fünf tage davor

167 47 28
                                    

[1.09 PM]

Sie versuchte sich auf ihr Buch zu konzentrieren. Doch stattdessen musste sie an den Jungen von gegenüber gedenken. An die Schneebälle. Die kleine Tafel. Die Worte auf der Tafel. Sie waren in Eile geschrieben worden, ohne jegliche Sorgfalt.

Sie fragte sich, ob seine Handschrift immer so aussah. Oder ob sie genauso filigran war wie die Bewegungen, die er machte, wenn er abends an seinem Schreibtisch saß.

Verzweifelt blickte sie wieder aus dem Fenster in der Hoffnung in seinem Zimmer würde das Licht wieder angehen.

Warum habe ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt?

Enttäuscht tapste sie zurück zu ihrem Bett.

Sie war schon wieder ganz vertieft in ihr Buch, als sie ein dumpfes Geräusch wahrnahm. Sie setzte sich auf und lief in Richtung des Fensters. Der nächste Schneeball traf die Scheibe. Schnell griff sie Stift und Papier.

Als sie zu seinem Fenster blickte, begrüßte sie die grüne Tafel bereits. »Hallo Emma«

Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.

»Hallo Fremder« Der Stift fuhr schnell über ihr Blatt.

»Verrätst du mir deinen Namen auch?« schrieb sie auf die Rückseite und hielt es gegen das Fenster.

»Oscar« Sie konnte das Lächeln auf seinem Gesicht klar und deutlich erkennen. Und schon bald schmückte auch ein Lächeln ihre Lippen.

»Und? War das Buch gut?« Irritiert las sie die Worte auf der Tafel.

»Das Buch von vor 4d«

»Oh ja« Sie hatte es förmlich verschlungen. »Liest du auch?«

»Nein, ich schreibe nur«

Sie erinnerte sich zurück an den Tag, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Ihn und seine schwungvollen Bewegungen.

Sofort stellte sich ihr eine weitere Frage. »Über was schreibst du, Oscar?«

»Über die Welt in meinem Kopf«

»Manchmal sind es zu viele Gedanken« Dann zerbrach es ihn fast.

»Werde ich es irgendwann« Ein weiteres Blatt Papier folge »lesen dürfen?«

»Irgendwann bestimmt« Sie konnte den Tag kaum erwarten. Ihm ging es genauso.

zwischen schnee und regenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt