Zwei - Pummelige Amorette

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(lionquenn gewidmet, die einen wunderschönen Text namens "Karma ~ Zwischen Yin und Yang" geschrieben hat.)

Zwei – Pummelige Amorette

Tja, das ist es also, was ich tue. Es ist nicht immer so subtil wie eben, manchmal mach ich auch etwas Spektakuläreres, das werdet ihr später sicherlich noch zu lesen bekommen. Bis dahin haben wir aber noch Zeit, uns kennenzulernen. Also ihr mich – euch kenne ich ja besser als euch lieb ist.

Zu mir: Als Erstes freue ich mich, dass ihr euch die Zeit nehmt und mehr über meinen Alltag wissen wollt. Ob ihr mich Glück, Zufall oder Schicksal nennt – ich habe schon viele Namen bekommen. Unter meines Gleichen werde ich Karma genannt. Ich mag den Klang des Wortes. Und er ist in vielen Sprachen der Welt gleich.

Oft sind es die Kleinigkeiten, die meinen Alltag ausmachen und die ihr Menschen wahrnehmt. Geld auf der Straße, ein Steinschlag in der Windschutzscheibe, ein Parkplatz direkt vor der Tür, den kleinen Zeh anstoßen, das Upgrade im Hotel oder in die Business-Class des Fliegers, eine abgebrochene Bleistiftmine, eine grüne Welle im Straßenverkehr, Blähungen in den ungünstigsten Momenten.

Für mich ist das alles wie ein Wimpernschlag, ein kleiner Eingriff hier, ein kurzer Auftritt dort und das Ganze rund um den Globus, Tag und Nacht. Solange ihr hier seid, reiß ich mich zusammen, mache etwas langsamer und bleibe in eurem Kulturkreis.

Mein Alltag ist für eure Verhältnisse ganz schön turbulent, und es gibt viel zu tun. Trotz allem gibt es Momente, an denen weniger dringende Sachen anstehen. Und diese nutze ich, um etwas Pepp in die Sache zu bringen. Mein ganz persönlicher Spaß sozusagen. Ja, auch das Karma kann Spaß haben.

Einer meiner Lieblingstricks ist „der Verschlucker“. Ihr Menschen der Wohlstandsländer seid im Grunde den ganzen Tag am Essen. Manchmal, wenn ich so einen ruhigen Moment habe, suche ich mir einen gerade essenden Menschen aus, ohne vorher in seinen Kopf zu gucken. Das ist gar nicht so leicht, da ihr mir immer alles förmlich entgegenschleudert, was in euch vorgeht. Ich sehe also sozusagen bewusst weg. Dann sorge ich dafür, dass sich dieser Mensch verschluckt. Das kennt ihr sicherlich aus eigener Erfahrung: Der Mensch kann nur eine begrenzte Zeit ohne Sauerstoff auskommen. Innerhalb dieser Zeit lasse ich all sein Inneres – Gedanken, Erfahrungen, Träume und Emotionen – auf mich zuströmen und entscheide dann, ob der Fremdkörper von den Hustbemühungen herausgeschleudert wird oder nicht. Es ist immer spannend zu sehen, welchen Effekt das auf manche Menschen hat, vor allem, wenn sie selbst überrascht sind, dass sie meinen Test bestanden haben.

Aber ich besitze im Grunde ein gutes Herz und ich weiß, dass Menschen sich ändern können. Vor allem, wenn sie das Gefühl haben, dem Tod einmal tief in die Augen zu blicken.

Und jetzt denkt bitte nicht, dass ich an jedem eurer Verschlucker schuld bin. So ist es nun auch nicht. Wie dem auch sei. Ich habe das eine oder andere Mal auch schon guten Menschen, die ihr Herz voller Karma-Bonuspunkte haben, aus der selbstverschuldeten Verschluck-Patsche geholfen. Und wenn ich „das eine oder andere Mal“ sage, dann meine ich über die Jahrtausende sehr, sehr oft. Also keine falschen Vorwürfe, bitte.

Ich will euch noch was zeigen. Ihr sollt hinterher nicht denken, dass ich mich nur auf eure schlechten Taten konzentriere. Kommt mit.

Seht ihr den Mann an Kasse 2? Der als Nächstes dran ist, mit dem Einkaufswagen voller Fertiggerichten und Softdrinks. Wenn ihr ihn mit meinen Sinnen wahrnehmen könntet, würde euch ein Schwall aus Herzensgüte entgegenkommen. In euren Augen ist er aber vermutlich nur übergewichtig, etwas ungepflegt und schlecht gekleidet. Mit anderen Worten: Er macht auf seine Mitmenschen keinen sehr guten ersten Eindruck.

Karma und SueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt