Im Lager des Feindes

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Ich sah sie überrascht an. Warum hatten die Bäume mich nicht gewarnt? Hinter ihr standen drei weitere Elben, welche auch nur spärlich bewaffnet waren. Es war schon ungewöhnlich, dass sie überhaupt Waffen an sich hatten.
„Ich will reden", antwortete ich ruhig und sah sie fest an. „Der Ring zuerst", verlange sie und hielt ihre Hand auf. Ich sah sie ungläubig an und rührte keinen Muskel. Vermutlich würde ich dasselbe an ihrer Stelle tun, doch ganz so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Sie hob ihr Schwert ein wenig an und die Elben hinter ihr verteilten sich um uns. Langsam legte ich meine Finger um den Ring und versuchte einen Weg aus dieser Situation zu finden. Doch das übernahm anscheinend schon jemand anderes für mich. Ich hätte es fast nicht mitbekommen, als Legolas lautlos hinter mir hervorsprang und mit einem Schlag einen von ihnen köpfte und den nächsten zu Boden beförderte, wo er auf seinen Hals stieg, um gegen den letzten zu kämpfen. Doch natürlich reagierte auch Tavaril, welche ihr Schwert sofort hob.
Im Schock kehrte plötzlich blitzschnell meine Ausbildung zu mir zurück und ich drehte mich zur Seite, wobei ich instinktiv meine Hand ausstreckte und genau ihr Handgelenk erwischte, welches ich so ausdrehen konnte, dass sie die Waffe mit einem schmerzerfüllten Knurren fallen ließ. Ich schlüpfte hinter sie und schlang meinen rechten Arm um ihren Hals, während meine linke ihren Mund zuhielt. Legolas hatte inzwischen auch den letzten besiegt.
„Tut mir leid, wir hatten nicht unbedingt vor, so schnell entdeckt zu werden", flüsterte ich ihr ins Ohr und spannte dann meinen Arm an, wodurch ihr Kopf nach oben und zur Seite gedrückt wurde, wo er kurz knackte. Ihr Körper entspannte sich augenblicklich, worauf ich sie losließ.
„Also das wurde dir definitiv nicht beigebracht", sagte Legolas und hob etwas beeindruckt seine Brauen. „Es wurde oft genug an mir durchgeführt. Sie ist nicht tot", erklärte ich und atmete kurz durch. „Warum bist du zurückgekehrt?", frage ich leiser und sah ihn verwirrt an.
„Mir war recht schnell klar, dass du das nur sagst, um mich loszuwerden, aber wir wurden bereits beobachtet", antwortete er und sah kurz zu den Bäumen. Ich wandte meinen Blick ab und wusste nicht ganz, was ich sagen sollte. Er kannte mich besser, als ich dachte.
„Es—" „Schon gut", unterbrach er mich und ging an mir vorbei. „Tavaril war die Tochter des Königs. Sie hat wie ihre Eltern einen der Ringe bekommen und hat damit die Stärke der Ents erfahren." „Du musst mir das nicht erzählen, du wirst sie nur wütend machen", warf Legolas dazwischen, welcher sich wieder zu mir umgedreht hatte. „Sie haben uns gerade beide fast umgebracht. Ich nehme es als eine Entschuldigung, dass ich dir das erzählen darf. – Ihr war es nicht genug nur als Prinzessin den Ring zu haben und erst recht nicht, dass sie keine Kontrolle über den Wald hatte. Also schloss sie ein Abkommen mit Úmea ab. Sie betrog ihre Eltern und fand Verbündete in ihrem Volk. Sobald König und Königin das herausgefunden hatten, gab es einen Krieg, ein Krieg, den Tavaril Mithilfe der Orks gewann. Doch auch die verriet sie, wodurch die Angriffe auf den Wald begannen. Da Úmea die Ringe ihrer Eltern beim Krieg entwenden konnte, konnte Tavaril eine Verbindung zu ihr herstellen und jeden ihrer Schritte voraussehen, ohne dass sie es wusste. Und damit beschützt sie die Ents und die Ents beschützen sie", erzählte ich ruhig. Ein unzufriedenes Brummen von den Bäumen ertönte, doch ich ignorierte es.
„Worüber du gelesen hast, du musst es entweder falsch interpretiert haben oder sie haben diese Bücher absichtlich in deinem Zimmer platziert", fügte ich noch hinzu. „Das heißt, der Ring ist erst vor 3000 Jahren entstanden?" „Nachdem Yavanna sah, dass die Entfrauen von ihren Männern getrennt wurden, welche sich alleine nicht wirklich verteidigen konnten, sandte sie dieses Volk zu ihrer Rettung und gab ihnen die Ringe." Legolas' Blick wanderte nachdenklich durch die Bäume. „Du hast damals den Ast um meine Hand vaporisiert?" Ich zögerte kurz und dachte nach. „Vielleicht hat der Ring etwas von ihrer bösen Magie in den Händen von Úmea angenommen?" Er nickte kurz und sah zu Tavaril.
„Wir sollten sie mitnehmen, wenn sie gefesselt aufwacht, wird sie vielleicht ein wenig gesprächiger sein", schlug ich vor und sah Legolas auffordernd an. „Und womit sollen wir sie genau fesseln?", antwortete dieser überheblich und sah mich mit einem leichten besserwisserischen Lächeln an. Ich musterte ihn kurz, wobei mir auffiel, dass wir natürlich keine Seile oder Ähnliches dabeihatten. Wir waren schließlich ziemlich spontan aufgebrochen und im Herbst konnte man sich ganz gut von dem ernähren, was am Weg lag.
Doch die Bäume machten meinen peinlichen Fehler wieder gut, indem sie langsam Wurzeln um die Prinzessin schlangen.
„Damit", antwortete ich stolz und drehte mich wieder zurück, womit ich tiefer in den dichten Wald schaute. Wir traten von dem Weg hinunter und weiter Richtung Nordwest, bis wir uns sicher waren, dass wir weit genug von dem Lager entfernt waren.
Ich konnte abschätzen, wie lange sie noch bewusstlos sein würde, weshalb ich mich schweigend neben sie setzte.
„Sieht nicht aus, als wären sie sehr wütend, dass du es mir erzählt hast", murmelte Legolas, welcher neben mir stand und aufmerksam Wache hielt. „Sie sind aber auch nicht glücklich darüber", antwortete ich und griff durch die Wurzeln zu der linken Hand Tavarils. Mit schief gelegtem Kopf betrachtete ich den zwar nicht komplett schwarzen, doch verrotteten Ring. Er sah lange nicht so prächtig und elegant wie der meinige aus, doch es war gut möglich, dass er es einmal gewesen war. Also hatte Úmea wirklich nur noch einen Ring. Das erklärte, warum sie damals so versessen auf den meinen gewesen war.
Ich zögerte nicht länger und entfernte ihn von ihrem Finger. Sofort zog ein Rauschen durch die Bäume. Ich drehte mich zu Legolas und sah ihn fragend an. „Oh, nein, ich denke nicht, dass es mir bestimmt ist diesen Ring zu besitzen", wehrte er schnell ab und hob seine Hände. „Du wirst ihn vielleicht noch brauchen. Wir sind beide Düsterwaldelben, du wirst auch mit ihm umgehen können", antwortete ich sanft, worauf er mich einige Sekunden sprachlos anstarrte, doch ihn dann annahm. Er zog ihn nicht auf, sondern ließ ihn in seine Manteltasche gleiten.
Ein Brummen machte mich auf Tavaril aufmerksam. Sie kam wieder zu sich. „Stille", stöhnte sie kaum verständlich und kniff ihre Augen zusammen. Ich musterte sie interessiert. „Mein Ring", brummte sie immer noch verwirrt. "Du bist ihm nicht mehr würdig", antwortete ich ernst, worauf sie sofort ihre Augen öffnete. „Du—", doch sie wurde in ihrer Bewegung von den Wurzeln gestoppt. Etwas hilflos sah sie sich um, in der Hoffnung, dass die Ents ihr helfen würden, bis sie draufkam, dass sie von denen gerade gefangen gehalten wurde und das machte sie wütend.
„Was wollt ihr? Mein Volk wird mich suchen und ihr könnt euch nicht gegen alle wehren", knurrte sie und schaute uns abwechselnd an. „Wenn alle so kämpfen können wie du, dann nehme ich an, dass wir das sehr wohl können. Doch ich hoffe auf eine friedvolle Lösung", antwortete ich und baute mich vor ihr auf. Neben mir konnte ich Legolas' stolzen Blick auf mir spüren. Ich wusste selbst nicht woher das ganze Selbstvertrauen kam. „Und die wäre, dass wir einfach verschwinden und kampflos aufgeben?", fragte Tavaril mit blitzenden Augen. Ich ließ mich davon nicht aus dem Konzept bringen und starrte weiter entschlossen zurück.
"Die Ents werden sich nun wehren, ob du es willst oder nicht. Sie werden mit uns zum Düsterwald kommen, wenn es nicht anders geht, oder wir bringen sie gleich zum Fangornwald. Es bleibt euch überlassen, ob ihr weiter mit ihnen leben oder schutzlos Úmeas Zorn ausgeliefert sein wollt", sprach ich und merkte, wie sie knirschend die Augen abwandte. „Es könnte alles wieder wie früher sein", führte ich es mehr aus. Sie schien ernsthaft nachzudenken.
„Gut, aber die Ents werden uns nicht so einfach verzeihen, was ist dein Plan?", fragte sie und schaute auf. Ich warf einen misstrauischen Blick zu Legolas, welcher genauso zurücksah. „Wir müssen den letzten Ring von Úmea zurückholen, doch davor sollten wir deine Eltern und den Rest des Volkes wiedererwecken." Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Legolas' Augenbrauen hoben. Ich hatte ihm das Wichtigste erzählt, das war nicht darunter gewesen.
Doch das schien Tavaril nicht sonderlich gut zu stimmen. Sie hatte es sich wohl einfacher vorgestellt mich zu täuschen. Sie knurrte und wandte ihren Blick wieder ab. Darauf nickte ich nur kurz und sah zu den Ents. Aufmerksam hörte ich dem zu, was sie mit dem Rauschen des Windes weitergaben bis zu dem Ort, an dem seit tausenden Jahren das Königspaar und einige ihrer Leute schlafend lagen.
„Was hast du von dem Ganzen? Meine Eltern werden dir, ohne zu zögern, die Ringe abnehmen?" Bevor ich auf die gehässige Frage antworten konnte, wurde mir plötzlich etwas mitgeteilt. Erschrocken fuhr ich herum und starrte zwischen die vielen Bäume. „Nein", hauchte ich schockiert und auch die Bäume fingen an zu klagen.
„Arien?", fragte Legolas überrascht und trat einen Schritt näher. „Nein, das darf nicht sein", ich drehte mich wütend zu Tavaril zurück, „du hast es gewusst!", rief ich und die Wurzeln zogen sich noch ein Stück enger. „Ich weiß zwar nicht, wovon du sprichst, aber es muss etwas Gutes sein", grinste sie und knurrte zum Ende hin vor Schmerz. „Was ist passiert?", fragte Legolas nochmal. „Sie sind alle weg! Als Yavanna erkannte, dass man sie nicht mehr erwecken würde, rief sie sie zurück und trauerte", flüsterte ich leise und ballte meine Hände zu Fäusten. „Dann werden wir es eben ohne sie machen." „Wie willst du sie überzeugen?", widersprach ich sofort und zog ihn etwas weiter weg. Wir brauchten einen neuen Plan.
„Dann werden wir die Entfrauen eben zum Fangorn bringen?" „Ich habe geblufft, Legolas. Sie wollen nicht zurück, sie werden diesen Ort nicht verlassen." Der Elb sah mich entgeistert an. „Ich bin schon einmal in die Festung hineingekommen, ich werde es nochmal schaffen." „Nein, du hattest recht. Wir haben keine Chance gegen Úmea. Sie ist vielleicht nicht so mächtig wie Sauron, doch trotzdem eine Maia und uns weit überlegen", seufzte ich und sah in Richtung unserer Gefangenen.
„Es muss einen Weg geben." Ich nickte stumm. Die Prophezeiung hatte sicherlich ihren Sinn, doch ich konnte nicht erkennen wie wir jemandem wie Úmea trotzen konnten.
„Warum machen wir es nicht wie beim letzten Mal?" Ich sah ihn verwirrt an, doch seine Augen leuchteten bloß begeistert zurück. „Was?", fragte ich nach, als er es nicht erklären wollte. „Die Ringe können nicht nur mit den Ents kommunizieren, sie können das auch untereinander. Du konntest damals mit Úmea und ihrem Abgesandten sprechen, erinnerst du dich?" Ich runzelte meine Stirn und dachte kurz nach. „Wir müssen nur einen Weg finden das gegen sie zu verwenden", murmelte ich nachdenklich, worauf Legolas nickte. Das war tatsächlich keine schlechte Idee. Also ging ich wieder zu Tavaril zurück und hockte mich zu ihr nach unten.
„Der Feind meines Feindes...", lächelte ich sie an, worauf sie überrascht ihre Augen weitete. „Das kannst du nicht tun." „Es geht darum euch aus diesem Wald zu vertreiben, warum sollte ich es nicht tun?" „Scheint als würdest du doch nicht so viel wissen, wie du glaubst. Ich schätze die Ents haben dir erzählt, dass ich mich mit Úmea verbündet habe, um meine Eltern zu verraten, doch das war nicht alles. Warum sollte die große Maia mir einfach so vertrauen? Was sprach gegen eine Falle? Also bin ich einen Handel eingegangen." Ich musterte sie überrascht. Mir war schon klar, dass die Bäume mir nicht alle Einzelheiten von damals erzählt hatten, doch dass da wirklich so viel mehr war?
„Ich sandte ein paar meiner Leute in die verschiedenen Elbenkönigreiche. Immerhin sehen wir aus wie sie, was es nicht ganz so verdächtig machte. Sie spionierten und kehrten zurück – zumindest die meisten." Ich sah zu Legolas, welcher bloß seinen Blick abwandte. „Was willst du damit sagen?", fragte ich hart und verschränkte meine Arme. „Ich bin der einzige Grund, warum du am Leben bist. Du stammst von meinem Volk ab, in deinen Adern fließt dasselbe Blut. Du kannst dein eigenes Volk nicht verraten", erklärte sie und sah mich eindringlich an. Ich spürte eine Welle von Abneigung in mir aufkommen. „Du wusstest davon, nicht wahr?", zischte ich meinem Freund zu. Dieser starrte bloß schweigsam Tavaril an. Ich drehte mich kurz weg. Sie hatte recht, ich würde mein Volk niemals verraten, doch warum sollte ich dieses als mein eigenes ansehen? Ich war im Düsterwald aufgewachsen und bis jetzt hatte ich auch gedacht, dass meine Familie seit Generationen dorthin gehörte. Die Waldlandelben waren mein Volk.
„Du ziehst das nicht ernsthaft in Erwägung?", fragte Legolas ungläubig und trat einen Schritt näher. Ich sah schnell wieder zu ihm. Nein, tat ich nicht, doch ich war ziemlich wütend auf ihn, wodurch er die Zweifel durchaus verdient hatte. „Sie gehören zu meinem Blut", antwortete ich also und schaute zu Tavaril, welche siegessicher zurückblickte. In dem Moment wurde mir klar, dass sie uns niemals helfen würde. Es funktionierte, wie es gerade war, auch wenn wir ihr bereits den Ring abgenommen hatten, hatte sie wohl Hoffnung, dass sie das Ganze irgendwie in ihre Richtung lenken könnte. Es wäre bloß sinnvoll das hier gleich zu beenden, bevor sie tatsächlich richtigen Schaden anrichtete. Also erteilte ich den Befehl die Wurzeln enger zu ziehen. Bevor die Elbin schreien konnte, war ihr Kopf bereits abgetrennt. Ich spürte, wie sich etwas in mir veränderte. Das war die Schwelle. Nun konnte ich definitiv nicht mehr zurück, ich musste es zu Ende bringen.
„Sag mir nicht, dass das dein Befehl war", brummte Legolas und sah mich anklagend an. Ich zögerte kurz. „Sie hätte uns verraten, wir hatten keine Wahl." „Du hast gerade die Königin dieses Volkes umgebracht! Warum sollten sie dir gut gesinnt sein?", rief er außer sich, was ich auch verstand, doch es war trotzdem das Richtige meiner Ansicht nach. „Weil ich den Ring habe", knurrte ich und ging an ihm vorbei. „Was ist dein Plan?", fragte der Elb und folgte mir. Ich antwortete nicht. „Bist du deswegen wirklich wütend?" Er blieb stehen, worauf ich schwer seufzte und mich ebenfalls umdrehte.
„Du hast mit dieser Vertrauenssache angefangen. Ich finde schon, dass das eine ziemlich große Sache zum Verschweigen ist!", antwortete ich wütend. Er nickte nur knapp. „Ich wollte nicht, dass du gehst. Ich wusste nicht welches Schicksal deine Eltern ereilt hat und im Düsterwald warst du sicher." „Das habe ich gemerkt." „Du bist nicht wie sie. Du bist eine Waldlandelbin, egal welches Blut in deinen Adern fließt! Deswegen dachte ich nicht, dass es wichtig wäre." Ich starrte ihn ungläubig an. Das konnte nicht wirklich seine Ansicht sein. „Vergiss es", schnaubte ich und drehte mich zurück. Das würde keinen Sinn haben. Meine Gedanken wanderten plötzlich zurück zu dem Tag, an dem Legolas mir offenbart hatte, dass meine Eltern verbannt worden waren. Er hatte damals erzählt, dass es wegen einem Mordversuch am König gewesen war, doch mit diesen neuen Informationen konnte ich mir eine neue Geschichte zusammenreimen. Meine Eltern hatten das Waldlandreich ausspioniert, um Tavaril und damit auch Úmea sensible Informationen weiterzugeben. Das war der wahre Grund für ihre Verbannung gewesen! Und Legolas hatte es all die Zeit vor mir geheim gehalten!
„Arien." Ich verdrehte meine Augen und warf noch einen Blick zurück. Hatte ich nicht anscheinend genug gemacht, dass ich darüber nicht mehr reden wollte? Doch deswegen hatte er offensichtlich nicht nach mir gerufen. Seine Beine waren eingewickelt in Wurzeln, welche aus dem Boden ragten. Fragend sah ich in die Bäume. Was sollte das denn jetzt? „Das ist Unsinn", seufzte ich genervt und verschränkte meine Arme. „Was sagen sie?", fragte Legolas und sah mich verwirrt an. Ich zögerte und hörte kurz weiter zu. Manchmal brauchten die Ents länger, um zum Punkt zu kommen.
„Sie haben eine andere Idee, aber das ist Wahnsinn", antwortete ich schließlich ungläubig. „Sie werden nie auf mich hören." „Sie wollen, dass du mit dem Volk sprichst?", fragte der Elb nach. „Mehr oder weniger." Ich griff nachdenklich an den Ring an meinem Finger. Legolas schien bereits verstanden zu haben, doch war nicht sonderlich überrascht. „Du hast gewusst, dass es darauf hinausläuft", sagte er ruhig und sah mich ernst an. Ich merkte, wie wieder die alte Angst in mir aufstieg. Wie er bereits gesagt hatte: Wie konnte ich die Königin eines Volkes werden, von dem ich nichts wusste? Wie konnte ich überhaupt Königin sein? Ich wusste nicht, was das bedeutete, was meine Pflichten waren.
„Gut, aber ich werde es nur mit ihm machen", murmelte ich schließlich und sah zu Boden. Ich wusste selbst nicht so ganz, warum ich das laut ausgesprochen hatte, doch Legolas sollte auch wissen, was es mir bedeutete, dass er bei mir war, auch wenn ich vielleicht gerade wütend auf ihn war. Ein widerwilliges Grollen fuhr durch die Bäume, doch die Wurzeln zogen sich langsam zurück. Der Elb nickte zufrieden und näherte sich wieder. Wir schwiegen, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen und außerdem versuchte ich auf dem Weg so viel wie möglich über dieses Volk von den Ents herauszufinden. Sie waren offensichtlich nicht sehr begeistert von den Thûnûr, doch halfen mir, wo sie konnten. Ich hatte das Gefühl, als würden sich meine Gedanken irgendwann an die Geschwindigkeit der langsamen und sich wiederholenden Worte anpassen, was mir nicht wirklich gefiel.
„Dort", zischte Legolas schließlich und legte seine Hand auf meine Schulter, um mich aufzuhalten. Ich starrte erwartungsvoll zwischen die Bäume. Tatsächlich konnte ich einige Häuser erkennen und ein paar Elben, welche miteinander sprachen. Mein Herz fing an schneller zu pochen und ich merkte, wie es jetzt wirklich ernst wurde. Ich konnte mich nicht einfach in die Mitte des Dorfes stellen und beginnen zu reden. Sie waren weit in der Überzahl und so gut Legolas auch kämpfen konnte, würden wir einfach überrannt werden. Deswegen musste ein kluger und hinterhältiger Plan her, welcher vor allem einen Plan B beinhaltete. Ich fühlte mich zweifellos für alles, was Legolas hier geschah, verantwortlich. Er wäre ohne mich nicht hier und würde ruhig seinem Alltag im Düsterwald nachgehen.
Ein Rascheln lenkte meine Aufmerksamkeit zu Boden, wo sich plötzlich weiße und hellrote Blüten sammelten, welche wie ein Weg weiter zu den drei Elben führten.
„Scheint, als hätten zumindest deine Freunde eine Idee", murmelte Legolas und wandte sich ab. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, den er nicht sah und folgte ihm. Die drei waren bereits auf den Deut des Waldes aufmerksam geworden und folgten dem dünnen Pfad zu uns. Legolas musterte mich von der Seite, was mich etwas nervös zu Boden schauen ließ. Ich fühlte mich wie eine einfache Beute so ganz ohne Rüstung oder Waffen und nachdem ich heute herausgefunden hatte, dass ich wohl doch nicht alles verlernt hatte von damals, war mein Verlangen nach einer Verteidigungsmöglichkeit gewachsen.
Eine schimmernde Klinge schob sich in mein Sichtfeld. Ich sah überrascht auf und erkannte, dass es mein Freund war, welcher mir sein Schwert anbot. Sein Blick verriet, dass er genau wusste, worüber ich gerade nachgedacht hatte.
Ich lächelte leicht und nahm es mit einem dankbaren Nicken an. Um nicht zu bedrohlich auf die näherkommenden Elben zu wirken, welche uns noch nicht bemerkt hatten, klemmte ich es zwischen meinem Gürtel und dem Mantel ein, sodass man es zwar sehen konnte, doch es trotzdem nicht unbedingt als Geste eines geplanten Angriffs entsprach.
Ich atmete kurz durch, bevor ich schließlich nach vor trat und mich ein paar Angehörigen der Thûnûr gegenübersah. Sie musterten mich zuerst ein paar Sekunden verwirrt, doch als Legolas hervortrat, wurde ihre Reaktion eindeutiger. Sie spannten ihre Körper an und traten einen Schritt zurück.
„Ganz ruhig. Wir sind nicht hier, um zu kämpfen. Wir wollen reden", beruhigte ich sie schnell und hob meine Hände. Sie behielten eine höchst misstrauische Körperhaltung, doch blieben stehen. „Mein Name ist Arien, ich bin auf den Ruf der Ents hier", erklärte ich und stellte mich aufrechter hin. Legolas hielt sich einen guten Schritt hinter mir und sagte kein Wort. Gespannt beobachtete ich die verschiedenen Reaktionen in ihren Gesichtern. Eines wandte schuldbewusst den Blick ab, das nächste starrte böse zurück und das dritte musterte mich interessiert.
„Und was habt Ihr vor?", fragte der zweite und ließ mich nicht aus den Augen. Ich zögerte kurz und spürte ein erfreutes Zucken meines Herzens, als er mich mit der Ansprache über sich stellte. Das hieß sie sahen mich zumindest nicht als nutzlosen Eindringling an.
„Das kommt darauf an, wie ihr regiert und ob ihr uns helft." Mein Gegenüber drehte sich mit einem abwertenden Schnauben um.
„Tengwië", hielt ihn der interessierte dritte auf, worauf der Elb anhielt. „Was wird das?", fragte er genervt und seufzte. Dieser nickte bloß zu meinem Finger. „Du kennst doch die Prophezeiung." Tengwië starrte einige Sekunden sprachlos auf meine Finger. „Ich werde euch helfen", sagte der Jüngste, welcher sich zunächst schuldbewusst abgewandt hatte. Nun schaute er mit neuem Glanz in den Augen zu uns auf.
„Achte auf deine Worte, Kleiner. Man verrät nicht so einfach sein eigenes Volk", zischte der immer noch nicht überzeugte Zweite.
„Von Seiten der Schüler habt ihr volle Unterstützung zu erwarten", sagte dieser bloß und trat einen Schritt von dem wütenden Elben weg. Ich sah ihn überrascht an. Ich war mir nicht so sicher, ob er wirklich so einfach für alle sprechen konnte.
„Ihr bemerkt es vielleicht nicht, doch wir sind nicht unbedingt froh in ein Volk wie dieses hineingeboren zu sein! Wir lieben diesen Wald und die Bäume und würden es vorziehen mit ihnen eine harmonische Beziehung zu führen, anstatt sie zu benutzen und zu erpressen!" „Große Worte, doch es sind nur Worte. Du hast hier nichts zu sagen, geh zurück zu deiner Mutter und überlass uns das hier", brummte Tengwië genervt, welcher um einiges älter war, und wollte den Jungen am Arm packen, doch dieser sah mit großen Augen zu uns, worauf Legolas sofort drohend einen seiner Dolche zog.
„Ich glaube Königin Tavaril ist gerade unterwegs, solange sie fort ist, könnt ihr vielleicht in die Stadt kommen", erklärte der Elb zuversichtlich und nickte Legolas dankbar zu. Ich musste kurz lächeln, als er dieses kleine Dorf Stadt nannte, doch nickte zustimmend. „Es ist wichtig auch auf andere zählen zu können", antwortete ich und sah wieder zu den beiden anderen, erwachsenen Elben. „Sie hat den Ring und sieh ihn dir an. Sie kann das alte Gleichgewicht zwischen uns und den Ents wiederaufbauen!", redete der Elb neben Tengwië auf ihn ein. „Ich habe mich damals schon Tavaril angeschlossen und werde es wieder tun", knurrte dieser bloß und verschränkte die Arme. Doch trotzdem blieb er stehen und hatte, wenngleich er es nicht zugeben wollte, ein Ohr offen für die Argumente seines Freundes. „Hast du nicht genug der Angst und Zweifel. Du weißt so gut wie ich, dass das damals ein Fehler war und auch, wenn ich die Entscheidungen unterstützt habe, wurde ich eines Besseren belehrt", immer noch rührte er keinen Muskel. „Es werden sich genug sammeln, die die Lóratári unterstützen werden. Willst du vertrieben oder getötet werden?" Mein Herz tat einen Satz, als ich den neuen Namen hörte, der ganz offensichtlich mich beschrieb: Königin des Dunkeln. Angelehnt an meine Herkunft aus dem Düsterwald und natürlich auf Quenya, wenngleich das nicht meine Sprache war.
„Das sind alles gute Argumente, Nólamardo, doch du scheinst zu vergessen, dass auch Tavaril einen dieser Ringe hat und dieselbe Macht, wenn nicht sogar eine noch größere", antwortete er schließlich. Ich drehte mich zu Legolas um, welcher etwas ungläubig zurückschaute, doch trotzdem widerwillig den Ring aus seiner Tasche holte. „Es ist mehr ein Angebot als ein Hilferuf", sagte ich entschlossen und sah die drei an, welche sprachlos auf den Ring starrten. Es war zum Teil natürlich auch ein Bluff, doch das war wohl, was es gebraucht hatte, um zumindest den Schüler zum Lächeln zu bringen und den zwar nicht begeisterten, doch zuversichtlichen Nólamardo sicher auf unserer Seite zu wissen. Tengwië zögerte um einiges länger und schnaubte wütend. „Ohne Tavaril und ihren Ring können wir sowieso nicht hier leben", murmelte er schließlich und drehte sich um. Sein Freund folgte ihm in Richtung des Dorfes. „Das heißt er ist dabei", grinste der Schüler bloß kurz und ging dann ebenfalls. Ich nickte und warf einen Blick zurück zu Legolas, bevor auch ich mich dem Lager näherte.

Die Ringe der Cementári // Herr der Ringe & Der Hobbit FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt