Kapitel 40 - Wut und Verderben

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Der junge Hexenmeister fühlte nichts als Taubheit. Taubheit in seinem Körper und seiner Seele.

Hatte er sich gerade etwa verhört? Hatte sein Onkel ...?
Er konnte es nicht glauben.

Und warum ausgerechnet seine geliebte Mutter!
Die wichtigste Person in seiner Welt, sein Licht der Hoffnung! Die Person, die ihn gelehrt hatte, dass Glück nichts kostete, aber trotzdem so wertvoll war, weshalb er es sicher verwahren sollte. Die Person, die ihn gebeten hatte, tapfer zu sein.

Aber wie konnte er jetzt noch tapfer sein nach dieser Erkenntnis, die ihm förmlich den Boden unter den Füßen wegzog. Plötzlich war da diese Eiseskälte, die sich über ihn legte und ihn erdrücken wollte, dabei war es draußen noch immer  warm, wenn auch schwül.

Allerdings spürte er das kaum, denn fast seine gesamte Umwelt schien bedeutungslos geworden zu sein. Der junge Hexenmeister fühlte sich allein, so furchtbar allein in dieser Welt, die plötzlich so dunkel und bedrohlich erschien.

Er hatte doch schon so viel durchgemacht und jetzt erfuhr er, dass der schwerste Schicksalsschlag einen grausamen Übeltäter hatte, der nichts als Hass in diese Welt brachte. Wegen diesem Mann war seine Mutter nicht mehr am Leben. Sie war fortgerissen worden, weg von ihm, weg von seiner Familie.

Er erinnerte sich an den seltsamen Ausdruck in ihren Augen, als sie ihre letzten Worte an ihn gerichtet hatte. Er sah es noch immer genau vor sich. Unwohlsein und ... Angst.

Hatte sie gewusst, was kommen würde? Wieso hatte sie nie etwas von der Misshandlung durch den Onkel gesagt? Allerdings ahnte er bereits, warum sie geschwiegen hatte, immerhin hatte er so etwas ähnliches in viel harmloserer Art selbst erlebt.

Sie hatte sich bestimmt furchtbar geschämt und gedemütigt gefühlt. Wie er. Er konnte ihre Entscheidung nachvollziehen, aber diese ganze Sache machte ihn auch so ... wütend.

Sein Leid, ihr Leid, das hätte man alles vermeiden können! Seine Mutter könnte immernoch lebendig sein und ihm kluge Ratschläge erteilen. Sie war nur fort wegen ... ihm.

Plötzlich sammelte sich heiße Wut in seinem Bauch und ersetzte die Kälte und die Taubheit. Er war so wütend wie noch nie in seinem Leben, immerhin war er zuvor stets sanftmütig gewesen.

Jetzt jedoch verspürte er den Drang, dieser Wut Luft zu machen. Er musste doch irgendetwas tun! Irgendetwas, dass nur ansatzweise zeigen würde, wie sehr ihm seine Mutter fehlte!

Sein Blick fixierte sich auf Azazel, der noch immer mit diesem verflucht hönischen Grinsen da stand, als wäre er stolz auf seine Tat und ihr Konsequenzen. Der junge Hexenmeister konnte es einfach nicht ertragen ihn so schadenfroh zu sehen!

Nicht wenn es um seinen Lieblingsmenschen ging und zum ersten Mal tat er etwas, von dem er sonst stets Abstand gehalten hatte. Er wendete Gewalt an.

Wut führte seine langen Schritte quer durch die Bar zu Azazel hin und ehe dieser sich versah, machte sein hässliches Gesicht Bekanntschaft mit der Faust des Jungen. Aber er war noch nicht fertig.
Er schubste den größeren Mann gegen die Wand und kickte ihm nochmals wutentbrannt in den Bauch.

Da war nichts außer diese alles verschlingende Wut, die einen roten Schleier über die Welt legte. Er bekam nicht mit wie sein Vater ihn entsetzt anstarrte oder den Schmerz in seiner Hand, die es nicht gewohnt war, andere zu verletzten.

Er verbrannte förmljch in diesem lodernen Zorn, wie in einem hungrigen Feuer, aus dem es kein Entrinnen gab und dem man sich nur ergeben konnte. Und genau das tat er ja.

Zehn und eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt