Karma und Sue

Eins - Ein Lächeln aufs Gesicht

(DiamondKiki23 gewidmet. Die erste Geschichte, die ich auf Wattpad gelesen habe, stammt von ihr.^^)

Eins – Ein Lächeln aufs Gesicht

Oh, ihr seid ja schon da. Schön, dass ihr euch getraut habt, mitzukommen. Ihr müsst gerade ein bisschen leise sein, weil es gleich losgeht. Euer Orientierungssinn ist etwas eingeschränkt, weil unsere Kommunikation nur über diesen Text hier erfolgt. Daher versuche ich für euch alles, was passiert, so anschaulich wie möglich zu machen. Ich nehme auch Rücksicht, dass eure Wahrnehmung eher Zeit-und-Raum-basiert funktioniert, und springe nicht allzu sehr hin und her. Also alles schön langsam der Reihe nach.

Jetzt passt gut auf.

Die beiden Gestalten, die sich dahinten gerade mit Taschenlampen auf das Gelände schleichen, sind Uwe und Enno. Namen spielen für mich eigentlich keine große Rolle. Sie poppen einfach in meinem Bewusstsein auf, wenn ich mir die Absichten von euch Menschen anschaue. Bei diesen beiden muss ich allerdings nicht mal hinschauen, ihre Absichten schreien sie mir regelrecht entgegen. So ist das immer. Je lauter ihr euch mir unbewusst mitteilt, desto dringlicher ist meine Expertise gefragt.

Und für Uwe und Enno hab ich was Schönes parat.

Seht ihr, wie sie im Dunkeln versuchen, still und heimlich das Schloss aufzubrechen? Sie wollen zu den Dieseltanks, aber sie kennen sich auf diesem Bauernhof nicht aus. Denn sonst hätten sie sich eben nicht so leicht von mir überzeugen lassen, sich an dem Tor zu versuchen, das zur Putzkammer statt zur Hauptscheune führt. Versteht mich nicht falsch, ich habe ihnen nichts aufgezwungen. Ich habe nur den Gedanken – welches Tor? – und das Bild, das sowieso in ihren Köpfen herumflirrte, für einen Moment festgehalten. So dass es ihnen nicht wieder gleich entwischt. Die Entscheidung haben sie ganz allein getroffen.

Wenn ihr zwei schwarz gekleidete Männer beobachten könnt, die mitten in der Nacht in einen landwirtschaftlichen Betrieb wie diesen hier einbrechen – einer mit Brechstange, der andere einen aufgerollten Schlauch über der Schulter – was würdet ihr meinen, führen sie im Schilde? Nichts Gutes, so viel ist klar. Hat der Landwirt es verdient, dass seine Scheune über Nacht verwüstet und ihm der Diesel für seine Maschinen geklaut wird? Nein. Dennoch kann ich es nicht verhindern; was ich aber machen kann, ist, die beiden Übeltäter zu bestrafen und dem Landwirt trotz zugefügten Sachschadens ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Aber ich muss dafür nicht nur wissen, wer was warum tut; ich muss auch einschätzen, wie es getan wird, damit ich wirken kann. Ich bin schließlich kein Ordnungshüter, der einfach nur schnöde Strafzettel verteilt.

Da, Enno hat das Schloss geknackt und die beiden stürmen die kleine Putzkammer, die vom Rest der Scheune abgetrennt ist. Im Taschenlampenschein entdecken sie Regale mit Putzutensilien, ein Waschbecken und daneben eine bis oben gefüllte Abfalltonne. Nicht ganz, was sie erwartet haben.

„Du hast gesagt, es ist hier!“, raunt Enno seinem Kumpel zu.

Als könnte die Tonne etwas dazu, dass sie ihre Beute nicht sofort finden, tritt er sie um und verteilt den Inhalt wütend auf dem Boden. Es sind aber nur leere Verpackungsmaterialien, so hält sich das Chaos in Grenzen … zumindest jetzt noch. Das war ja erst Schritt zwei.

Schritt eins habe ich übrigens vor ein paar Tagen in die Wege geleitet. Ja, so vorausschauend kann es schon mal ablaufen. Ich kann zwar nicht in die Zukunft sehen, aber Wahrscheinlichkeiten ziemlich gut abschätzen. Denn als die beiden bei eBay nach einem gebrauchten 200-Liter-Metallfass suchten, habe ich sie davon überzeugt, dass unter den 33 Ergebnissen ausgerechnet das Angebot von motorbaron80 die richtige Wahl ist. Der Verkäufer hat gestern bei der Abholung noch einmal behauptet, das Fass sei absolut dicht. Doch – und ich riskiere jetzt, dass motorbaron80 eine schlechte Bewertung bekommt – er hat es selbst auch nur unerlaubterweise vom Sperrmüll entfernt und kann über die Dichtigkeit keinerlei zuverlässige Aussage treffen.