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Am Abend desselben Tages folgte Harry seinen beiden besten Freunden in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Das tat er eigentlich schon die ganze Zeit über - ihnen nachlaufen. Er war so sehr in seine eigenen Gedanken versunken, dass er kaum mitbekam, wohin es ging. Nach der dritten Nachfrage hatte schließlich auch Hermine aufgegeben, sich nach dem Wohlbefinden ihres besten Freundes zu erkundigen und schleifte ihn einfach mit von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde zum Essen und nun endlich in den Gemeinschaftsraum. Der Tag war anstrengend genug, plötzlich verlangte man wieder die volle Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler, die eigentlich noch immer damit beschäftigt waren, ihre Erinnerungen aufzuräumen.
Nachdem sich die drei Freunde mindestens eine Stunde lang schweigend gegenüber saßen und höchstens dem flackernden Kaminfeuer und den leisen Gesprächen der anderen Gryffindors lauschten, hielt Harry die Stille nicht mehr aus. Er sprach etwas aus, das ihm seit gestern Nacht im Kopf herumschwirrte.
„Glaubt ihr, dieses Jahr wird ruhiger als unsere bisherigen?" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber die anderen hatten ihn verstanden.
„Ich hoffe doch", lachte Ron scherzhaft auf, bis ihm auffiel, dass Harry überhaupt nicht zum Scherzen zumute war. „Entschuldige."
„Ich denke, es wird ruhiger werden. Den Grund, der uns die letzten Jahre über auf Trab gehalten hat, gibt es nicht mehr. Ihr-wisst-schon-...", versuchte Hermine, ihrem besten Freund die Sorgen zu nehmen, wurde aber sofort unterbrochen.
„Voldemort. Und ja, er ist tot. Aber ich habe trotzdem Angst, dass es noch nicht vorbei sein könnte. Dass wieder irgendwas auf uns zukommt. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal die Kraft dazu habe..." Harry ließ seinen Blick sinken, um seine aufsteigenden Tränen zu verbergen. Er brachte es nicht übers Herz zu sagen, dass er sich auch davor fürchtete, dass sie dieses Mal das Glück verlassen würde. Dass einer der drei es dieses Mal nicht überlebte. Aber er schaffte es nicht, die Worte über seine Lippen zu bringen.
„Wir sind doch auch noch da und wir haben bisher alles bewältigt. Außerdem müssen wir uns doch jetzt nicht schon Gedanken über etwas machen, das mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht eintreten wird." Zuversichtlich lächelnd legte Hermine ihre Hand auf Harrys, doch der war zur Zeit überhaupt nicht für Zuversicht empfänglich.
Stattdessen sprangen seine Gedanken zum wiederholten Male heute zu graublauen Augen. Er hatte seinen Blick auf sich im Zaubertränke-Unterricht sehr wohl bemerkt und ihm war dabei gefährlich warm ums Herz geworden. Was war bloß los mit ihm? Und nicht nur das, er machte sich momentan sogar Sorgen um Draco. Schon bei ihrem Zusammentreffen im Gerichtssaal vor wenigen Wochen war es Harry aufgefallen - die dunklen Schatten unter seinen Augen und schlichtweg Dracos ganzes Erscheinungsbild. Er sah unheimlich krank aus, kränker noch als im sechsten Jahr.
„Themenwechsel. Ist euch Malfoy aufgefallen?", sprudelte es schneller aus Harry heraus, als er darüber nachdenken konnte und er bereute seine Worte sofort. Erkundigte er sich gerade ernsthaft nach seinem Erzfeind?
„Naja, ist ein Arsch wie immer, warum fragst du?", kam es verbittert von Ron, dieser verabscheute den platinblonden Jungen noch immer mehr als alles andere.
„Habt ihr ihn euch mal angesehen? Er sieht schlimmer aus als die meisten hier."
„Sorgst du dich etwa um Draco Malfoy?" Ron zog halb verwirrt, halb verurteilend eine Augenbraue in die Höhe. Wie kam sein bester Freund nur dazu, sich um das Wohlbefinden seines Feindes Gedanken zu machen?
„Natürlich nicht." Diese Antwort kam zögerlicher als gewollt. „Ich sorge mich einfach um alle nach dem Krieg. Schließlich sind sie meinetwegen..."
„Hör endlich damit auf, Harry! Wann verstehst du endlich, dass dich keine Schuld trifft? Wir alle haben freiwillig gekämpft", brach es ungehalten aus dem Rothaarigen heraus und er sprang aufgebracht auf. „Außerdem hast du Malfoy schon genug geholfen, als du seine Familie vor einer Strafe bewahrt hast."
„Ich habe lediglich die Wahrheit erzählt. Und jetzt entschuldigt mich." Überfordert von dieser einfachen Konversation flüchtete Harry aus dem Gemeinschaftsraum in seinen Schlafsaal, den er zu diesem Zeitpunkt und zu seiner Erleichterung komplett leer vorfand.
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In den Kerkern war mittlerweile Ruhe eingekehrt. Blaise lag rücklings mit den Armen hinter dem Kopf auf seinem Bett und wartete auf einen seiner Mitbewohner, der noch im Bad war. Er musste diesen einfach nach heute Morgen fragen, er konnte nicht anders. Sein bester Freund beobachtete beinahe sabbernd einen anderen Jungen und dann handelte es sich dabei auch noch um seinen eigentlichen Erzfeind. Natürlich interessierte sich Blaise dafür und so konnte er es kaum erwarten, bis endlich die Zimmertür aufging.
„Du hast heute Potter angestarrt", fiel er sogleich mit der Tür ins Haus, woraufhin Draco wie angewurzelt stehen blieb und beinahe seinen Kulturbeutel fallen ließ. Diese Reaktion entlockte Blaise jedoch nur ein Grinsen und bestätigte ihn in seiner Annahme, nicht zu viel in die Sache hineinzuinterpretieren.
„Hab ich nicht", knurrte der platinblonde Junge in der Mitte des Raumes bloß, sobald er seine Fassung wiederhatte, verstaute seine Sachen im Schrank und zog sich seinen Schlafanzug an. „Wie kommst du bitte auf so einen Quatsch?"
„Draco, ich kenne dich gut. Und hör mir zu, es würde mich ja nicht einmal wundern. Nicht mal Pansy hast du so angesehen - und ihr wart in einer Beziehung."
„Du leidest an Wahnvorstellungen, Blaise."
„Tu ich nicht, es ergibt alles Sinn. Außerdem hast du dich auch schon verdächtig lange nicht mehr über Potter beschwert. Zugegeben, ich vermisse das stündliche Potter und seine hässliche Narbe - Potter, der denkt, er sei was Besseres - Sieh an, Potter wieder nur am Autogramme verteilen ein wenig", rechtfertigte sich Blaise und äffte seinen besten Freund nach.
„Halt's Maul. Wir reden über Potter. Ich kann ihn nicht ausstehen. So war es immer und so wird es immer bleiben." Kopfschüttelnd schlüpfte Draco unter seine Bettdecke und kehrte Blaise den Rücken zu. Dieser musste dadurch nur noch mehr grinsen. Für ihn war die Sache glasklar.
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Healing - A Drarry Fan Fiction
أدب الهواةDie Schülerinnen und Schüler von Hogwarts kehren nach dem Krieg in genau die Schule zurück, die noch vor einigen Monaten in Schutt und Asche lag und Freunde und Familie unter sich begraben hat. Wer überlebt hat, dem sind die grausamen Bilder der Ere...