16. Makelloser Lebenslauf

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Josh hatte nicht untertrieben, als er meinte er sei in einer Stunde fertig. Genau eine Stunde später stand er umgezogen, in einem weißen Shirt und einer schwarzen Hose vor mir.

Ich ließ mich nicht zwei Mal bitten und folgte ihm nach draußen, quer durch die Stadt, indessen unterhielten wir uns über alles Mögliche. Über wichtige, sowie belanglose Themen. Mit Josh fühlte sich jedes Gespräch so leicht an, als wäre er nie weg gewesen.

Er erzählte mir von seiner eindrucksvollen Europareise, die er um ein halbes Jahr verlängert hatte, da er sich nicht bereit gefühlt habe die Menschen in der kleinen spanischen Provinz der neu erbauten Schule sich selbst zu überlassen. Dort hatte er das letzte halbe Jahr als Aushilfslehrer gearbeitet. Zeitgleich hatte er wohl eine spanische Freundin, wegen der er nicht abreisen wollte. Doch diese Beziehung schien kurz vor seiner Abreise zu Ende gewesen zu sein. Laut ihm waren beide einfach zu verschieden, um auf Dauer glücklich zu sein.

Nun lebte er seit fünf Wochen in Bakersfield, soweit ich das richtig verstanden hatte.

Kein Wunder, dass er sich zumindest schon etwas besser als ich auszukennen schien. So zielsicher, wie er mich durch die Straßen lotste.

„Und was hast du jetzt mit deinem Leben vor?", interessiert warf ich einen Seitenblick zu ihm.

Josh steckte seine Hände in die Taschen seiner schwarzen Chino und zuckte ratlos mit den Schultern: „Ich weiß nicht.", er kickte einen Stein mit dem Fuß über den Gehweg. „Erstmal halte ich mich mit verschiedenen Jobs über Wasser und danach studiere ich vielleicht Lehramt."

Verstehend nickte ich.

„Ich habe ja noch Zeit. Mit einundzwanzig liegt quasi noch mein ganzes Leben vor mir. Das möchte ich erstmal so genießen wie es kommt und mir keine Wege durch vorzeitige Entscheidungen verbauen."

Josh war schon immer sehr wissbegierig und versuchte so viele Eindrücke wie möglich zu erhaschen. Das ging auch wunderbar mit seinem Talent einher sich wie ein Chamäleon an neue Begebenheiten anzupassen. Bei ihm sah es immer so mühelos aus, wenn er auf neue Menschen traf oder sich Dinge aneignete, die er bis dato noch nie gemacht hatte. Seine Anpassungsfähigkeit war beneidenswert. Ebenso wie sein empathischer Umgang mit Menschen.

„Hier wären wir.", gemeinsam liefen wir unter zwei mächtigen Baumkronen durch, die eine Allee an Bäumen eröffnete. Drum herum befand sich eine riesig wirkende Grünfläche.

Begeistert weiteten sich meine Augen und glitten von der atemberaubenden Natur, den gigantischen Springbrunnen, über die Menschen, die über die Wege spazierten, joggten oder auf einer Bank saßen und sich angeregt unterhielten, zu Josh, der auf meine Reaktion zu warten schien.

„Das ist...", ich versuchte ein Wort zu finden, was diesen Ort beschrieb. „...fantastisch.", presste ich überschwänglich raus.

„Oh ja.", pflichtete mir Josh wissend bei. „Ich habe den kleinen Park vor einer Woche entdeckt, als ich den Kopf frei bekommen wollte.", während er mir das erklärte, setzten wir uns langsam wieder in Bewegung, um über die Schotterwege des Parks zu laufen.

Ich konnte meinen Blick kaum von der friedlichen Umgebung abwenden.

„Wer hätte geahnt, dass in einer solchen Stadt, so ein schönes Stück Natur lauert. Ich habe vorhin sofort daran gedacht, dass ich dir das zeigen muss. Damit du einen Platz hast, falls du mal Ruhe von dem Großstadtleben brauchst. Vielleicht erinnert dich das sogar ein bisschen an Glennwood.", lächelte er mir entgegen.

Und er hatte recht. Glennwood war eine Kleinstadt, die an sich nicht viel zu bieten hatte. Doch die zahlreichen naturgeschützten Wiesen mit bunten Blumen aller Art und die gemütlichen Parks, die im Sommer Unmengen an Besuchern einluden, machte sie doch zu etwas besonderem.

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