Kapitel 2

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Sierra

"Sag spinn ich oder was? Hat Jerry nicht einen roten Golf? Hoffentlich ist das nicht wahr. Das kann doch nicht wahr sein,  da erlaubt sich doch jemand einen ganz miesen Spaß!! Was sagt ihr Leute?" Ich schaute meine Freunde erwartungsvoll an. Doch es kam  keine Antwort. Ich hatte als Erste meine Sprache wiedergefunden. Es konnte doch nicht sein, dass Jerry und Silvia wirklich tot waren. Im Radio hatten sie keine Namen genannt,  weil keiner wusste, wie sie hießen. Für uns war also auch nicht klar ob sies wirklich waren. Wir wollten es vor allem nicht glauben. Ich schaute zu Clara. Man sah ihr an,  dass sie kurz vor einem Zusammenbruch war. Die Farbe war ihr komplett aus dem Gesicht gewichen und einzelne Tränen rollten ihr über die Wangen. Ich wollte sie trösten,  aber ich konnte nicht. Wenn ich sie jetzt trösten würde,  würde ich nur selber in Tränen ausbrechen. Doch ich musste stark bleiben,  bis sich geklärt hatte ob sies wirklich waren,  ob sie wirklich tot waren. Von Clara hatte ich in den nächsten Minuten keine Antwort zu erwarten. Also blickte ich zu Marco hinüber. Dieser saß gegenüber von mir am anderen Ende des Tisches. Auch er machte einen sehr bedrückten Eindruck. Als er merkte,  dass ich ihn wieder einmal anstarrte,  rappelte er sich etwas auf. "Leute, so kann das nicht weitergehen. Wir können hier nicht rum hocken ohne genau zu wissen,  dass wirklich Silvia und Jerry diesen Unfall hatten. Lasst uns zur Polizei gehen und danach in die Rechtsmedizin. Dann erfahren wir genaueres." Er stand auf und ging in den Flur. Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu. Er schüttelte nur den Kopf und fragte "Wofür?" und ging dann weiter in den Flur. Ich ging zu Clara und half ihr aufzustehen, sie war am Boden zerstört, keine Frage. Wir andern auch, doch wir konnten uns nicht in irgendeiner Ecke verstecken und hoffen das irgendwann alles vorbei sein würde. Das Leben ging weiter und wir waren ein Teil dieses Lebens.  Wir durften uns nicht allzu sehr davon beeinflussen lassen.

Clara

Ich wollte nicht. Es war schon schlimm genug, dass ich über Umwege erfahren musste, dass zwei meiner besten Freunde gestorben waren. Und war ich nicht mit schuld daran? Hätte ich gesagt, dass sie mit uns mitfahren sollen, als wir anderen mit dem Taxi zu Sierra gefahren sind, dann wär Jerry nicht mit dem Auto gefahren, obwohl er hacke dicht war. Dann wär dieser Unfall nicht passiert. Dann säßen wir alle noch gemütlich am Küchentisch und würden frühstücken. Mir war nur zum heulen zumute. In mir verkrampfte sich alles, sodass ich noch nicht einmal Appetit hatte. Sierra reichte mir ihre Hand. Sie sah unglaublich entspannt aus. Ich fragte mich, was in ihr vorging. Sie sah keinesfalls so aus, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen. Scheinbar wollte wenigsten sie einen kühlen Kopf behalten. Ich ergriff ihre Hand und stand langsam auf. Als würde der Boden unter mir wegbrechen, so fühlte ich mich. Meine Füße fanden keinen richtigen halt und ich war kurz vorm zusammenklappen. Sierra gab sich wirklich Mühe und versuchte mich so gut wie möglich zu stützen. Doch auch für sie war es schwierig, denn sie war ein dünnes und zierliches Mädchen. Sie allein konnte mein Gewicht nicht auf die Dauer stützen. Ich versuchte so gut wie möglich auf den Beinen zu bleiben, damit Sierra nicht letztendlich unter meinem Gewicht auch noch zusammenbrach. Doch ich fühlte mich wie auf einer Eisbahn. Kennt ihr das Gefühl? Ihr wollt ohne Schlittschuhe auf eine Eisfläche gehen. Dann habt ihr vielleicht zwei Meter schon zurückgelegt, als ihr merkt, dass eure Schuhe euch keinen Halt mehr schenken. Und ihr fallt voll auf die Schnauze. Kein angenehmes Gefühl. Dann könnt ihr euch vorstellen, was ich hier gerade durchmachte. Als ich schon dachte, dass das heut gar nichts mehr wir wird, spürte ich eine warme Hand, die nach meiner linken Hand griff und meinen Arm hochhob. Marco. Er legte meinen Arm um seinen Hals und ich klammerte mich fest. Ich war froh, dass er da war. Endlich verspürte ich etwas Halt  unter meinen Füßen. Ich krallte meine Hände in sein T-shirt. Scheinbar erwischte ich einen Teil seiner Haut, denn er sah mich mit einem leicht schmerzverzehrtem Gesicht an. Doch das hielt nicht lange an,  kurz darauf  lächelte er mich an, legte seine Hand auf meine Wange und sprach leise: "Alles wird gut, mach dir keine Sorgen. Wir sind bei dir, ich bin bei dir. Schau mich an." Ich sah ihm fest in die Augen. " Clara, du wirst es überstehen, mach dich nicht verrückt, ich bitte dich, ich kann dich nicht leiden sehn." Wir schauten uns noch eine Weile an, bis das räuspern von Sierra uns wieder ins hier und jetzt versetzte. Ein ziehender Schmerz durchfuhr mich und auf einmal wurde mir schwindelig. Ich sah alles verschwommen. Die besorgten Gesichter meiner Freunde waren nur noch unklar zu erkennen und dann wurde alles schwarz.

Wenn du denkst, dass es nicht mehr weitergehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt