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"Verdammt, du hättest ihm gleich die Kehle durchschneiden sollen oder ihm eine Kugel in den Kopf jagen sollen!" Zee fuhr sich durch die schweißnassen Haare und zog ihren Zopf fest.  "Reg dich ab, vielleicht kann er uns nützlich sein."
 "Nützlich? Wozu? Bevor du was aus ihm rauskriegst, jagt er vielleicht dir die Kugel in den Kopf!"
 "Ich finde, er sieht gar nicht so gefährlich aus."
 "Nicht gefährlich? Er hat 'ne verdammte Knarre. Er ist Soldat und er wurde nur geschickt um uns zu töten. Was is' los mit dir? Du bist doch sonst nicht so ein Weicheie!"
 Ben grinste ihr zu. "Vielleicht häng ich zuviel mit dir ab!"
 "Ha ha." Zee ließ sich auf einem Baumstumpf nieder und grübelte. Sie hasste es, sich nun mit dem Typ auseinander setzen zu müssen. Wenn sie erst mal den Mund aufmachten und redeten, konnte man sie nicht mehr so leicht erschießen. Sie hatte schließlich auch noch ein Gewissen.
 "Ich weiß nicht, Zee. Es ist so ein Gefühl. Ich glaube wirklich, wir sollten ihn mitnehmen."
 Zee stand abrupt auf. "Spinnst du? Ihn mitnehmen? Natha reißt uns den Kopf ab. Außerdem ist das nur ein Maul mehr, das wir satt kriegen müssen. Du weißt, dass wir in wenigen Tagen in den Osten aufbrechen? Weißt du was, wir lassen ihn einfach hier. Soll er doch erfrieren, sich den Knöchel brechen oder von seinen eigenen Leuten ermordet werden. Es ist mir scheißegal!"
 Ben seufzte und ließ sich ganz in der Nähe von Zees Baumstumpf nieder. "Wir nehmen ihn mit. Mit Natha werde ich schon fertig."
 "Du bist verrückt, Ben. Ich möchte betonen, dass ich damit nicht einverstanden bin."
 "Ich weiß. Aber habe ich jemals mit meinem Gefühl daneben gelegen? Vertrau mir einfach. Okay?"
 Zee lief kopfschüttelnd auf und ab, die Arme verschränkt. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie Ben schmunzeln. Typisch.

"Hey, er kommt zu sich." Zee hielt ihre Waffe fest im Griff und zielte auf den Typ mit den blonden Zottelhaaren. Er sah nicht aus wie ein Soldat. Eher wie ein Tourist in Verkleidung. Hatten die sich eine neue Strategie ausgedacht?  Ben hockte sich vor ihn. "Hey. Du. Verstehst du mich?"
 Ein schwaches Nicken. "Gut. Hör zu. Ich werde dir jetzt Wasser geben und versuchen, dir aufzuhelfen. Ich werde dir nichts tun. Aber wenn du auch nur eine falsche Bewegung machst, wird dich meine Aufpasserin da drüben erschießen. Alles klar?" Ben zeigte mit dem Finger auf Zee, während der vermeintliche Tourist erneut nickte.
 Ben gab ihm Wasser und ließ ihn kurz zu sich kommen, dann hing er die Feldflasche an seinen  Gürtel zurück und näherte sich langsam dem erschöpften Soldaten. Der Soldat ließ sich von Ben vorsichtig auf die Beine stellen, verzog schmerzerfüllt das Gesicht, sagte aber kein Wort. Zee bemerkte, wie er ihr einen Blick zuwarf und fühlte sich augenblicklich unwohl. "Mach schon, wir müssen los!" Nervös sah sie sich um, als erwarte sie einen feindlichen Angriff.
 Mit Bens Hilfe setzten sie sich in Bewegung und nach einiger Zeit gelang es dem Soldaten, alleine Schritt zu halten.
"Wer seid ihr?" Seine Stimme kratzte. Zee hüllte sich weiter in Schweigen und suchte die Gegend mit den Augen ab.
 "Für Erklärungen ist später Zeit", erwiderte Ben und beendete das Gespräch damit.

Sie liefen viele Stunden. Erst als die Sonne hoch am Himmel stand,  legten sie eine Pause ein und teilten sich ihren Vorrat mit dem Fremden. Zee kramte Trockenfleisch hervor und Ben hatte noch Äpfel übrig. Auch Brot kramte Zee noch aus den Tiefen ihres Gepäcks hervor. Sie beäugte den hungrigen Soldaten und runzelte die Stirn. Er schien schlecht vorbereitet zu sein und verhielt sich nicht wie ein Gefangener. Zwar sagte er nicht viel, ließ sich aber bereitwillig mitführen. Auch hatte er anscheinend keine Angst davor, was sie mit ihm machen könnten. Als Zee seinen Blick spürte, wandte sie sich ab. 'Verdammter Idiot', schoss es ihr durch den Kopf.
 "Wohin bringt ihr mich?" fragte der Blonde und Zee warf Ben augenblicklich warnende Blicke zu.
 "Ich hab doch schon gesagt, dass Erklärungen später folgen." Ben klang wie ein Vater, der einem quengeligen Jungen etwas erklärte.
 "Ach so, aber zum Essen haben wir Zeit?", entgegnete der Soldat.
 Ben seufzte: "Wie heißt du?"                                                                                                                              
 "Mein Name ist David." 

"Okay David. Ich bin Ben, das ist Zee. Wir gehen zu unserer Basis zurück. Dass ich dir natürlich nicht sagen kann, wo das ist, verstehst du hoffentlich. Und ich hoffe, dass dir das als Erklärung fürs erste reicht."
 Zee schüttelte weiter ungläubig den Kopf und verzog schmollend ihren Mund.
 "Erzähl ihm doch gleich alles, oh, und am besten du schreibst es gleich in die Zeitung wo unsere Basis ist!"
 "Er sieht nicht so aus, als ob er sich hier auskennt. Er wird den Weg nie und nimmer alleine finden, also reg dich ab. Hab ich Recht, David?"
 David nickte.
 "Nee, is klar, ich hab keinen Plan!"
 Ben schmunzelte wieder und nickte leicht, woraufhin sich Zee genervt abwendete.

Als die Dämmerung einbrach, suchten sie nach einer geeigneten Stelle zum Übernachten und fanden eine Art Hügel zwischen den Bäumen, der ihnen genügend Schutz bot. Ben packte eine faltbare Plane aus, die er an den Ästen der Bäume befestigte und so waren sie auch vor Regen gut geschützt. Zee sammelte Reisig und stapelte es zu einer kleinen Feuerstelle, dabei behielt sie David  fest im Blick.
 Als Zee den Stapel für groß genug erachtete, ging sie in die Hocke und blies sanft  in den Stapel hinein. Sofort entzündeten sich einige der Zweige. Zee bemerkte Davids überraschten Blick.
 "Was... Wie hast du das gemacht?" fragte er völlig entgeistert.
 "Was gemacht?"
 "Das  Feuer. Du hast einfach das Feuer angepustet und es brannte. Wie zum Teufel hast du das gemacht?"
 Zee warf Ben einen genervten Blick zu.
 "Du hast noch nie ein Feuerelement gesehen." 
 "Ein was?"
 Auch Ben trat nun ans Feuer.
 "Hast du überhaupt schon Mal von den Elementen gehört?"
 "Elemente? Meinst du Feuer, Erde, Wasser, Luft?"
 "So ähnlich, ja. Wir sind  Elemente. Zee ist ein Feuer-Element, ich bin ein Erd-Element."
 "Ich habe absolut keine Ahnung wovon du redest!"
 Ein ungehaltenes Lachen entfuhr Zees Kehle.
 "Unter welchem Stein bist du denn hervorgekrochen? Was glaubst du, worum es in diesem verfluchten Krieg geht?" Zee zeigte mit dem Finger auf David.
 "Nichts anderes tut ihr, als uns zu töten, zu ermorden, unsere ganze Rasse auszurotten." Sie spuckte vor Davids Füße.
 "Ehrlich, ich weiß davon überhaupt nichts. Niemand weiß es."
 Zee starrte ihn ungläubig an.
 "Was meinst du damit, niemand weiß es? Ihr tötet uns! Scheiße nochmal!"
 "Die normale Bevölkerung weiß nicht viel. Wir wissen nur das, was wir im Fernsehen oder anderen Medien sehen. Die Soldaten werden streng abgeriegelt. Sie und ihre Familien leben streng getrennt von den normalen Bürgern. Die Kasernen werden äußerst streng bewacht. Niemand kommt rein und niemand kommt raus, der das nicht soll." 
 Zee wandte sich ab. "Du lügst!"
 "Vielleicht nicht. Überleg mal, Zee. Hast du je wirklich mit ihnen gesprochen? Mit den Soldaten oder anderen Leuten? Ich jedenfalls nicht."
 "Quatsch, das ist alles nur ein Trick. Er lügt."

Schweigend aßen sie auf  und legten sich danach unter die Plane zum Schlafen. Ben blieb am Feuer sitzen und hielt die erste Wache.  David wälzte sich unruhig hin und her, er fror.
 Zee sah misstrauisch zu ihm hinüber und bemerkte dann Bens stechenden Blick.
 "Na los. Mach schon." Seine Augenbrauen vorwurfsvoll nach oben gezogen, nickte er in Richtung David.
 Zee starrte Ben geschlagene zehn Sekunden an und gab dann nach. "Meinetwegen. Aber das ist so eine Scheiße! Ehrlich!"
 Dann breitete sie die Wärme des Feuers so weit aus, dass sie auch David umfing. Wenig später schlief er tief und ruhig.

The Unknown ElementWo Geschichten leben. Entdecke jetzt