David hatte ein ungutes Gefühl. Er biss die Zähne zusammen und versuchte den Zorn zu unterdrücken, der ihn jedes Mal durchtränkte, wenn sein Vater ihn in sein Büro beorderte wie einen seiner Lakaien. Die Blicke der Mitarbeiter während er durch die mit Parkett ausgelegten Flure schlurfte, waren sein persönlicher Vorhof zur Hölle. Er ahnte, was sie über ihn dachten: Der missratene Sohn! Eine Schande wie seine Mutter! Was für eine Bürde für den Präsidenten!
Die Sekretärin seines Vaters lugte über ihre Brille zu ihm rüber, als er ins Vorzimmer trat und nickte ihm kurz zu. Ihre Mundwinkel zuckten nervös im Gleichtakt mit ihrem Finger, der auf einen Knopf am Telefon drückte. Ein Signal an seinen Vater, dass der missratene Sohn endlich eingetroffen war.
David atmete tief durch und wappnete sich um seinem Vater gegenüber zu treten.
Peter von Hagen war genau so, wie man sich einen Präsidenten vorstellt: in teure Anzüge gekleidet, kurzgeschnittene seriös wirkende Haare, grau meliert, glatt rasiert und das Alter rang ihm lediglich ein paar Grübchen um die Mundwinkel und Augen ab. Es war kaum vorstellbar, dass David sein Sohn war. Die blonden Haare zur sonnengebräunten Haut hatten mehr mit einem kalifornischen Surfer gemeinsam als mit Peter von Hagen. So unähnlich wie ihr Aussehen war auch ihr Wesen.Peter von Hagen lag im Krieg. Im Krieg gegen einen Feind von dem David manchmal scherzhaft behauptete, sein Vater habe ihn erfunden.
"David, schön dass du den Weg zu mir heute noch gefunden hast!" David beschloss den provozierenden Ton zu überhören. "Ja, klar, schlecht zu übersehen, die große Tür."
Er zog sich einen Papierbecher aus dem Wasserspender und klopfte gegen den Behälter. Eine riesige Blase bahnte sich den Weg mit einem dunklen "Blob" nach oben."Hast du darüber nachgedacht, worüber wir gestern gesprochen haben?" David zog es vor, weiter den Wasserbehälter anzustarren.
"Nicht wirklich. Du weißt, dass ich kein Soldat bin und auch keiner werden will."
"Du vergeudest dein Talent, David. Ich habe tausende von Euro in deine Ausbildung gesteckt und jetzt könnten wir dich wirklich gebrauchen."
"Um Leute zu erschießen?"
"Ja, David. Leute. Terroristen, die nicht zögern würden dich auf der Stelle zu töten, wenn sie dich in die Finger kriegen. Leute, die unsere Städte mit Bomben attackieren, Anschläge ausführen, Terror verbreiten und den Menschen Angst einjagen. Wir müssen diesen Rebellen Einhalt gebieten!" Peter von Hagen redete sich in Rage. Der geborene Politiker!
"Es ist nicht mein Krieg", murmelte David und nippte am Wasser.
"Nicht dein Krieg? Nicht dein Krieg? David, diese Terroristen machen keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten. Wenn sie töten, dann töten sie. Gnadenlos. Sie morden, vergewaltigen, entführen. Sie sabotieren unsere Gesellschaftsordnung und fordern uns heraus. Du kannst dir nicht aussuchen, ob es dein Krieg ist oder nicht."
Peter von Hagen war jetzt von seinem breiten dunklen Schreibtisch aufgestanden und umrundete ihn mit festem Gang.
"Du bist mein Sohn. Du bist der Sohn des Präsidenten. Nicht irgendwer. Du repräsentierst unsere Nation, das Vereinigte Europa. Du stehst als Symbol für die nächste Generation von Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit. Du wirst heute abend noch ausfliegen. Du willst kein Soldat sein? Nun, zu dumm, dass du die hervorragendsten Ergebnisse unter den Rekruten erzielst hast. Deine Kameraden zählen auf dich. Sie verstehen nicht, warum sie in den Krieg ziehen müssen und du nicht. Sie verstehen nicht, warum sie ihr Leben riskieren müssen um deines zu retten und warum du so wenig bereit bist, ebenfalls zu kämpfen. Bist du ein Feigling? Ein Schwächling? Nein, du bist mein Sohn und ich sage: du wirst gehen."
"Ich bin volljährig, Vater. Du kannst mir nicht befehlen was ich tun oder lassen soll. Ich werde deinen verdammten Krieg nicht unterstützen." Er spie die Worte aus wie eine Schlange ihr Gift, doch sein Vater lächelte nur süffisant.
"Du wirst gehen, David. Hast du vergessen, dass du keinen Job hast? Hast du vergessen wer hier bezahlt? Du wirst gehen oder ich werde dich abführen lassen. Ich bin nicht nur dein Vater, sondern auch der Präsident und die Leute lieben mich. Ich kann tun und lassen was ich will und du nicht. Ende der Diskussion. Pack deine Sachen."
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The Unknown Element
FantasyAls David zum ersten Mal in Zees Gesicht blickt, scheint alles einen Sinn zu ergeben. Doch warum muss ausgerechnet der Mensch, zu dem er sich so hingezogen fühlt, ihn töten wollen? WEITERE KAPITEL IN BEARBEITUNG!