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C A R O L I N E

Es dämmerte draußen und Caroline stand bereits in ihrer Ziviluniform vor dem Spiegel.
Leichte Augenringe lagen auf ihrem kleinen hellen Gesicht, lustlos blickte sie in ihr Spiegelbild. Ob es Paul gut ging? Ob er Caroline genauso vermisste wie sie ihn?
Die Soldatin lächelte zuversichtlich. Natürlich würde Paul sie vermissen und ihm ging es sicher gut, denn bald würden die Truppen abgezogen und er wäre wieder bei ihr. Die Frage war nur wann genau dieses ‚bald' eintreffen würde, immerhin erzählte ihr Vorgesetzter schon seit 2 Wochen davon, dass die Truppen abgezogen werden sollten.
Caroline traute ihrem Boss nicht, er war genauso wie der Rest der Regierung auf Macht und Geld aus und er würde dafür über Leichen gehen, zumindest konnte sie darauf schließen. Denn immer wenn die Blondine sich nach dem Stand der Mission erkundigte und auch nach dem Wohl der Männer, erzählte er ihr nur was sie am liebsten hören wollte. Aber Caroline war bewusst, dass er log. Das ging spätestens aus den Briefen ihres Verlobten hervor, Zach Michael Johnson war ein Arsch. Treffender konnte man ihn nicht beschreiben.
Und bei dem Gedanken daran ihm gleich gegenüber zutreten, gar mit ihm in Zivil zu arbeiten, ließ es sie erschaudern. Er verhielt sich oft arrogant und selbstsicher, während er Caroline scheinbar Konkurrenz machen wollte. Denn Zach hatte, wie Paul auch, mit Caroline zur gleichen Zeit den Dienst angetreten, doch sah er alles als einen Wettstreit und motivierte sich so. Nun war er einer ihre wenigen Vorgesetzten und genoss es in vollen Zügen.
Aber Hochmut kommt vor dem Fall, daran hielt Caroline fest, denn irgendwann würde er auf den Boden der Tatsachen fallen und die Blondine würde diesen Moment auskosten. Sie schmunzelte.

Nun war sie etwas motivierter und band sich ihre leichten Locken zu einem Pferdeschwanz. Paul bevorzugte mehr ihre offenen Haare, doch im Dienst waren sie etwas unpraktisch, aber abschneiden wollte sie ihr angewachsenes Gold auch nicht. Carolines Schmunzeln wurde breiter und wandelte sich in ein Grinsen, ihr wurde ganz warm ums Herz. Jeremy hatte früher immer ihre blonden Locken als angewachsenes Gold bezeichnet, da er ihre Haare bewunderte.
Sie glänzten immer so schön in der Sonne.
Caroline erinnerte sich daran, dass ihr Bruder Abenteurer gespielt hatte, immer so getan hatte als müsste er ihre Haare vor Dieben beschützen.
Die Soldatin lachte kurz auf bei diesem Gedanken und seufzte einmal tief, bevor sie das Haus verließ und sich in ihren Jeep setzte, um zur Arbeit zu fahren. Der Wagen war zwar sehr gepflegt, doch es zeigten sich etwas eigenere Gebrauchsspuren, die verborgen waren: Einige Magazine verschiedenster Waffen lagen im Fußraum der Rückbank unter einem doppelten Boden sowie einige Wasser- und Brotreserven die unter den Sitzen der Rückbank verstaut waren. Zwei gefüllte Benzinkanister standen im Kofferraum und auch sonst hätte Caroline für einiges vorgesorgt. Die Scheiben hatte sie verstärken und verdunkeln lassen. Auch wenn sie hoffte das sie diese Vorräte niemals brauchen würde, wollte sie dennoch vorbereitet sein. Die Verlobte steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr los.
Ob Paul gesund nach Hause kommen würde? Caroline hoffte inständig darauf, doch sie beschlich ein mulmiges Gefühl, wenn sie daran dachte. Irgendwas stimmte nicht. Die Landschaft zog nur so an ihr vorbei und ein ungewöhnliches Geräusch machte sie aus. Caroline schien sich dem zu nähern, ihr kam es bekannt vor doch sie konnte es nicht identifizieren. Sie fuhr mit höchster Konzentration um die nächste Kurve und bremste abrupt. Jetzt wusste die Soldatin woher der Lärm kam:
Menschen drängten sich auf die Straße und bildeten eine große Traube, mit Plakaten und anderen Schildern, die Aufschriften gegen die Behörden oder generell gegen die Regierung enthielten, zogen die Menschen grölend über die Straßen, geradewegs zum örtlichen Präsidium. Caroline blickte zurück, doch auch dort waren Menschen. Sie überlegte ob eine Demonstration angemeldet war, doch sie wusste genau, dass dem nicht so war. So stand sie mitten in einer illegalen Demonstration.
Sie seufzte. Ihr Blick glitt an sich herunter, Schutzweste saß fest, sowie die Handwaffe.
Sollte sie nun wirklich aussteigen? Sich gegen die Menschen stellen, die aufgebracht, wegen der unnötigen Kriege sind?
Dabei hatten sie doch alle Recht dazu wütend zu sein! Immerhin bekriegt Amerika sich zurzeit mit fünf Staaten und die Bevölkerung muss es spüren und dafür einbüßen. Familien werden obdachlos, weil ganze Vororte weggebombt werden. Immer mehr Seuchen suchen die Menschheit heim, weil diese in die Welt gesetzt werden oder durch die mangelnde Hygiene aufkommen. Immer mehr Menschen müssen hungern, weil sie gekündigt worden sind, da sie von der internationalen Zusammenarbeit abhängig waren.
Immer mehr Menschen leiden.
Sollte Caroline nun wirklich gegen diese Menschen vorgehen, obwohl sie es selber satt war, in Kriege zu ziehen, Städte einzunehmen und gar Menschen zu töten. Und wofür? Für mehr Macht, für mehr Geld, für mehr falschen Respekt. Aber das kommt nicht ihr selbst zu gute, sondern den Regierungen. Sie laufen wie nicht geliebte Kleinkinder herum und zerstören alles mit ihrer Habgier. Wollte sie wirklich für diese machtbesessenen Menschen arbeiten? Die ihres gleichen auch töten würden, nur um einen Pfennig mehr auf dem Konto zu haben?
Carolines Brustkorb zog sich schmerzend zusammen. Das wollte sie nicht, doch sie musste. Denn ohne eine vernünftige Führung, würde alles ausarten. So wie jetzt.
Deshalb musste sie die Regierung vertreten, um für eine vernünftige Führung zu kämpfen. Caroline blickte in den Rückspiegel und nickte. Das würde sie tun, für eine Zukunft kämpfen, in der Paul und sie eine Familie gründen und ein friedliches Leben führen könnten.
Die Amerikanerin atmete nochmal tief ein.
Und jetzt?
Die Menschen zogen weiter, brüllten lauter und wurden zunehmend aggressiver. Sie überlegte wie sie vorgehen sollte, als die Beifahrertür sich plötzlich öffnete.

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