Karma und Sue

Kapitel 8 (Teil 4 von 5)

Kapitel 8 (Teil 4 von 5)

Olaf packte seine Sachen. T-Shirt, Sporthose, Handtuch, Wasserflasche. Duschen würde er später zu Hause. Sie waren heute bei der Ärztin gewesen, um Anita samt noch nicht wirklich sichtbarem Babybauch durchchecken zu lassen. Er hatte das Ultraschallbild gesehen, das ihn eher an das Schneegestöber auf dem Bildschirm eines alten Fernsehers ohne Empfang erinnert hatte, als dass er da etwas erkannt hätte. Aber dann drückte die Ärztin ein paar Knöpfe und sie konnten tatsächlich ein rhythmisches Klopfen hören – das sollte angeblich der Herzschlag sein. Ein neuer Herz-Rhythmus, den sie beide erschaffen hatten – da stand es für Olaf fest: Er würde der beste Vater werden, der er sein konnte. Und dazu würde er der Karma-yourself-Bewegung beitreten. Mittlerweile hatten sogar die Kollegen auf der Arbeit und die Kids in der Programmier-Werkstatt schon davon geschwärmt. Alle nahmen ihr Leben nun selbst in die Hand. Sie taten etwas Gutes für ihren Körper und obendrein für andere. Und das war es, was Olaf wollte: Ein guter Mensch sein, ein Vorbild für seinen Nachwuchs. Und ein starker Mann für Anita. Das konnte er durch das bisschen Joggen alleine nicht hinkriegen, vor allem jetzt, da Anita ständig diese süßen Leckereien mit nach Hause brachte, denen er nicht widerstehen konnte.

„Wie war’s? Was sagt die Ärztin?“ Olaf gab Anita zur Begrüßung einen Kuss und beugte sich kurz zu Beau hinunter, um ihn zu streicheln. Er war nach der Arbeit gleich mit seinem Fahrrad zur Praxis gefahren, in der Anita einen Routine-Termin zur Untersuchung hatte. Als er es mit dem Schloss an den Laternenpfahl ketten wollte, war sie bereits herausgekommen.

„Gut war’s, alles in bester Ordnung!“ Sie hakte sich unter und ihr Gesicht wurde gleich ernster. „Ich habe übrigens etwas sehr Interessantes erfahren.“

„Aha. Und das wäre? Wird es ein Junge, ein Mädchen, ein weiterer Beagle-Mischling?“, witzelte Olaf. Er hatte das Schloss wieder zurück in seinen Rucksack gestopft und schob mit der einen Hand das Fahrrad am Lenker, die andere Hand hatte er in seine Tasche gesteckt, um Anita seinen Arm anzubieten.

„So wie es aussieht, könnte es ein Mädchen sein. Aber es könnte jederzeit noch was wachsen. Nur den Beagle können wir mit größerer Wahrscheinlichkeit ausschließen.“

„Das ist gut zu wissen“, erwiderte Olaf, während Beau brav neben Anita an der Leine hertrottete. „Das sind also deine interessanten Neuigkeiten?“

„Ich habe im Wartezimmer etwas in einer Zeitschrift gelesen“, begann Anita.

„Ist Grün das neue Schwarz?“

„Leider nein. Aber dafür hat sich diese Sue für einen Tag einem Labor zur Verfügung gestellt. Der Bericht war über Tests, die sie mit ihr durchgeführt haben. Du weißt schon, weil sie doch Superkräfte haben soll.“

„Und? Hat sie denn nun Superkräfte? Oder sind es die magischen Marketing-Mythen gepaart mit Photoshop.“

„Tja, das ist das Interessante daran. Ich hätte es ja nicht gedacht. Aber wie es aussieht, hat sie halt einfach Superkräfte.“

Olaf blieb stehen und Anita, die bei ihm eingehakt war, drehte sich zu ihm um. Beau kläffte einmal unzufrieden auf. „Quatsch.“

„Nein, wirklich. Also keine kosmischen Kräfte, die ihr von Aliens verliehen wurden oder so. Sie kann vermutlich auch keine Laser aus den Augen schießen wie in dem Video – in dem Interview hat sie gesagt, dass viele Sachen definitiv von Fans getrickst sind. Und dass man sie einfach mit Humor nehmen sollte.“ Sie zog Olaf am Arm, um ihn wieder zum Gehen zu animieren. Er ließ sich von ihr überzeugen und sie gingen zu Beaus Zufriedenheit weiter.

Anita fuhr fort: „Was die Wissenschaftler herausgefunden haben, ist, dass sie eine genetische Veränderung in sich trägt. Also zumindest haben sie es so erklärt. Ihre Muskeln sind einfach anders aufgebaut, so dass sie leistungsstärker und effizienter sind. Dadurch kann sie mehr Kraft aufbringen und das über eine längere Zeit als andere Menschen. Verrückt, oder?“