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... noch nicht vorbei...
... wenn du am verletzlichsten bist...
... ich warte...
... noch nicht vorbei...

Der Tag endete nicht so wie Harry erhofft hatte. Heute ging es mit seiner Stimmung wirklich auf und ab. Seit dem Irrwicht spukten Voldemorts Worte - oder die seines Doppelgängers - ständig in Harrys Kopf herum.

„Harry!" Der Angesprochene schüttelte energisch den Kopf, um seine Hirngespinste loszuwerden und wieder in der Realität anzukommen. Ron kam förmlich angerannt und ließ sich hastig auf den Platz neben Harry fallen. Beide befanden sich in der großen Halle.

„Hast du schon gehört, was im Slytherin-Gemeinschaftsraum abgegangen ist?" Der Rothaarige sah seinen besten Freund geheimnisvoll und aufgeregt wippend an. Dieser zog nur die Augenbraue hoch, er fand, dass Rons Anblick etwas von dem einer Klatschtante hatte. Solche Verrückten, die bei Tante Petunia ein- und ausgingen, mit ihr Kaffee tranken und ihr die neusten Klatschgeschichten aus der Nachbarschaft auftischten.

„Nein, aber ich nehme an, du wirst es mir gleich erzählen."

„Nott und Malfoy haben sich duelliert. Erst mit den Fäusten, bis einer den Zauberstab gezogen hat. Dabei sind die Freunde! Kannst du dir das vorstellen? Ich hab doch gleich gesagt, man hätte Todesser nicht mal in die Nähe der Schule lassen sollen...!"

„Beruhig dich, Ron. Was ist denn zwischen ihnen vorgefallen?" Harry versuchte, seine aufkeimende Neugier über den Vorfall zu verbergen. Mit seinem ersten Satz hatte Ron einen wunden Punkt getroffen.

„Es gehen Gerüchte rum, dass sich erst Zabini und Malfoy gestritten hätten. Zabini hätte was gesagt, das Nott mitbekommen hat. Muss wohl um Malfoy gegangen sein, denn der sei sofort ausgetickt und auf Nott losgegangen. Hat ihm wohl sogar 'nen Gedächtniszauber auf den Hals gehetzt." Während Ron zu seinen Ausführungen wild gestikulierte, dachte Harry darüber danach, was Zabini wohl gesagt haben könnte. Auch Ron hatte gleich einige verrückte Ideen parat, die Harry allerdings nicht so ganz glauben konnte oder wollte. „Vielleicht ging es um seinen Vater... irgendeine Todesser-Angelegenheit, die niemand mitbekommen darf. Was denkst du?"

Harry kam nicht mehr zu einer Antwort, denn in diesem Moment ging die Tür auf und hinter Professor Slughorn, der eine für seine Verhältnisse strenge Miene aufgesetzt hatte, trotteten Malfoy und Nott in die große Halle. Beide hatten aufgeplatzte Fingerknöchel und waren von blauen Flecken übersäht, Nott presste sich ein blutgetränktes Taschentuch auf die Nase - ja, Nasen zertrümmern konnte Draco gut, erinnerte sich Harry. Draco selbst hatte zwei größere Schnitte im Gesicht, einen an der Unterlippe und einen an der linken Augenbraue. Beide Jungen sahen ziemlich düster drein, als sie sich zum Slytherin-Tisch schleppten und den hunderten Blicken auswichen, die auf sie gerichtet waren.

„Und? Hat Slughorn euch einen Kopf kürzer gemacht?", fragte Blaise sofort, als sich seine Freunde setzten. Er sah neugierig zwischen ihnen hin und her.

„Hat uns 'ne Predigt gehalten und uns zum Pokale-Putzen verdonnert. Hätte schlimmer kommen können", brummte Nott und zuckte resigniert mit den Schultern.

„Du hast vergessen, dass er uns zu Entschuldigungen gezwungen hat", schob Draco nun hinterher. „Als wären wir zwölf."

„Naja, also..." Blaise unterbrach sich lieber selbst, bevor er sich nochmal eine einfing. Draco und Theo sahen jedenfalls so aus, als könnte man ihnen heute nicht mehr all zu viel zumuten.

„War's das nun eigentlich mit unserer Freundesgruppe, jetzt wo sich zwei geprügelt haben, oder sehen wir darüber hinweg?", mischte sich nun Pansy ein, die gerade das Original ihrer abgeschriebenen Hausaufgaben zurückgebracht hatte.

„Schon vergessen, Mann. Ich bin nur sauer wegen des Gedächtniszaubers. Was ist so peinlich, geheim oder sonst was, dass du's mir nicht sagen kannst?", fragte Theo fast ein bisschen verletzt.

„Würde ich es jetzt verraten, hätt' ich mir das vorhin ja wohl sparen können." Draco verdrehte die Augen und stand auf. Und das alles nur, weil Blaise seine verdammte Klappe nicht halten konnte. Er musste Draco ja unbedingt damit nerven, dass er und Potter jetzt zwangsläufig Sitznachbarn in Verteidigung gegen die dunklen Künste waren. Theo hatte einen Teil des Gesprächs aufgeschnappt und so kam eine Sache zur nächsten. Dracos Beine trugen ihn wieder raus aus der Halle, bis zum Abendessen war noch kurz Zeit. Er hoffte, dass Theo durch den Zauber auch vergessen hatte, dass Blaise eingeweiht war, und nicht noch auf die Idee kam, ihn auszufragen. Blaise jedenfalls würde sich nicht nochmal von sich aus trauen, seine absurden Mutmaßungen in der Öffentlichkeit kundzutun.

In der großen Halle war unterdessen jemand vom Gryffindortisch aufgesprungen.

„Entschuldige mich kurz", unterbrach Harry Rons Verschwörungstheorien um die Prügelei der Slytherins. Der Rothaarige sah verwirrt zu Harry auf, weshalb dieser noch etwas nachsetzte. „Du willst wissen, was passiert ist. Ich geh fragen."

Gut, ganz so direkt vielleicht nicht, aber Harry hatte Dracos plötzliche Aufbrüche aus der großen Halle langsam satt und deshalb rannte er ihm jetzt nach. Nach der eigentlich guten Zusammenarbeit an den Stationen und Dracos eigentlich guter Laune danach, fühlte sich Harry irgendwie verantwortlich. Er holte ihn unten im Hof ein.

„Hey, warte mal!", rief Harry und Draco blieb für einen Augenblick stehen, um nachzusehen, wer ihm gefolgt war.

„Nicht du schon wieder... hast du mich nicht heute schon genug genervt?"

„Ich wollte nur wissen, ob alles okay ist? Und warum du und-..." Weiter kam Harry nicht.

„Könntest du endlich mal aufhören, für mich den Aufpasser zu spielen?! Nur, weil wir uns in den letzten Monaten ein paar Mal das Leben gerettet haben, sind wir doch nicht gleich Freunde oder sowas! Erbärmlich..."

„Ich-... also ich-... es tut mir leid, vermutlich hast du recht." Harry senkte geschlagen den Kopf. Was fiel ihm auch ein, Draco plötzlich nachzurennen oder zu bemitleiden, nur weil sie in letzter Zeit etwas zivilisierter miteinander umgegangen waren? Er atmete hörbar ein und als er den Blick wieder hob, begegnete er wieder einmal Dracos graublauen Augen. Harrys geknickte Worte hatten ihn von seinem Gefühlsausbruch runtergeholt und nun fühlte er sich fast etwas schlecht Harry gegenüber.

Dieser bemerkte als Erstes das hellrote Blut, welches sich erneut seinen Weg über Dracos Kinn bahnte, nachdem sich der Slytherin auf die Lippe gebissen hatte. Harry zog ein zerknittertes, aber sauberes Taschentuch aus seiner Hosentasche und reichte es seinem Gegenüber, der wohl weiterhin nicht mehr als sein ewiger Feind bleiben wollte. „Hier."

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Healing - A Drarry Fan FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt