Draußen wurde es immer wärmer, und damit auch im Auto stickiger. Ich begann zu schwitzen und mein Nacken wurde steif von der unbequemen Haltung. Laut Navi waren es aber nur noch knapp zwanzig Minuten Fahrt und das würde ich jetzt auch noch durchstehen. Immerhin war der Verkehr wirklich nicht besonders dicht und wir waren ziemlich gut durch die Stadt gekommen.
Tybee Island. Eine durchschnittliche Kleinstadt mit einem ziemlich hübschen Strand in Georgia, direkt vor Savannah. Knapp 2000 Meilen von meinem alten Zuhause und so ziemlich meinem gesamten Leben entfernt. Der Neuanfang meiner Mutter. Unser Neuanfang. Etwa eine Viertelstunde vor unserem Ziel begegneten wir so gut wie keinem Auto mehr und fuhren durch ruhige Wohnsiedlungen. Je weiter, desto schicker wurden sie und zwischendurch konnte ich hin und wieder das Meer zwischen den Häusern aufblitzen sehen. Ich liebte das Meer. Der Gedanke, bald tagtäglich schwimmen gehen zu können zauberte mir ein kleines Lächeln aufs Gesicht.
Immer wieder ertönte die nervtötende Stimme des Navis, bis es schließlich die ersehnten Worte hören ließ: " Ankunft am Ziel auf der linken Seite. Sie haben ihr Ziel erreicht." Mum stoppte das Auto am Straßenrand und ich blickte zur Seite. Unser neues Zuhause. Ein hübsches Häuschen, ziemlich groß dafür, dass wir nur zu zweit darin wohnen würden. Außerdem sah es noch ziemlich neu aus. Die weise Fassade wirkte noch ziemlich rein und auch sonst machte es einen gepflegten Eindruck. "Tja da wären wir. Sieht gar nicht so schlecht aus was?" Ich lächelte nur als Antwort und stieg aus, um mir das Haus genauer zu anzusehen.
Eine knappe Stunde und ein paar Anrufe meiner Mutter später stand ein Mann mittleren Alters vor uns, um uns die Schlüssel zu überreichen. "Bitteschön. Viel Spaß mit ihrem neuen Haus. Hier sind noch einige Unterlagen, fürs erste muss das reichen. Alles weitere besprechen wir dann später, ich ruf sie an. Ich kann ihnen dann auch helfen wegen der Anmeldung im Rathaus und der Besitzurkunde. Jetzt muss ich leider los, ich habe noch einen wichtigen Termin und eigentlich hätte ich sie schon gestern Abend erwartet, tut mir leid." Und weg war er. Ok cool. Dann fiel mir etwas auf. "Besitzurkunde? Seit wann bekommt man eine Besitzurkunde für ein gemietetes Haus?"
"Schatz... ich habs dir noch nicht gesagt aber... das Haus ist nicht gemietet. Ich habs gekauft. ich musste es kaufen, so schnell wären wir an keine gemietete Wohnung gekommen und ich wollte nicht warten." Ich sah sie ein wenig geschockt an. Ich konnte verstehen warum sie so schnell wie möglich aus unserem alten Zuhause weg wollte und ich wusste dass sie an genau diesen Ort ziehen wollte weil ihre Großeltern hier früher ein Sommerhaus besessen und sie häufiger mit hin genommen hatten. Aber direkt ein ganzes Haus zu kaufen ohne es jemals vorher wirklich betreten zu haben war dann auch für ihre Verhältnisse ein bisschen viel des Guten. Ich war sprachlos. "Schatz es tut mir leid. Ich weiß dass das alles ein bisschen viel für dich auf einmal ist und ich dir gerade dein gesamtes Leben weggenommen hab. Und wahrscheinlich sieht es für dich gerade auch so aus als würden ich dich ohne zu fragen dazu zwingen, den Rest unseres Lebens hier zu verbringen. Aber ich verspreche dir, wenn es dir hier nicht gefällt oder dir das Haus nicht gefällt oder irgendwas anderes sein sollte, ziehen wir wieder um und ich vermiete das Haus. Oder verkaufe es wieder."
Ich seufzte leise. Ich konnte ihr das alles nicht wirklich verübeln. Sie machte gerade so viel durch und ich wusste dass es ihr noch wesentlich beschissener ging als sie so nach außen zeigen wollte. Immer wenn es ihr schlecht ging suchte sie sich irgendwen oder irgendwas aus dem sie dann ein Projekt machte, um sich abzulenken. Das war ihre Art, Geschehnisse zu verarbeiten. Also zwang ich mir ein Lächeln aufs Gesicht und meinte nur "Ist schon gut Mum. Sieht doch bis jetzt ganz schön aus hier. Und das Haus sieht soweit auch toll aus." Auf der Stelle begann sie übers gesamte Gesicht zu strahlen "Ja, nicht?" Und damit rauschte sie an mir vorbei auf die Haustür zu. Unglaublich, manchmal sollte man diese Frau wirklich vor sich selbst beschützen.
Es war mittlerweile früher Nachmittag und ich wollte einfach nur noch schlafen. Den Vormittag und Morgen hatten wir damit verbracht das Haus zu erkunden und darüber zu philosophieren, was man alles wo wie gestalten könnte sowie in den Ort zu gehen und einen Bäcker und einen Supermarkt aufzusuchen, da wir beide am Verhungern waren. Bei der Gelegenheit hatte ich nicht nur mehr von Tybee Island gesehen, sondern wir hatten auch direkt den Mietwagen an einer Anlaufstelle stehen gelassen, von der er dann abgeholt werden würde. Der Teil wäre dann also auch erledigt. Mums eigener Wagen und der Laster der Umzugsfirma, die wir noch kurzfristig hatten engagieren können, würden in den nächsten Tagen ankommen. Naja besonders viel zu transportieren hatten sie dann auch nicht, aber eben alles was man innerhalb weniger Stunden auseinanderbauen und/oder einpacken konnte.
Mein Zimmer im Haus stand ebenfalls fest, ich hatte das größere Schafzimmer von beiden und einen kleinen Balkon von dem man, da unser Haus etwas höher lag, sogar aufs Meer blicken konnte. Es war definitiv das schönere Schlafzimmer, zumal es ein eigenes Badezimmer hatte und das andere Bad auf dem Flur lag, Mum hatte es mir aber kampflos überlassen. Ich denke sie hatte ein ziemlich schlechtes gewissen wegen dem Umzug. Auch wenn ich diesen an sich gar nicht so schlecht fand kam es mir so gesehen noch weiter zugunsten. Hehe.
Nicht nur mein Zimmer war ziemlich schön, sondern auch der Rest des Hauses. Über dem recht offen gehaltene Wohn- und Essbereich befand sich eine kleine Galerie, die Mum direkt als ihr neues Atelier einverleibte, die kleine Besenkammer am Ende des Flur wurde zum Materialraum ernannt. Solange es sie glücklich machte, sollte mir das alles recht sein. Wir hatten noch ungefähr drei Wochen um hier alles zu einzurichten, danach würde ich wieder zur Schule müssen und die Zeit etwas knapper werde, zumal sie ja auch irgendwann wieder anfangen müsste zu arbeiten. Meine Mutter war Künstlerin und zwar keine schlecht verdienende. Wir hatten schon immer einigermaßen wohlhabend leben können aber wir waren trotzdem immer recht sparsam mit dem Geld umgegangen, was es uns jetzt auch überhaupt erst erlaubte dieses Haus so problemlos kaufen und völlig neu einrichten zu können.
Momentan hatte ich Sommerferien, nächstes Schuljahr war mein letztes Jahr auf der Highschool. Eigentlich waren gerade mal vier Wochen Ferien rum für mich, aufgrund der verschiedenen Schulanfänge in den unterschiedlichen Staaten würde ich nun aber ziemlich verkürzte Ferien haben. Na schönen Dank auch.

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I dare you
RomansHarper zieht nach einem Vorfall in ihrer Familie spontan mit ihrer Mutter an die Küste Georgias. Dort scheint ihr Leben vorerst gut zu laufen, sie findet Freunde und trifft auch auf den attraktiven Henry, in den sie sich schnell verliebt. Sie schei...