Kapitel 7

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Als ich am späten Nachmittag zurück zur Wohnung lief, überkam mich eine gewisse Traurigkeit. Dieses Gefühl verstärkte sich, sobald ich vor dem Gebäude stand, in dem sich Aidens und Jonas Appartement befand. Auch wenn ich vorübergehend dort wohnte, so war es definitiv nicht mein Zuhause.

Aber was war schon ein Zuhause? Bedeutete ein Zuhause Familie? Freunde? Oder bedeutete es das Zusammensein mit Menschen, die ich liebte? War es ein Zufluchtsort? Ein Ort, an dem ich mich geborgen, sicher und wohl fühlte?

Unser Haus in Hinsdale war jahrelang mein Zuhause gewesen, der Ort, an dem ich aufgewachsen war und meine gesamte Kindheit verbracht hatte. Doch die Wahrheit war, dass ich mich selbst dort seit geraumer Zeit nicht mehr wohl gefühlt hatte. Denn ein Leben unter der ständigen Fuchtel und Kontrolle meiner Eltern hatte dazu geführt, dass ich nun ohne Bleibe und mit einem abgebrochenen Architekturstudium dastand, um eine zweijährige Ausbildung an einer Kunstuniversität zu absolvieren.

Ganz gleich, wie man ein Zuhause schlussendlich definierte, ich hatte momentan nicht das Gefühl, eines zu besitzen. Zugegeben, in Milos Nähe hatte ich für ein paar Stunden alles um mich herum vergessen können. Wir hatten uns einen schönen Tag gemacht und einen John Wick Filme-Marathon hinter uns - nebenbei angemerkt meine Lieblingsfilme. Allerdings waren es wie bereits erwähnt nur ein paar Stunden gewesen und nun musste ich zurück in die Realität.

Tja und das Zusammenleben mit Aiden und Jona war noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Hauptsächlich wegen Jona. Wie schaffte man es, mit dem Menschen, in den man unsterblich verliebt war, zusammenzuleben? Es war die buchstäbliche Hölle auf Erden.

Und hier stand ich nun, vor der Eingangstür zu Aidens und Jonas Wohnung. Ehe ich die Tür aufschloss, nahm ich einen tiefen Atemzug. In der Hoffnung, niemandem begegnen zu müssen, insbesondere Jona nicht, trat ich ein.

Doch als ich dieses Mal eintrat, sorgte das Schicksal an diesem Tag ein weiteres Mal für eine Überraschung. Denn mit der Person, der ich mich gegenüber sah, hatte ich definitiv nicht gerechnet.

Es war Dad.

Er saß ein paar Meter von mir entfernt am Küchentresen, in Gesellschaft von Aiden, der Dad gerade ein Glas Wasser hinstellte. Dads grau meliertes Haar lag wie immer perfekt und hob das stechende Blau seiner Augen hervor. Selbstverständlich trug er einen Anzug und dazu ein passendes weißes Hemd, das nicht einen einzigen Knitter aufwies.

Die Tür hinter mir fiel ins Schloss und zwei Augenpaar richteten sich auf mich.

»Hallo Antonia«, begrüßte Dad mich und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Schön dich mal wieder zu sehen.«

Seit unserem Streit vor einer Woche hatte ich weder von Mom noch von Dad ein Lebenszeichen gehört. Offiziell standen wir also noch auf Kriegsfuß, dementsprechend fiel meine Begrüßung auch unterkühlt aus.

»Dad«, ich lächelte schwach. »Ja, ich wünschte ich könnte dasselbe behaupten.«

Dad räusperte sich lautstark und warf einen hastigen Blick in Aidens Richtung. Offenbar schien ihm die ganze Situation unangenehm zu sein. Er war schon immer derjenige in der Familie gewesen, der Konflikten aus dem Weg ging. Lieber hatte er Mom sprechen lassen oder um es mit anderen Worten auszudrücken; in der Beziehung meiner Eltern war Mom diejenige, die die Hosen an hatte.

Sollte Dad sich zuvor noch ausgelassen mit Aiden unterhalten haben, so herrschte nun seit meinem Eintreffen ein ganz anderes Klima - und das war mein Stichwort.

»Du bist sicher wegen Aiden hier, ich werde dann mal nach oben gehen«, ich machte bereits Anstalten zur Treppe zu gehen, doch so leicht schien ich wohl nicht davonzukommen.

Love me tomorrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt