Meine gesuchten Worte

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Ich machte gerade Kaffee-Pause und stand deshalb im Empfangsraum des Sacred Hearts und starrte verträumt nach Draussen. Die Parkplätze waren eingeschneit und der Hausmeister versuchte diese freizulegen. Ich sah Dr. Cox die Rampe hochlaufen – mit finsterer Miene wie immer – und zählte die Schneeflocken in seinen Locken. Als er mich erblickte lächelte er sarkastisch und stampfte auf mich zu. Ich vernahm Perrys Worte nicht, da ich gerade dem neuen Album „FOUR“ meiner fünf Lieblingssänger lauschte. Ich war zwar kein Lippenleser, doch ich konnte ohne Mühe erraten, wie mich Dr. Cox begrüsst hatte. Heute war es ein ironisches „Guten Morgen, Beccy“. Der Chefarzt grinste immer noch und deutete mir, dass ich die Stöpsel aus meinen Ohren nehmen solle. Widerwillig drückte ich auf „Pause“ und kam Perrys Wunsch nach. „Guten Morgen, liebe Sorgen.“, verkündete Perry gespielt enthusiastisch. Ich nickte anerkennend und wollte weiter Musik hören. Doch mein angesäuerter Chef hatte etwas dagegen, gab einen lauten, sehr lauten Pfiff  von sich und schlug mir die Kopfhörer aus der Hand. „Ich bin noch nicht fertig, Flachzange!“, schimpfte Cox. „Ich habe dir noch gar nicht erläutert, weshalb ich dich mit „liebe Sorgen“ anspreche.“, begann er seine Erklärung. „Nun gut, Tiffany, dann hör mal dem lieben Onkel Doktor ganz brav zu.“, forderte mich Perry auf und holte tief Luft. „Letzte Nacht lag ich – wie jede andere Nacht davor – wach in meinem Bett und konnte nicht einschlafen. Du fragst dich jetzt hundertprozentig, ob dies am Gestank meiner Ex-Frau lag. Nur teilweise, denn die kleine Jennifer weinte die ganze Nacht lang und ich durfte derjenige sein, der sie bei jedem Mal beruhigen musste, da die liebe Jordan so erschöpft war. Der aufmerksame Zuhörer wird sich nun fragen, aus welchem Grund ist die gute Jordan derart müde. Nun ja, sie machte sich mit ihren blutgierigen und seelenverschlingenden Freundinnen auf die Jagd nach Kleinkindern oder wie sie es nennt: Sie gingen „Party machen“. Auf jeden Fall musste sie nach mehr oder minder erfolgloser Jagd den kompletten Weg nach Hause zu Fuss gehen, denn weiss du, Flachzange, es ist zu kalt draussen, als dass die Hexen auf ihren Besen hätten Heim fliegen können. Wie bereits erwähnt lag ich aus den vorher erklärten Gründen wach im Bett und hatte deshalb Zeit, mir Gedanken über meine Sorgen zu machen. Und nun halt dich fest, Gel-Frisur! Alle meine Sorgen haben einen gemeinsamen Nenner: dich! Aus genau diesem Grund entspräche es nicht der Wahrheit, wenn ich dich mit „liebe Sorge“ ansprechen würde. Denn du bist nicht nur eine Sorge, nein! Du bist die Personifizierung jeglicher Sorgen, die in meinem Leben auftreten. Nun weisst du, weshalb ich dich in der Mehrzahl anstelle mit der Einzahl anspreche.“, komplettierte Cox seine Erläuterung. Er grinste zufrieden und stemmte die Hände gegen seine Hüfte. Ich war etwas verwirrt, denn zum einen verletzte mich Perrys Schimpftirade, doch zum anderen war ich überglücklich, dass Dr. Cox nachts an mich dachte. Mit leichter Verzögerung quittierte ich Cox‘ Vortrag: „Wow, weil ich ihnen und ihrer ellenlangen Erklärung zugehört habe, ist meine Pause bereits um. Dabei wollte ich mir doch noch ein bisschen Irish-Cream in meinen Kaffee tun.“ „Glauben sie mir, Schwester Dorian, es ist besser, wenn du keine Kaffee-Pausen mehr einlegst. Das bringt dich nur auf schräge Gedanken und das Koffein tut dir alles andere als gut. Dann schreibst du nur wieder irgendwelchen Schrott von Drehbüchern. Das ist Papiervergewaltigung!“, verletzte mich Dr. Cox aufs Neue. „Ach ja, ist es das Perry?!“, schrie ich mit kräftiger und resoluter Stimme. „Waren nicht sie eine unter den etlichen Personen, welche Dr. Acula liebten? Geben sie’s zu, sie finden meine Drehbücher herausragend!“, konfrontierte ich Perry mit der Wahrheit. Sichtlich genervt meinte Dr. Cox: „Mein Gott, Sophia, ich habe lediglich gesagt, dass dieses Drehbuch nicht allzu schlecht ist. Komm mal wieder runter und geh zurück an die Arbeit, auch wenn es für die Patienten besser wäre, wenn du nie wieder als Arzt praktizieren würdest.“ Er drehte sich ab und ging zu den Garderoben. Ich zollte Perrys lächerlicher Rechtfertigung nur halbherzig Aufmerksamkeit, denn ein Lob war ein Lob und er konnte es nie wieder zurücknehmen.

Gemeinsam mit Turk studierte ich eine Patientenakte im Gemeinschaftsraum. „Was fehlt diesem Kerl bloss?“, fragte sich Turk laut und entgeistert. „Der war schon überall – auf jeder Station, ausser bei den Leichen im Keller.“, fasste ich das Gelesene zusammen. „Dort wird er jedoch auch bald sein, wenn wir nicht dahinter kommen, was er sich eingefangen hat.“, prophezeite Turk. „Na Jungs, schon etwas Neues im Fall „Mr. Ventre“?“, erkundigte sich Carla, die gerade eben  den Raum betrat und besorgt aussah. „Nein, leider nicht.“, gab Turk zu. „Seine Werte werden immer schlechter. Wir müssen etwas unternehmen. Lange macht er das -“, wollte uns Turks Frau informieren, doch sie wurde von meiner Freundin unterbrochen, welche mit einem ratlosen Gesichtsausdruck kurz ins Zimmer blickte und meinte: „Mr. Ventres Familie ist hier. Sie wollen wissen, was ihm fehlt. Was soll ich ihnen sagen?“ „Dasselbe wie die letzten Male auch.“, antwortete ich Elliot trocken. „Dass wir immer noch nicht mehr wissen?“, fragte sie zögernd nach. „Jawohl, ganz genau das. Es bringt nichts, wenn wir ihnen mit einer Lüge falsche Hoffnung machen.“, musste ich Elliot enttäuschen. „Alles klar, dann werde ich es so machen.“, stimmte die blonde Ärztin zu und machte sich auf den Weg zu den Ventres. „Carla, du bist ja immer noch schwanger.“, versuchte ich die Situation mit ein wenig Smalltalk zu entschärfen. „Na klar bin ich das noch, Bambi. So eine Schwangerschaft dauert in der Regel neun Monate.“, erwiderte Schwester Espinosa, die obwohl sie mit meinem besten Freund verheiratet war, immer noch ihren Mädchennamen behielt. Allerdings tat sie dies nur bei der Arbeit, da die Patienten sie unter diesem Namen kannten und mochten. „Natürlich tut sie das, Carla. Ich bin Arzt; ich weiss so etwas. Ich wollte nur eine bisschen Smalltalk machen.“, machte ich mich über die Antwort der Latina-Schwester lustig. „Das hoffe ich doch.“, wurde ich von Carla ermahnt. Auch sie verliess den Aufenthaltsraum und verschwand auf dem Flur. „Wusstest du, dass eine Schwangerschaft neun Monate dauert, Turk?“, wollte ich von meinem schwarzen Kumpel in Erfahrung bringen. „Ne, aber ich bin auch Chirurg. Und wir wissen genau zwei Dinge, wenn’s um Medizin geht: Schnipp und Schnapp. Mehr brauchen wir nicht zu wissen. Schnipp, schnapp und das Problem ist weg. Ein entzündeter Blinddarm? Schnipp, schnapp und die Sache ist behoben. Ein Tumor? Schnipp, schnapp und die Angelegenheit ist erledigt. So einfach geht das.“ „Schnipp, schnapp und das Problem ist weg.“, wiederholte meine innere Stimme Turks Worte. Dieser Chirurg konnte so tiefsinnig sein. Er konnte so philosophische Ratschläge geben. Er war ein schwarzer Aristoteles oder ein afrikanischer Kant oder sogar ein maximal pigmentierter Nietzsche. Er hätte die Probleme der ganzen Welt mit seiner „Schnipp-Schnapp“-Ideologie lösen können. Er könnte mit seiner Weisheit auf Tournee gehen, um sie unter die Leute zu bringen. „Ich würde T-Shirts mit deiner Botschaft bedrucken lassen und keinen deiner Vorträge verpassen.“, schwärmte ich Turk vor.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 09, 2015 ⏰

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Scrubs - Die Anfänger (Meine Fortsetzung/Fan-Fiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt