3. Wenn ich du wäre...

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Wir hatten uns eine ganze Weile unterhalten und ich musste mir selbst eingestehen, dass mir Nates Gesellschaft sogar irgendwie gefiel.
Erstens, da ich nun nicht gezwungen war allein rumzustehen, während sich Chiara und Wesley amüsierten.
Zweitens, weil er — zugegebenermaßen — eine überaus attraktive Gesellschaft darstellte.
Und zu guter Letzt war er gar nicht so übel wie es anfangs den Anschein gemacht hatte. Im Gegenteil, es war sogar recht interessant sich mit ihm zu unterhalten. Wir hatten genügend Gesprächsstoff, ungeachtet dessen dass er bereits ein Vollzeitstudent war und ich quasi noch Schülerin. Vermutlich war es eben diese Unterschiedlichkeit, die das Gespräch interessant gestaltete.

Im Großen und Ganzen war er demzufolge eine akzeptable Gesellschaft. Immerhin hatte er Humor und wirkte einigermaßen sympathisch, auch wenn ab und zu ein Touch Überheblichkeit mitschwang. Das schob ich getrost auf sein unverschämt gutes Aussehen. Perfektion konnte eben schnell überheblich wirken, da es die meisten Mitmenschen missmutig stimmte. Egal, ob man beneidenswerte Charakterzüge besaß oder man einfach –wie Nate— unverschämt makellos aussah.

Da ich ihn allerdings kaum kannte, konnte diese Überheblichkeit genauso gut ein Wesenszug seiner Person sein. Das wusste ich nicht genau und wollte ich ehrlich gesagt auch nicht. Für den Abend konnte ich nämlich darüber hinwegsehen. Schließlich unterhielten wir uns nur. Ich war nicht gezwungen ihn nach diesem Abend je wiederzusehen oder mich weiterhin mit ihm abzugeben. Würde er mir auf die Nerven gehen, könnte ich einfach verschwinden.

„Sag mal, wollen wir die ganze Sache vielleicht ein bisschen interessanter gestalten?", schlug Nate mit einem schalkhaften Glitzern in den Augen vor.
Er hatte uns gerade ein neues Getränk geholt und mir den Becher in die Hand gedrückt.

„Inwiefern?", ich drehte mich argwöhnisch zu ihm.

Ich war heil froh, dass mir die Wand an meiner Schulter noch etwas Halt gab. Allmählich hatte ich das Gefühl, dass sich der Alkohol die Kontrolle über meine Gliedmaßen erschlich.
Mit meiner Körpergröße von eins sechsundsechzig blieb ich auf Partys meist sowieso kaum länger als eine Stunde bei Verstand bis sich die ersten Anzeichen des Alkoholkonsums bemerkbar machten. Ich hatte einfach nicht genug Masse, um den Alkohol schnell genug abzubauen. Ein Pluspunkt davon war, dass ich meist nicht viel Alkohol benötigte und mir mein Geldbeutel dies nach jedem Clubbesuch dankte. Wohingegen mein Magen, die Leber und mein Gehirn ihre Einwände am darauffolgenden Morgen, oft mehr als deutlich, zum Ausdruck brachten. Zu meinem Leidwesen war ich wirklich sehr kateranfällig.

Nate sah zu mir herab und grinste herausfordernd. „Lass uns ‚Wenn ich du wäre...' spielen."

Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen und überdachte seinen Vorschlag: „Wieso?"

„Ich weiß nicht...", er zuckte belanglos mit den Schultern, während seine linke Hand lässig in der Tasche des orangen Overalls steckte und er seinen Becher in der rechten hielt: „... könnte doch witzig werden."

„Mh, vielleicht."

„Wieso schaust du mich dann so skeptisch an?", er hob fragend eine Augenbraue. „Auch wenn es ganz niedlich aussieht wie du deine Augen bockig zusammenkneifst, verwirrt es mich doch mehr, als dass es mich anmacht.", fügte er mit dem Hauch Überheblichkeit an, den ich, seitdem er mich angesprochen hatte, versuchte zu ignorieren.

„Ich versuche nur deine Hintergedanken bei diesem Spiel ausfindig zu machen.", erwiderte ich trocken.

„Hintergedanken? Ich?", gespielt betroffen legte er sich eine Hand auf die Brust: „Für wen hälst du mich?"

Ich versuchte sein amüsiertes Verhalten zu verdrängen und entgegnete: „Für jemanden, den ich kaum kenne und deshalb versuche nicht zu unterschätzen. Wenn ein Krimineller ein Spiel mit dir spielen möchte, sollte man ohnehin höchst vorsichtig sein."

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