Kapitel 1

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Mit voller Wucht führte der Mann vor mir einen Hieb mit seinem Schwert aus. Doch ich duckte mich geschickt weg und trat einen Schritt zurück um ein wenig Abstand zwischen uns zu bekommen. Sein Gesicht war blutverschmiert und die Entschlossenheit war die letzten Paraden nicht aus seinem Ausdruck verschwunden. Ganz im Gegenteil - er schien mit jedem Angriff den er gegen mich ausübte noch entschlossener mich niederzustrecken, als noch zu Beginn. Ich konnte mir gut vorstellen warum; ich war eine Frau. Eine recht junge noch dazu. Und bei den Christen waren kämpfende Frauen - nun ja, sagen wir - absolut nicht gerne gesehen.
Doch als der, vielleicht einmal ein paar Winter ältere Mann vor mir zu bemerken schien, dass ich kein hilfloses Lämmchen war, hatte er seine Zurückhaltung völlig abgelegt. Was auch gut so war. Denn ich hasste nichts mehr als Männer die nur halbherzig bei der Sache waren.
So war ich beinahe ein wenig beeindruckt als er blitzschnell zu einem weiteren Schlag ansetzte und mich das erste Mal seit diesem Kampf mit seiner Finte überraschte. Doch auch diesmal war ich schnell genug. Ohne Probleme kreuzte ich meine zwei leichten Schwerter vor mir und blockte somit seinen Hieb.
Während ihm noch die Überraschung ins Gesicht geschrieben stand, winkelte ich meinen linken Ellenbogen an um mehr Schwung in den Schlag setzen zu können. Zwar wollte der Mann sogleich nochmals angreifen, doch er schien müde zu werden und mit Leichtigkeit wehrte ich ihn mit dem Schwert in meiner Rechten ab. Es folgte eine Pirouette von mir und mit einer schnellen, gezielten Bewegung rammte ich ihm mein linkes Schwert gnadenlos in den Bauch, wo ich es rum drehte und es mit einem flinken Ruck wieder heraus zog.

Seine Waffe glitt ihm aus der Hand noch bevor er stöhnend in die Knie sank. Kurz sah ich dabei zu wie er sich verzweifelt mit beiden Händen an den Bauch fasste und wohl versuchte die Blutung zu stillen. Um dem Kerl nicht weiter zusehen zu müssen machte ich zwei Schritte und stellte mich hinter ihn. Ich steckte eines meiner Schwerter zurück in die Scheide, packte seinen Haarschopf und zwang ihn seinen Kopf in den Nacken zu legen. Mit seinen dunklen Augen blickte er mich verzweifelt an. Wimmernd setzte er noch zu einem "Bitte hab erbarmen" an, doch ich ließ ihn erst gar nicht zu Ende sprechen. Mit der Klinge schlitzte ich ihm die Kehle auf und löste sogleich meinen Griff aus seinem Haar. Mit dem Gesicht voran landete er auf dem Fußboden und augenblicklich bildete sich eine scharlachrote Lache unter ihm.

Erst jetzt sah ich mich nach Aegir um. Er hatte sich vorhin mit dem zweiten der Wachen angelegt und schien diese ebenfalls gerade überwältigt zu haben. Geübt wischte er sein blutverschmiertes Schwert an der Hose der leblosen Wache ab und wandte sich mir zu. Die Kapuze seines dunklen Mantels hatte er, genau wie ich, immer noch ins Gesicht gezogen und schien genau so wenig angestrengt wie ich. Bisher verlief unser Eindringen ganz nach Plan.
Mit einem Handzeichen und einem Kopfnicken zur Tür vor uns, machte Aegir mir zu verstehen dass ich vorgehen sollte.

Die Sache lief so einfach und unproblematisch, dass man meinen konnte irgendwo müsse ein Haken sein. Doch dem war nicht so. Zu dritt hatten wir uns auf das kleine Anwesen geschlichen. Unbemerkt hatten wir uns an den meisten Wachen vorbei gestohlen. Zwar waren es ohnehin nicht all zu viele und vermutlich hätten wir drei sie mit Leichtigkeit erledigen können. Doch unser Ziel war Jurij und um zu ihm zu gelangen wollten wir dieses Mal nur die nötigsten Personen aus dem Weg schaffen. Immerhin hatten wir vor, genau so still und umgesehen zu verschwinden, wie wir gekommen waren. Je weniger Aufmerksamkeit wir erregten, umso besser. So hatten Aegir und ich uns bis kurz vor sein Schlafgemach geschlichen, während Reik draußen Wache hielt. Für den Fall dass wir doch aus irgendeinem Grund auffliegen sollten.

Als ich die Tür zum Schlafgemach von Jurij geöffnet hatte, war das Erste was ich sah die Klinge eines Schwertes die auf mich zuraste. Doch ich hatte damit gerechnet dass er das Klirren des Stahls wahrgenommen hatte und sich nicht so einfach kampflos ergeben würde.
Darum hatte ich mein Schwert schon zur Parade bereit und blockte seinen Hieb ab. Zwar setzte er sogleich zu einen erneuten Angriff an, doch als er hinter mir Aegir entdeckte schien ihn sämtliche Kampfeslust verlassen zu haben.
Er machte zwei panische Schritte nach hinten, ließ sein prunkvolles Schwert dabei sinken und blickte uns beide aus ängstlichen grünen Augen an. "Wa- Was wollt ihr?", brachte er stammelnd hervor und machte einen so kläglichen Eindruck dabei, dass ich mich fragte ob er die ganze Mühe überhaupt wert war. Was konnte so ein verschrecktes Huhn schon ausrichten?!
"Ach, als ob du dir nicht denken könntest was wir wollen" Aegir war an mir vorbei und auf Jurij zu getreten. Mein großer Bruder war zwar nicht unbedingt ein Hüne, doch verstand er es auf seine Weise ordentlich Eindruck zu schinden. Er nahm nun doch die Kapuze vom Kopf und entblößte somit seine rechte, vollkommen tätowierte Schädelseite. Durch den blonden Undercut den er trug war diese gut zu erkennen und gepaart mit seinen blauen, bedrohlich blickenden Augen verstörte das schon so manchen Christen. Noch dazu wenn sie gut situierte Christen waren, die nicht mal richtig ein Schwert halten konnten. So wie Jurij es eben war.

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