie verliebt sich in ihn...