Kapitel sechs - Du könntest ein Serienmörder sein
Huch, das ging schnell. Ich hatte mit allem gerechnet, außer damit. Besonders nach der Aktion eben, wo er so arrogant war. Perplex schaute ich meinen Gegenüber an. Hatte ich mich vielleicht auch einfach verhört oder mir alles eingebildet? Nein, ich war zwar vieles, aber bei Verstand war ich definitiv noch.
„Wär wohl möglich keine schlechte Idee.", entgegnete ich ihm immer noch pampig. Wie gesagt, ich besaß auch etwas Stolz.
„Tut mir wirklich Leid, dass ich dich vorhin fast angefahren hätte.", sagte Julian und streckte mir seine Hand entgegen. Einen Moment lang schaute ich ihn überprüfend an, aber er schien es wirklich ernst zu meinen. Seufzend nahm ich seine Hand entgegen . „Schon ok. Ist ja alles gut gegangen.", nahm ich seine Entschuldigung an. Ich merkte wie mich meine Wut langsam verließ.
„Bei deinem Hund werd ich mich auch noch gelegentlich entschuldigen.", lachte der Fußballer. Auch mir konnte er damit ein breites Grinsen entlocken. Vielleicht war er ja doch ganz korrekt.
„Unser Start eben war ja auch nicht wirklich der beste. Wollen wir vielleicht nochmal neu anfangen?", erkundigte sich Julian. Wenn ich so da rüber nachdachte, war das eigentlich wirklich kein schlechter Vorschlag.
„Malia, hi. Du kannst mich aber Lia nennen.", ich schenkte ihm ein breites Lächeln und schüttelte einmal seine Hand, die wir immer noch ausgestreckt hatten. „Schön dich kennen zu lernen, Lia. Ich bin Julian.", stellte sich mein Gegenüber erneut vor. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits." Stille entstand zwischen uns. Einfach nur lächelnd schauten wir uns an.
Seine blauen Augen strahlten und stachen direkt hervor. Wäre das hier ein Bestsellerroman, hätte jetzt hier gestanden, dass man sich in seinen Augen verlieren hätte können. Aber das ist mir persönlich zu viel Kitsch. Trotzdem musste ich zugeben, das seine Augen irgendetwas an sich haben. Mein Blick glitt weiter hoch zu seinen Haaren. Diese lagen ein wenig ungebändigt auf seinem Kopf. War das wohl gewollt so? Nicht das es mich stören würde, ganz im Gegenteil. Waren die wohl wirklich so weich, wie sie aussahen.
Warte, stopp! Was dachte ich hier eigentlich? Ich merkte, wie mir die Stille langsam unangenehm wurde. Räuspernd zog ich schnell meine Hand wieder aus seiner und senkte meinen Blick. Ich konnte hören, wie Julian leise lachte. Bis eben war ich doch noch selbstbewusst, wo kam denn jetzt plötzlich dieses schüchterne wieder her? Manchmal war ich mir selbst ein Rätsel.
„Warum bist du eigentlich nicht drinnen?", fragte mich Julian, um die Situation wieder ein bisschen aufzulockern. „Das gleiche könnte ich dich auch fragen.", entgegnete ich mit einer Gegenfrage. Heraus fordernd schaute mich mein Gegenüber an. „Theoretisch könntest du das, aber ich hab dich zu erst gefragt.", sagte er daraufhin. Wo er Recht hat, hat er Recht. Leicht zuckte ich mit den Schultern. „Ich brauchte mal kurz frische Luft. Außerdem war ich noch nie Fan von solchen Veranstaltungen.", kürzte ich die Wahrheit auf das nötigste herunter. Ich musste ihm ja nicht gleich nach ein paar Minuten, in denen wir uns kannte, meine Lebensgeschichte erzählen. „Kann ich beides voll und ganz nachvollziehen.", antwortete er indirekt auf meine zuvor gestellte Frage. Leicht lächelte ich ihn an. Dann lehnte ich mich wieder gegen eine der Säulen und schaute hoch in den Himmel. Fast keine einzige Wolke war am Himmel und man hatte einen perfekten Blick auf die vielen unzähligen Sterne am Himmelszelt, welche hell leuchteten. Genau für solche Sommernächte lohnt es sich zu leben. Wäre ich doch bloß wo anders, als auf dieser Veranstaltung.
„Am liebsten würd ich einfach davon laufen. Das hier einfach hinter mir lassen.", sprach ich meine Gedanken einfach aus. Eigentlich wollte ich das garnicht laut sagen. Julian denk jetzt bestimmt, dass ich voll die Meise habe. Das schlimmste befürchtend drehte ich mich zu Julian, der sich an die andere Seite der Säule gelehnt hatte. Als ich ihn wieder ansah, merkte ich, dass Julian mich die ganze Zeit beobachtete hatte. Langsam wird es echt peinlich für mich. Sicherlich hält der mich für eine Verrückte.
„Worauf wartest du dann noch? Komm!", grinsend stieß sich Julian von der Säule ab und schaute mich nun auffordernd an. Was? War das sein Ernst? Nun war ich diejenige die dachte, dass er eine Meise hatte. Ungläubig starrte ich ihn an.
„Ist das dein Ernst?", fragte ich vorsichtig. Bestätigend nickte der Fußballer. Er meinte das also wirklich ernst. „Ok, ähm, du könntest aber ein Serienmörder oder sonst was sein und mich gleich um der nächsten Ecke kaltblütig abschlachten." „Joa, könnte ich.", erwiderte er nur trocken auf meine Anschuldigung.
Der Gedanke, hier weg zu kommen war bei mir momentan allerdings größer und verlockender, als alles andere. Deswegen zuckte ich nur leicht mit den Schultern und nach einem kurzen „Ok" setzte ich mich grinsend in Bewegung. Hinter mir nahm ich Julians Lachen wahr. Mit ein paar großen Schritten hatte er mich eingeholt und lief nun neben mir her. An der Ausfahrt des Parkplatzes unterbrach er letztendlich unser Schweigen. „Wo gehts denn hin?", erkundigte er sich neugierig. So genau wusste ich das auch noch nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin. Das konnte ich ihm allerdings ja schlecht sagen, weil ich ja diejenige von uns war, die sich hier auskannte. Kurz überlegte ich. Dann zog ich ihn mit mir nach rechts vom Parkplatz runter. „Ich zeig dir jetzt dein neues zu Hause.", teilte ich ihm entschlossen mit. Ohne großen Protest folgte mir Julian die Straße runter. Dann fiel mir ein, dass ich vielleicht Leo noch mitteilen sollte, dass sie sich keine Sorgen um mich machen musste und später nicht auf mich warten braucht, wenn sie wieder nach Hause fährt. Ich könnte ja später einfach nach Hause laufen, das würde mir nichts ausmachen. Schnell zog ich mein Handy raus und schrieb Leo eine kurze Nachricht. Nachdem ich mein Handy wieder in meine Tasche fallen ließ, schaute ich auf zu Julian. Er war ein ganzes Stück größer als ich, obwohl ich schon High Heels trug. Apropos diese Dinger werden mich bestimmt heute noch umbringen. Hätte ich doch lieber mal bequeme Schuhe angezogen.
„So der Herr, was wolltest du schon immer mal von Dortmund sehen, hattest bis jetzt allerdings noch nicht die Gelegenheit dazu?", fragte ich den Fußballer, um mir eine genauere Route zu überlegen. Verlegen kratzte er sich im Nacken. Eine Geste, die er anscheinend öfter tat, wenn ihm etwas unangenehm war oder Ähnliches. „Um ehrlich zu sein, ähm, kenne ich bis jetzt nur meine Wohnung, das Stadion und unser Trainingsgelände.", gestand er mir. Warum überraschte mich das jetzt nicht wirklich? Wahrscheinlich gehörte er zu der Sorte Jungs, die stundenlang vor der Konsole hingen. Dies half mir bei der Planung meiner Führung allerdings nicht sonderlich weiter. Ich überlegte kurz.
„Ok, also vorweg erstmal, ich will dich nicht anlügen, aber die meisten Basic Touri Orte sind hier in Dortmund nur so semi sehenswert. Ein bisschen Basic müssen wir jedoch trotzdem machen, weil Kultur und so. Aber zum Glück hast du den besten Fremdenführer überhaupt erwischt, der sich nur das interessanteste raussucht und dich zusätzlich noch zu den besten Insider Orten führt.", teilte ich ihm enthusiastisch mit. „Dir ist schon klar, dass du die Messlatte damit jetzt ziemlich hoch geschraubt hast?", überprüfend schaute er mich an. Mist, er hatter recht, jetzt musste ich wirklich glänzen. Vielleicht half es ja sich ein bisschen aus dieser Situation rauszureden, dachte ich mir. „Zur Erklärung müsste man vielleicht hinzufügen, dass fast alles, was ich als gute Insider Ort bezeichne, etwas mit Essen zu tun hat.", erklärte ich ihm. Julian schüttelte daraufhin nur den Kopf und fing an zu Lachen. „Also bekomme ich jetzt anstatt einer Stadtführung eine Wo-bekomme-ich-in-Zukunft-mein-Essen-her-Führung?", erkundigte er sich zwischen seinen Lachern. „Wenn du es so bezeichnen willst, dann ja. Aber keine Sorge, ich bring zwischendurch ein bisschen nonfood zur Abwechslung rein.", beruhigte ich ihn. Erneut brachte ihn meine Aussage zum lachen. Seine Lache klang sehr angenehm und war zu dem auch noch total ansteckend. Damit ich mich wirklich wohlfühlen kann, muss ich mit meinem Gegenüber lachen können und das war gerade der Fall. Zum Glück, sonst wäre das eine ziemlich maue Nachtwanderung geworden. Immer noch grinsend gingen wir nebeneinander her die Straße entlang. Ich merkte, wie mich eine Art Glücksgefühl erfüllte. Nacht Spaziergänge hatten schon immer so eine wundervolle Wirkung auf mich. Leider konnte ich sie nicht häufig machen, weil das hier ist ja immer noch eine Großstadt und nachts nicht ganz ungefährlich. Und da ich schon zu viele kranke Horrorfilme und Thriller geguckt habe, blieb ich Nachts lieber Daheim. Aber aus irgendeinem Grund verspürte ich in diesem Moment keine Spur von Angst. Lag es wohl daran, dass meine Glücksgefühle gerade überwiegten oder daran, dass ich nicht alleine war?
„Und du hast also einen Hund.", unterbrach Julian meine Gedanken neugierig. Als Antwort nickte ich. „Einen sibirischen Husky. Sein Name ist Loki und er ist mit Abstand der tollste Hund auf der ganzen Welt." Stolz grinste ich Julian an. Dieser schien allerdings einige Einwände zu haben:„Das glaub ich wohl kaum." Nun war es an ihm mich anzugrinsen. „Mh?", gab ich fragend von mir. Natürlich ist Loki der tollste Hund der Welt. „Es gibt keinen cooleren Hund, als Nala.", erklärte er. „Nala?", hakte ich verwirrt nach. Wer war denn bitte Nala und wie konnte er behaupten, dass sie besser wäre, als Loki? „Nala ist mein Hund. Beziehungsweise der Hund von mir und meiner Familie." Achso, das machte Sinn. Hätte man ja auch mal selber drauf kommen können. Der Preis des Schnellcheckerd der Firma Langsam ging mal wieder an mich.
„Was ist sie denn für eine Rasse?", mein Interesse war geweckt. Ich bin ein absoluter Hundemensch und liebte diese Tiere einfach über alles. Abgesehen davon, dass sie einfach total süß und goldig waren, sind sie auch die treusten Tiere dieser Welt, was sie meiner Meinung nach zu den besten Weggefährten machte.
„Ein Labrador Hovawart Mix. Total süß.", erzählte er mir. „Da hast du recht. Meine Tante hatte auch mal einen. Aber ich bleibe trotzdem dabei, Loki ist einfach der beste!", entgegen ich stur, als wäre mein Gesagtes das selbstverständlichste der Welt. Ich bekam öfter gesagt, ich sei ein ziemlicher Sturkopf, allerdings höre ich sowas garnicht gerne. Es war einer der wenigen Charakterzüge, die ich von meinen Vater geerbt hatte. Und auf den bin ich, wie man denke ich bereits heraushören konnte, meistens nicht gut zu sprechen. Unsere Beziehung ist sage ich mal hin und wieder ein bisschen schwierig.
„Wir müssen jetzt hier links und dann sind wir auch schon fast bei unserem ersten Ziel angekommen.", verkündete ich, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Mein erster Punkt auf der Liste für heute war Phönix West, was ich Julian anschließend auch mitteilte. Das ehemalige Hochofenwerk lag nämlich auf meinen geplanten Weg und war definitiv ein Besuch Wert. Wenn ich es mir doch nochmal überlegte, waren die Basic-Tourismus-Orte in Dortmund doch garnicht so uninteressant. Dortmund war mittlerweile zu meiner Heimat geworden und ich fühlte mich hier wirklich pudelwohl. So schnell kriegt man mich hier definitiv nicht mehr weg. Da muss schon echt etwas weltbewegendes passieren, damit ich hier wegziehe. Und umso aufgeregter war ich nun, Dortmund auch zu Julians neuer Heimat machen zu dürfen.
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Let's get lost tonight | Julian Brandt ff
FanfictionEin Abend. Eine Begegnung. Eine spontane Entscheidung. All das führt zum Beginn einer einzigartigen Freundschaft. Malia lernt eines Abends auf einer Abendveranstaltung ihres Vereins den Fußballprofi Julian Brandt kennen. Anfangs ist er für sie nur e...